ABSCHIEBEHAFT: Ein bisschen Menschenrecht

Die Menschenrechtskommission hat gegen einen Abschiebeknast in Luxemburg grundsätzlich nichts einzuwenden. Dem zuständigen Minister geht die Kritik dennoch zu weit.

Am Montag hatte die Menschenrechtskommission (CCDH) ihren Avis zum Projet de loi über den Bau eines Centre de rétention der Öffentlichkeit präsentiert. Bereits tags darauf bestellte Immigrationsminister Nicolas Schmit das RTL-Fernsehen ein, um den Avis zu kommentieren. Seine schulmeisterhafte Zurechtweisung der Kommission gipfelte in dem Anwurf, man solle doch nicht so tun, als ob fortan systematisch alle Asylbewerber ins Centre gesteckt würden. Solche polemischen Seitenhiebe haben einen gewissen Unterhaltungswert – müssen aber nicht der Wahrheit entsprechen: „Wir haben nie suggeriert, dass nun alle abgelehnten Asylbewerber dorthin kommen sollen“, weist CCDH-Vorsitzender Jean-Paul Lehners die Aussage des Ministers zurück. Die Menschenrechtskommission sei jedoch auch nicht dazu da, „zu allem, was die Regierung sagt, Ja und Amen zu sagen. Unsere Aufgabe ist es, auf Probleme hinzuweisen, die kommen können.“

Diese Hinweise hat die CCDH in ihrem Avis gegeben. Dabei hat sie jedoch auch deutlich gemacht, dass die Existenz eines Centre de rétention an sich für sie aus humanitärer Sicht kein Problem darstellt, wie Jean-Paul Lehners im Gespräch bekräftigt: „Wir haben gleich am Anfang gesagt, dass wir zu der Tatsache, dass ein solches Zentrum gebaut wird, stehen. Ich glaube nicht, dass es realistisch ist zu sagen, dass wir kein Centre brauchen“.

Wer von der Kommission ein kategorischeres Signal erwartet hat, sieht sich also enttäuscht. Die CCDH ist lediglich um die Bedingungen, die im Centre herrschen sollen – das „Régime de rétention“ – bemüht. Was dabei grundlegend zu gelten habe, wird im Avis merkwürdig unentschlossen formuliert: „Une des considérations primordiales, sinon la considération primordiale en politique d’asile et d’immigration, devrait être le souci d’assurer le respect et la dignité de ces personnes et de garantir leurs Droits de l’Homme et leurs libertés fondamentales.“

Immerhin kritisiert die Kommission in ihrem Bericht deutlich, dass in der letzten Zeit verstärkt auf „Mesures de rétention“ zurückgegriffen werde, „surtout dans le contexte jurisprudentiel actuel où le seul fait d’être en situation irrégulière devient une condition suffisante pour être placé au centre de séjour provisoire“. Abschiebehaft, so die CCDH, habe eine absolute Ausnahme zu bleiben. Werde sie dennoch angeordnet, müsse den Insassen des Centre eine Behandlung widerfahren, die ihrem jeweiligen kulturellen und biografischen Hintergrund angemessen ist. Neben menschenwürdiger Unterbringung und geschultem Wachpersonal, das nach Meinung der Kommission möglichst nicht von einem privaten Dienst gestellt werden sollte, kritisiert der Avis, das vorgesehene 16-köpfige Betreuungspersonal könne den Bedürfnissen der bis zu hundert Insassen des geplanten Centre keinesfalls gerecht werden.

Jesuiten: Gegen Abschiebehaft

Überhaupt stellt eine Kapazität von bis zu hundert Plätzen für Jean-Paul Lehners „ein zweischneidiges Schwert“ dar: Einerseits könne dadurch für menschenwürdige, auch familiengerechte Bedingungen gesorgt werden, andererseits bestehe die Gefahr, das Centre dann auch mit Insassen „aufzufüllen“, um die Infrastruktur auszulasten.

Nicolas Schmit erläuterte auf RTL, es handle sich bei den künftigen Insassen um Leute, deren Asylantrag teilweise bereits vor Jahren abgelehnt worden sei und die daraufhin untergetaucht seien. „Zufällig“ würden solche Personen bisweilen aufgegriffen. Und manchmal – wie der Minister, auf gängige Ressentiments spekulierend, wissen ließ – auch auf Baustellen.

