INDIE: Eine Band gegen Dosenwaren

Die Musik der englischen Band Beak ist ungeschliffen und vermittelt ein Gefühl von Weite und Freiheit. Das Paradoxe daran ist, dass hinter der Musik ein streng eingehaltenes Konzept steht: das der Freiheit und Natürlichkeit.

Produzieren Musik die über den Tellerrand schwappt: Beak.

Als sich Portishead-Gründer Geoff Barrow und seine Beak-Kollegen Bill Fuller und Matt Williams Ende 2009 trafen, um ein Album zusammen aufzunehmen, barst die englische Musikszene vor sogenannten Indie-Bands, die ihre durchproduzierten Alben nach den Richtlinien der Label-Giganten herausbrachten. Kein Ton oder Soundeffekt war dort, wo er nicht hingehörte, keine Platte war weniger als tausendfach gemischt und glattpoliert. Das war die Inspiration für Beak, es genau andersherum anzugehen.

So gingen die drei Musiker ins Studio und nahmen auf, ohne vorher geprobt oder auch nur eine Melodie geschrieben zu haben. Die Musik entstand aus reiner Improvisation. Barrow gab dabei einen Rhythmus über das Schlagzeug vor und ließ Fuller am Bass und Williams an Gitarre und Keyboards freien Lauf. Alles geschah komplett natürlich und wurde auch so aufgenommen. Barrow sagte in einem Interview, dass Beak im wesentlichen eine Jam Band sei, die den Blues-Aspekt außen vor lasse. Die Songs wurden hinterher lediglich geschnitten, hauptsächlich, um ins Unendliche driftende Stücke zu verhindern.

Darüber hinaus steuert Geoff Barrow bei Beak Gesang bei, der ebenfalls intuitiv entsteht. Auch die nur spärlich vorhandenen Texte haben sich während der Aufnahmen entwickelt. All dies trägt zu der Ungezwungenheit der Musik bei, obwohl das Konzept der Band das genaue Gegenteil der Musik ist, mit der Barrows Karriere anfing; dem Sampling und der DJ-Kultur, in der vorhandene Musik wiederverwertet wird, anstatt neue Töne anzuschlagen.

Das 2012 erschienene zweite Album, „>>“ getauft, ist eine Erweiterung des Debüts und unterscheidet sich vor allem durch den Gebrauch von Synthesizern, die zuvor vollkommen fehlten. Die Stücke sind durch Rhythmen getriebene Rocksongs, die immer weitere Klangschichten aufbauen, bis sie zu ihren teils psychedelischen Höhepunkten gelangen. Hier hört man die Dunkelheit des Post Rock heraus, dort erinnern die Synthesizer an die Verschrobenheit des Krautrock.

Beak gehen dabei jedes Mal so weit, dass ihre Melodien und Songstrukturen sich komplett entfalten können und die Illusion der Unendlichkeit entsteht. Beschreibend sind auch die Songtitel, von denen viele Ortsnamen enthalten. Dies lässt an klassische Landschaftsgemälde denken und beschreibt die Songs auf sehr treffende Weise, nämlich als selbstständige Kunstwerke.

Das Album haben Beak auf Barrows eigenem Label Invada herausgebracht. Auch hier wird Freiheit groß geschrieben. Die Standards, nach denen große Musik-Labels vorgehen, werden vorsätzlich ignoriert. Es geht nicht darum, wie man eine Band verkaufen kann, wie viele Singles sie abwirft und welche großen Namen angeheuert werden, um das Album auf hochtechnisierte Weise zu produzieren. Invada hat quasi eine nicht-lukrative Marktlücke aufgetan: Bands und Alben zu vermarkten, die nicht einfach zugänglich und zu verkaufen sind, aber trotzdem tolle Musik abliefern.

Den großen Labels, so Barrow, fehle der Mut, auch andere Möglichkeiten zu entdecken. Erst wenn man genau hinsieht, sagte der Labelchef in einem Interview, finde man wahre Künstler: „You might find some actual artists rather than cans of beans on a shelf.“ Ganz wie Beak selber – eine Band im Kampf gegen Dosenwaren.

Am 30. November im Exit 07.


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