SPËTZELDÉNGSCHT: Im CSV-Dunkel

Die CSV will nicht mit dem Spitzel-dienst in einen Topf geworfen werden und verleugnet damit ihre eigene Geschichte.

Mit einem geharnischten, in der Sache allerdings wenig informativen Kommuniqué, in dem sie sich gegen den Vorwurf eines Journalistenkollegen verwahrt, Nutznießer des Spitzeldienstes gewesen zu sein, reagierte die CSV auf den RTL-Presseclub von vergangenem Sonntag,

In der Journalistendebatte war die Rede allerdings vom CSV-Staat gewesen, das heißt einem historischen Phänomen, das am Ende des Zweiten Weltkriegs in Erscheinung trat. Gemeint ist mit dem Begriff die Kontrolle der wesentlichen staatlichen Funktionen durch die besagte Partei, die für sich beanspruchte, auch ohne absolute Mehrheit die wichtigsten Schaltstellen der Macht mit ihnen nahestehenden, wenn nicht gar hörigen, Personen zu besetzen.

Diese Macht war so stark, dass sogar die Mitte der 1970er Jahre vom LW-Direktor verfügte Verjüngungskur, und die mit ihr verbundenen fünf Oppositionsjahre, die CSV nur ansatzweise ins Wanken brachte.

Erst als Jean-Claude Juncker Mitte der 1990er die „circulaire Santer“ aufhob, die es bis dahin jedem Staatsbediensteten untersagte, der Presse Auskunft zu geben, ohne das explizite Einverständnis des zuständigen Regierungsmitglieds eingeholt zu haben, schien auch in Luxemburg die Ära einer fast absolutistischen Kontrolle des Staatsapparats vorbei zu sein.

Dass in diesem Kontext ein zunächst allein vom (CSV-)Premier kontrollierter Spitzeldienst als eines der Instrumente der Machterhaltung benutzt wurde, lag damals für viele auf der Hand. Ideologisch hatten nach dem zweiten Weltkrieg die C-Parteien den Auftrag, vermeintliche kommunistische Unterwanderung und umstürzlerische Tendenzen in den westeuropäischen Ländern mit allen demokratischen – und, wie sich später erwies, zuweilen auch illegalen – Mitteln zu verhindern.

Alles was links von der CSV operierte, stand unter Generalverdacht wenn vielleicht nicht der offenen Kooperation mit dem „ennemi“ von damals, so doch wenigstens der unbewussten Förderung, als fünfte Kolonne, von dessen Interessen. Dass in den 1970er und 1980er Jahren linke Gruppierungen und später die neuen sozialen Bewegungen observiert wurden, war, dank des teilweise stümperhaften Vorgehens des von höchster Hand protegierten Dienstes, bekannt. Aber die Anzahl der Einzeldossiers und der Umfang der Inhalte der bis jetzt bekannt gewordenen Stichproben, überraschen doch.

Jetzt zeigen die politische Opposition und – immer unverhohlener – auch der Koalitionspartner mit dem Finger auf den politisch verantwortlichen Premier und seine Partei. Das hat auch mit dem unguten Gefühl zu tun, dass die von der großen Mehrheit der Bevölkerung verlangte lückenlose Aufklärung gerade durch diejenigen be- wenn nicht verhindert wird, die sich jetzt als Opfer eines „Totschlag-Arguments“ sehen, das darauf abziele, sie „auszuschließen“.

Von den 13 Mitgliedern der Enquetekommission stammen fünf aus der CSV. Ein Ausschluss sieht doch etwas anders aus. Doch wie die erste Sitzung gezeigt hat, kommt gerade von ihnen der Großteil der prozeduralen Bedenken gegenüber den Aufgaben und der Verfahrensweise der Kommission.

Schon die zweite, für Anfang Januar anberaumte Sitzung wird wieder nicht-öffentlich sein, obwohl das Prinzip der Transparenz doch von allen so hoch gehalten wird. Und auch der Zugang zu den vom Spitzeldienst gesammelten Daten ist für die Betroffenen alles andere als gewährleistet.

Zur Zeit müssen die sich an eine spezielle Kontrollkommission wenden, die aus einem Vertreter der Staatsanwaltschaft und zwei Mitgliedern der Datenschutzkommission besteht. Sie gibt zunächst nur Auskunft, ob eine entsprechend Akte vom Geheimdienst angelegt worden ist oder nicht. Überdies ist nicht einmal klar, ob die Kommission überhaupt in der geplanten Weise arbeiten kann, da die Reglemente, die sie einsetzen und ihr den Zugang verschaffen, noch gar nicht erlassen wurden.

Die große Einmütigkeit, die bei der Einsetzung der Enquetekommission herrschte, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier mit ziemlich gedrosseltem Motor gefahren wird. Und der Beteuerung, alle bekannten Datenbestände seien versiegelt und vor Vernichtung geschützt, kann nur Glauben schenken, wer bislang „Spëtzeldéngscht“ für den Spitznamen von Junckers schwarzem Hund hielt.


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