NEUE EU-DIREKTIVE: Effizienz, made in Luxembourg

Europa gibt sich erstmals verbindliche Ziele fürs Energiesparen. Sie sind weniger hoch als ursprünglich von Brüssel anvisiert. Für eine Light-Version mit Extra-Regelungen kämpften einige Länder. Die luxemburgische Idee eines Effizienz-Handels wurde nicht zurückbehalten.

„He is my friend.“
Claude Turmes führte im Namen des Europaparlaments die Verhandlungen mit den EU-Regierungen und freute sich über die Unterstützung vom dänischen Umweltminister
Martin Lidegaard.

„Deutschland war der härteste Brocken.“ Dem Verhandlungsführer des europäischen Parlaments war die Anspannung der vergangenen vier Monate nicht anzusehen. Strahlend präsentierte am Freitag der grüne Abgeordnete Claude Turmes zusammen mit einem überaus zufriedenen dänischen Umweltminister Martin Lidegaard die Leitlinien der neuen Europäischen Energie-Effizienz-Direktive. Die Misstöne, welche die offensichtlich noch wenig praxiserprobte Mikrophon-Anlage des nach Neubau duftenden Konferenz-Zentrums auf Kirchberg ausspuckten, konnten der Aufbruchstimmung keinen Abbruch tun. „I am a happy president“, verkündete Lidegaard im Namen der dänischen Präsidentschaft. Und mit Hilfe des besser funktionierenden Saalmikrofons fuhr er fort: „Dieses gute Ergebnis wäre nicht möglich gewesen ohne hartnäckige Verhandlungsführer“.

Auch der ebenfalls anwesende und weniger zu Gefühlsausbrüchen neigende Energiekommissar Günther Oettinger gab sich mit dem Endergebnis „im Großen und Ganzen zufrieden“. Dabei wurde der von ihm ausgearbeitete Vorschlag einer Direktive im Laufe der Verhandlungen an so manchem Punkt abgeschwächt (siehe unten).

Doch mit dem Resultat, das am Donnerstagmittag vorlag, können nun offensichtlich alle leben. „Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung“, beschrieb Claude Turmes den Kompromiss, der in „sehr harten Verhandlungen“ zustande kam. „Frau Merkel war nicht gerade als Klimakanzlerin unterwegs und in ihrem Schatten hat Großbritannien Erpressungsversuche gestartet“, so Turmes.

Energiekommissar Oettinger: „Deutschland war eher distanziert eingestellt“

Deutschland sei „spät in die Gänge gekommen“ und sei auch dann „eher distanziert eingestellt gewesen“, umschrieb Kommissar Oettinger das Verhalten seiner Landsleute. Dennoch sei er überzeugt davon, dass die Deutschen das neue Gesetz „eins zu eins“ umsetzen werden.

Dafür, dass so manche Maßnahme nun nicht dazu gehört, hat sich nicht nur Deutschland eingesetzt. Auch die Niederlande, Polen und Großbritannien handelten sich Ausnahmeregelungen aus. Etwa in Bezug auf das für Energieunternehmen vorgeschriebene Ziel der Einsparungen. Darüber, um wie viel Prozent Europas Energienutzung durch diese Direktive tatsächlich effizienter werden wird, waren sich die Verhandlungsführer am Freitag nicht ganz einig. Die vom dänischen Umweltminister prognostizierten eingesparten 17 Prozent bis zum Jahr 2020 korrigierte der Luxemburger Grüne nach unten: „Ich komme nur auf 15 Prozent“, so Turmes und räumt ein, darüber „ein wenig enttäuscht“ zu sein. „Wir sollten jedoch die Zahlen jetzt nicht unnötig aufblasen“, sagte er und hob die im Text verankerte Möglichkeit der Kommission hervor, nach zwei Jahren weitere Maßnahmen vorzuschlagen.

Vor allem die von den Ländern ausgehandelten Ausnahmeregelungen im Hinblick auf das Engagement der Energie-Unternehmen sind Turmes jedoch ein Dorn im Auge. Nicht erfreut war der Grüne darüber, dass ausgerechnet Luxemburg sich für ein solches Schlupfloch engagiert hat. Die Luxemburger Unterhändler gaben sich innovativ und brachten die Idee einer Art Effizienzhandel auf: Nach dem Vorbild des Emissionshandels könnten demnach Länder, anstatt bei sich zu Hause Effizienzmaßnahmen zu ergreifen, entsprechende Projekte in anderen EU-Ländern finanzieren und sich so das eine oder andere Prozent des anvisierten Einsparziels erkaufen.

