ENTWICKLUNGSHILFE: Geben und nehmen

Anders als gewohnt, fand in diesem Jahr die Chamber-Debatte zum Kooperationsbericht nicht schon im April oder Mai statt, sondern ist erst für Oktober anberaumt.

Neben anderen Vorteilen hat die neue Terminfestlegung auch den, dass die Debatte nun auf einen Zeitpunkt kurz nach den jährlichen „assises de la coopération“ fällt, so dass die dort andiskutierten Probleme in den Verhandlungen in der außenpolitischen Kommission, die die Generaldebatte vorbereitet, zur Sprache kommen können.

Die Luxemburger Entwicklungshilfeorganisationen (ONGD) haben die neue zeitliche Konstellation dazu genutzt, einige ihrer Hauptanliegen gezielt einzubringen. Bei den assises, die am Montag und Dienstag dieser Woche stattfanden und neben Angehörigen der betroffenen (para-)staatlichen Verwaltungen auch zahlreiche zu diesem Zweck repatriierte „agents de la coopération“, Diplomaten und ONGD-VertreterInnen zusammenbrachten, konzentrierten sie sich auf das Thema Nahrungsmittelsicherheit und Kohärenz der Entwicklungspolitik.

Im Rahmen eines Treffens mit der zuständigen Chamberkommission am 1. Oktober soll auch erstmals ein Kohärenz-Barometer vorgestellt werden, das die Auswirkungen der Luxemburger Politik (und der von unserem Land mitverantworteten EU-Politik) auf die Länder der sogenannten Dritten Welt analysiert und bewertet.

Hinsichtlich der Diskussion um die Nahrungsmittelsicherheit organisierten die ONGD bei den assises eine aufschlussreiche Debatte. Tags darauf nahmen der Cercle de coopération, die Action Solidarité Tiers Monde, Caritas und SOS-Faim auf einer Pressekonferenz zusätzlich zu der Frage Stellung, inwieweit die Spekulation mit Nahrungsmitteln die Ernährungssicherheit in Drittländern gefährdet und welche Rolle der luxemburgische Finanzplatz dabei spielt.

„Nicht mit Nahrung spielen“

Zwölf Jahre nach der Proklamierung der UN-Milleniumsziele ist die Bilanz ernüchternd: Die Zahl der Menschen, die jedes Jahr an Unterernährung sterben, steigt wieder an. Eigentlich hatte man sich vorgenommen diese Zahl bis 2015 zu halbieren. Die rezenten Nahrungsmittelkrisen verdeutlichen, dass es wirtschaftliche und politische Entscheidungen im Norden sind, die die Situation im Süden verschärfen.

Mamadou Cissokho, Ehrenvorsitzender der senegalesischen Landarbeitergewerkschaft Roppa, wies auf die strukturellen Ursachen der aktuellen Lebensmittelkrise hin: Die Liberalisierung der 80er Jahre hat die traditionelle Landwirtschaft der Länder des Südens in eine Konkurrenz mit der industriellen Agrarproduktion des Nordens gezwungen. Staatliche Hilfen an die lokalen Produzenten und für den Unterhalt von Nahrungsmittellagern hätten die Regierungen auf Geheiß von Weltbank und IWF abgeschafft. Im Rahmen dieser „strukturellen Anpassung“ an den Weltmarkt seien diese Länder gezwungen worden, „billigere“ – teilweise subventionierte – Lebensmittel zu importieren.

Diese inzwischen auch von der hiesigen Politik gelegentlich eingestandene Fehlentwicklung hat aber nur ansatzweise zu einer Änderung der Politik geführt. Andere Probleme, wie die Umwandlung großer Flächen zur Gewinnung von Agro-Kraftstoffen oder der Aufkauf von Länderein im Süden durch internationale Konzerne, die dort großflächig für den Export produzieren, verschärfen die Situation zusätzlich.

Ein relativ junges Phänomen ist die Zunahme der Spekulation mit Nahrungsmitteln. Da aufgrund der erwähnten Entwicklung die Preise für bestimmte Grundnahrungsmittel in den letzten Jahren auf dem Weltmarkt nach oben tendierten, hat die Finanzwelt diesen Bereich für sich entdeckt und zahlreiche Finanzprodukte entwickelt, die es erlauben, auf Preiserhöhungen zu spekulieren und damit große Gewinne einzustreichen.

In einem offenen Brief an den Finanzminister verlangen die vier genannten Organisationen, dass Luxemburg sich im Rahmen der Revision der MiFID-Richtlinie, die auf EU-Ebene die Spielregeln für Wertpapiergeschäfte festlegen soll, für eine Eindämmung der Spekulationen mit Grundnahrungsmitteln einsetzt, aber auch national den Rahmen dafür schafft, dass in dieser Hinsicht der Finanzplatz Luxemburg das versprochene „neue ethische Verhalten“ in die Tat umsetzt und Finanz-Aktionen, die auf Nahrungsmittelspekulation basieren, unterbindet.


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