PARTEIENFINANZIERUNG: Darf’s ein bisschen mehr sein?

Politische Arbeit zum Nulltarif, das ist vorbei. Darauf einigten sich die Parlamentsparteien im Konsens.

Herbst 1989: Anläßlich der „rentrée parlementaire“ blockieren die Abgeordneten der kleinen Parteien die Haupttreppe im Parlament und verweigern ihren KollegInnen von CSV, LSAP und DP den Zugang zum Plenarsaal. Sie machen so auf den ungerechten finanziellen Ausgleich innerhalb der Fraktionen und Parlamentsmitglieder aufmerksam. Die Reaktion ist heftiger als erwartet. Die bunte Truppe wird kurzerhand mit Polizeigewalt entfernt und für ein paar Sitzungstage ausgesperrt – unter teilweisem Entzug der Abgeordnetendiäten.

Aber die zur Schau gestellte Solidarität zwischen dem rechten und linken Extrem des damaligen Parlamentsspektrums führte letztendlich zum Ziel: Über das Konstrukt einer technischen Fraktion bekamen die „Kleinen“ auf einmal richtiges Geld für die politische Arbeit. Vorher standen ihnen nur die mehr oder weniger hohen Abgaben der Abgeordneten sowie eine minimalistische Aufwandsentschädigung zur Verfügung. Doch die Sache mit den Fraktionsgeldern hatte einen Haken: Diese Summen mussten offiziell für Ausgaben im Zusammenhang mit parlamentarischen Aktivitäten ausgegeben werden, also nicht für die Parteiarbeit.

Knapp ein Jahrzehnt später einigten sich die Parteien dann einvernehmlich auf eine Rückerstattung der Wahlkampfkosten. Damit wurde ein Schlussstrich unter teilweise fragwürdige Praktiken der Großparteien gezogen, die sich die teuren Gadgets und Plakate auch schon mal von lichtscheuen Gestalten finanzieren ließen. Schwarze Kassen, anonyme Schecks und „Wallissen“ – es gab viele Verdachtsmomente, aber so richtig offen legen wollte keiner seine Finanzquellen. Erst als durch das Wahlkampffinanzierungsgesetz der Staat als Hauptgeldgeber einsprang, kam es im Gegenzug zu einer teilweisen Offenlegung der Etats der Parteien.

Aber diese neuen Geldquellen bedeuteten auch, dass der der Fraktionsapparat zum Wasserkopf wurde. Wenn 80 oder 90 Prozent der Parteieinnahmen allein auf die parlamentarische Arbeit beziehungsweise aus dem Finanzausgleich für die Wahlkämpfe zurückzuführen sind, dann schwindet das Gewicht der Basis dahin. Die neue Unabhängigkeit der Parlamentarier gegenüber Einflüssen von außen, sie wurde auch zu einer Unabhängigkeit gegenüber der eigenen Partei.

Zwei Prozent als Einstiegsmarke

Die jetzt von den im Parlament vertretenen Parteien vorgeschlagene Parteienfinanzierung soll hier einen Ausgleich schaffen. Zwar orientieren sich die Beiträge, die zukünftig den einzelnen Parteien zugedacht werden, an den Resultaten, die bei Landes- und Europawahlen erreicht werden. Es ist jedoch ist explizit erwünscht, ja sogar vorgeschrieben, dass diese Gelder den Parteien für ihren strukturellen Ausbau und zu Bildungs- und Forschungszwecken aufgewendet werden. Das Gesetzesvorhaben wird als „proposition de loi“ von den fünf Fraktionsschefs auf den Instanzenweg gebracht werden, auch um deutlich zu machen, dass es sich um einen Konsens zwischen Parlamentsmehrheit und -opposition handelt. Nicht einbezogen in die Verhandlungen waren die „Lénk“ und die KPL, die ja 2004 den Einzug nicht mehr schafften.