Energieminister Schneider: „Wir machen das in Luxemburg“

„Dieser Teil des Textes wurde Mittwoch Nacht herausgestrichen“, freute sich Claude Turmes. „Luxemburg muss seine Politik mit dem Scheckheft beenden“, fügte er an die Adresse des neuen Energieministers hinzu. Dieser wunderte sich nur wenige Stunden später gegenüber der Luxemburger Presse über „die Polemik von Claude Turmes“. „Luxemburg ist im EU-Rat zu einem der gefährlichsten Gegner der neuen Direktive geworden“, hatte der EU-Abgeordnete im März in einem Brief an den Luxemburger Staatsminister geschrieben und die Regierung aufgefordert, sich zu positionieren.

„Luxemburg hat die dänische Präsidentschaft von Anfang an in den Verhandlungen für diese Direktive massiv unterstützt“, lautet die Version von Etienne Schneider. Auf seinem ersten Energie-Ministerrat im Februar habe er die finanziell begründete Skepsis vieler Länder gegenüber dieser Direktive gespürt. „Daraufhin habe ich im Rat vorgeschlagen, an den Zielen festzuhalten, jedoch den Weg dahin etwas flexibler zu gestalten.“ Etwa, indem man Ländern, die sich die Einspar-Maßnahmen zu Hause nicht leisten können, die Möglichkeit gibt, woanders in billigere Projekte zu investieren und sich die so erreichten Einspar-Ziele anrechnen zu lassen. Dies brächte „europäisch gesehen dasselbe Resultat“, so Schneider. Er habe zu keinem Zeitpunkt vorgehabt, dass Luxemburg von einem solchen Effizienzhandel Gebrauch macht. Auf Nachfrage betont der Minister: „Mir geht es nicht darum, dass wir etwas ins Ausland verlagern, wir machen das in Luxemburg.“

Und zwar gehe Luxemburg weiter als es Brüssel verlangt. „Ich werde auf ein Ziel von 20 Prozent mehr Effizienz pochen“, kündigte Schneider an. Neben dem bereits vorgestellten Programm zur Gebäudesanierung will der Energieminister eine Lehranstalt aufbauen, in der Betriebe lernen können, wie sie ihre Energieeffizienz verbessern können. „Diese Kurse werden sich spezifisch auf die Produktion des betreffenden Unternehmens beziehen“, so der Minister, der die Einigung auf die Direktive ebenfalls als Erfolg wertet. Darüber, dass der Luxemburger Vorschlag eines Effizienzhandels nun nicht zurückbehalten wurde, sei er „ganz und gar nicht enttäuscht“, betonte Schneider. Und: „Hätte Claude Turmes mich angerufen, hätte ich ihm unsere Strategie gerne erklärt“. Der Brief des grünen Abgeordneten an die Regierung blieb laut Aussagen von Turmes bislang unbeantwortet. Zeit, konstruktive Gespräche unter nationalen Energie-Experten nachzuholen, bleibt sicher im Zuge der nun folgenden Umsetzung der Direktive noch genug.

 

Die neue Energie-Effizienz-Direktive

  • Nationale Ziele: Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, nationale Energiesparziele festzulegen und diese der EU-Kommission bis zum kommenden Frühjahr mitzuteilen.
  •  Kontrolle aus Brüssel: Die Kommission koordiniert diese Ziele und wacht darüber, dass die EU insgesamt 20 Prozent Energie bis 2020 einspart. Halten sich die Staaten nicht an ihre Ziele, wird 2014 nachgebessert.
  • Verpflichtungen für Unternehmen: Artikel 6 verpflichtet die nationalen Energie-Unternehmen, jährlich 1,5 Prozent Energie einzusparen. In diesem Artikel wurden auf nachdrücklichen Wunsch einiger Länder Ausnahmeregelungen festgehalten. Diese Ausnahmen dürfen jedoch nicht mehr als ein Viertel der gesamten Einsparungen übertreffen.
  • Energie-effiziente Gebäude: Die Mitgliedstaaten müssen einen Plan für Energie-Effizienz in Gebäuden vorlegen. Auch hier wurde abgeschwächt: Es müssen nicht, wie ursprünglich geplant, jedes Jahr drei Prozent aller öffentlicher Gebäude saniert werden, diese Regel gilt nun lediglich für Gebäude, die dem Staat selbst gehören.
  • Mehr Information für Konsumenten: Kunden müssen in Zukunft mindestens alle sechs Monate eine detaillierte Rechnung erhalten.
  • Welche Ersparnisse bringt die Direktive? Die vereinbarten Maßnahmen bringen bis 2020 Energie-Einsparungen von 15 bis 17 Prozent. Weitere zwei Prozent sollen Maßnahmen im Verkehr und neue Auflagen für die Automobilindustrie bringen. 

 


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