Der CCDH-Forderung, das „Régime de rétention“ aus Gründen der Rechtssicherheit gesetzlich zu regeln, statt, wie von Schmit vorgesehen, über ein „Règlement grand-ducal“, begegnete dieser auf RTL mit der Ankündigung, „mit dem Jesuiten-Orden zusammenzuarbeiten“. Dieser habe eine große Erfahrung, was die Konzeption und Ausgestaltung solcher Zentren betreffe. Doch Schmit, der sich nicht ohne Süffisanz über die CCDH-Kritik an der im Gesetzesprojekt zum „Centre de rétention“ verwendeten Terminologie hermachte, litt während des TV-Interviews selbst unter den Tücken der Begriffsgenauigkeit. Die Kooperation sucht der Minister nämlich nicht mit dem Orden der Jesuiten, sondern mit dem „Jesuit Refugee Service“ (JRS), einer internationalen katholischen Organisation, die auch zivile Angestellte beschäftigt. „Letzte Woche hat der Minister bei uns angefragt, ob eine Delegation von uns vorbeikommen könnte, da er sehr beeindruckt vom aktuellen Jahresbericht des JRS war“, erläutert der in Luxemburg ansässige Jesuit Vincent Klein, der selbst nicht beim JRS, sondern als Gefängnisseelsorger arbeitet. Man habe sodann einen Mitarbeiter des JRS Belgien zur Teilnahme an der Delegation gebeten, der den Jahresbericht präzisiert und die Arbeit des JRS im Kontext der Centres de rétention weltweit erläutert habe.

„Der JRS ist gegen Abschiebehaft“, stellt Vincent Klein klar: „Abschiebehaft ist einfach Gefängnis, und Leute sollen nicht im Gefängnis sitzen, nur weil sie keine gültigen Papiere haben.“

Kommission im Stress

Die Existenz von Abschiebegefängnissen stelle den JRS vor ein Dilemma, auch in Luxemburg: Ziehe man aus der Ablehnung der Abschiebehaft die Konsequenz, jede Zusammenarbeit zu verweigern, laufe man Gefahr, dass die Insassen schlecht behandelt werden. „Oder wir sagen, wir sind dagegen, wir helfen dem Minister in diesem Fall aber trotzdem, damit die Situation für die Häftlinge so menschlich wie möglich ist.“ Wenn Nicolas Schmit interessiert sei, könne es also sein, dass der JRS mit seiner Beratung fortfährt, so Vincent Klein.

Die Sorge des JRS gelte in diesem Fall vor allem dem freien Zugang von Anwälten und NGOs sowie der Ausbildung des Personals, das über eine gute Kenntnis der Menschenrechte sowie der erforderlichen Sprachen verfügen müsse. Auch Schmit, von dem Klein den Eindruck hat, er spiele mit offenen Karten, habe sich besonders mit der Frage des Personals beschäftigt. Klein hält fest: Im Centre zu arbeiten, müsse zur positiven Herausforderung werden, die nur von besonders Befähigten ergriffen werden darf. Eine Beschäftigung von Psychologen in der Einrichtung selbst, lehnt Vincent Klein dagegen ab: „Die müssen von außen kommen, damit den Häftlingen klar ist, dass die Therapeuten unabhängig sind, weil sonst kein Vertrauen entstehen kann.“

Die Menschenrechtskommission will sich anlässlich des angekündigten Migrationsgesetzes in einem Avis grundsätzlich mit den Ursachen von Migrationsbewegungen und Asyl auseinandersetzen. Jean-Paul Lehners beklagt in diesem Zusammenhang auch, dass man sich qua Statut nur mit Dingen beschäftigen dürfe, die auf dem Gebiet des Großherzogtums passieren. Zudem seien die durchweg ehrenamtlich tätigen Mitglieder des CCDH mit dem aktuellen Avis an die Grenzen der Arbeitskräfte gelangt: „Wir waren unter Zeitnot“. Das erkläre, warum „dieser Avis nicht so ausführlich ausgefallen ist, wie es hätte sein können“.

Dennoch zeigt sich, dass – so wichtig ihre Arbeit im Detail auch ist – das Engagement der Menschenrechtskommission Ornament am Bestand des herrschenden Zustands bleibt. Eine fundamentale Kritik staatlicher Abschiebepolitik, die von der Vielzahl und individuellen Besonderheit, insbesondere wirtschaftlicher Migrationsursachen meist nichts wissen will, kann die CCDH nicht leisten. Als Konsultativorgan der Regierung gehört sie selbst zum erweiterten Staatsapparat. Davon zeugt auch die generöse Ankündigung Junckers, der Kommission ein legales Statut zu verleihen, was im Übrigen lediglich eine bis 2008 umzusetzende Auflage der UNO erfüllt.


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