Dennoch: Parteien, die den Sprung ins Parlament nicht geschafft haben, werden ebenfalls finanziert ein Ausdruck dafür, dass Präsenz im Parlament keine conditio sine qua non für Parteiarbeit ist. Voraussetzung ist aber, dass sie bei besagten Wahlen im Schnitt mehr als zwei Prozent erreichen. Dass dieser Wert nur um Zehntelpunkte über dem Wert der „Lénk“ liegt, wird von den Antragstellern nicht als Schönheitsfehler gewertet: In anderen Ländern gelten teilweise höhere Barrieren. Aber allein gutes Abschneiden bei den Wahlen reicht nicht aus. Es sollen nur jene politische Organisationen als Parteien anerkannt werden, „qui participent de façon active et permanente à la vie politique“ – so CSV Präsident Fränz Biltgen. Damit soll vermieden werden, dass Wahlvereine und Einpunkt-Parteien die einmalig bei Wahlen zwar gut abschneiden, ansonsten aber keinerlei Aktivitäten aufweisen, außen vor bleiben. Dass hier der Teufel im Detail steckt, belegt auch die Tatsache, dass der definitive Gesetzestext der Presse nicht vorgelegt werden konnte.

CSV sahnt ab

Was ist eine aktive und permanente Beteiligung am politischen Leben? Den Vorwurf, lediglich eine Modeerscheinung zu sein, mussten sich neue Parteien immer wieder gefallen lassen. Nicht zuletzt die Grünen und der ADR, die in den Achtzigern entstanden sind, und denen erst nach drei oder vier Wahlgängen zugestanden wurde, eine richtige Partei zu sein. Für die beiden linken Gruppierungen dürfte die neue Regelung ein Ansporn sein, sich beim nächsten Wahlgang nicht erneut gegenseitig zu bekämpfen, sondern gemeinsam anzutreten. Denn ist der Mindestsockel von zwei Prozent bei den Landes und Europwahlen erst einmal erreicht – was bei Einheitslisten ohne Zweifel der Fall wäre – locken 100.000 Euro Grundbetrag – und zwar jährlich. Zusätzlich werden für jeden Prozentpunkt, den die einzelnen Parteien über diesen Sockelbetrag hinaus erreichen, 11.500 ausbezahlt – Europa- und Landeswahlen werden hier getrennt bewertet. Nach aktuellem Stand würden den fünf im Parlament vertretenen Parteien so etwa rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr zustehen. Die CSV wird auch hier das Feld anführen und dürfte auf knappe 900.000 Euro kommen, gefolgt von der LSAP die über eine halbe Million erreichen dürfte, während die DP, Grüne und ADR sich etwa eine Million teilen dürften. Es fällt auf, dass diese Streuung noch stärker ausfällt als bei den Fraktionsgeldern, bei denen die CSV laut Kontenabschluss 2004 knapp über 600.000 Euro lag. Eine Höchstgrenze ist für die Parteienfinanzierung nämlich nicht vorgesehen. Zumindest unter dem Strich darf sich die Juncker-Partei schon jetzt als Gewinnerin sehen.

Ob diese Gelder bereits 2008 zur Auszahlung kommen, hängt nicht nur davon ab, ob die proposition de loi wie geplant noch vor Jahresende verabschiedet werden kann. Die Parteien haben nämlich nur dann Anspruch auf die vollen Beträge, wenn sie 25 Prozent ihrer Finanzierung über Spenden selber aufbringen. Da die Pflichtbeiträge der Mandatsträger als Spenden bewertet werden, haben große Parteien auch hier einen Vorteil – insbesondere wenn sie in der Regierung vertreten sind.

Gut klingt zunächst, dass wenigstens 10 Prozent der Parteimittel für Bildungszwecke aufgewendet werden müssen. Für Fränz Biltgen ist in diesem Zusammenhang die Kontrolle über die Verwendung der Gelder wichtig. Er spricht von „Sicherheitsschleusen“, die die Parteien einrichten müssten. Die Kontrolle, ob die Parteien den selbstdefinierten Ansprüchen gerecht werden, wird der „Cour des Comptes“ übertragen. Sie soll jährlich einen Bericht über das Finanzgebaren der Parteien ablegen, das dann vom Chamberbüro ausgewertet wird. Wer sich nicht an die Spielregeln hält, muss mit Strafen rechnen: Das kann vom Einbehalten des Doppelten des fälschlicherweise aufgeführten Betrages bis hin zum gänzlichen Ausschluss aus dem Finanzierungsverfahren führen.

Sollte der neue Finanzierungsmodus tatsächlich zum 1. Januar 2008 in Kraft treten, bleibt den Parteien nicht viel Zeit, um den neuen Geldsegen und seinen rechten Gebrauch zu proben. Zufall oder nicht: Spätestens 2009 wird gewählt und es wäre, angesichts der komplizierten Vorgaben verwunderlich, wenn der erste Bericht des Rechnungshofes vor dem nächsten Wahlgang vorliegen würde.


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