UNIVERSITÄT: Personalpraxis ungeklärt

Es tut sich was an der Uni Luxemburg: Das Personal will sich organisieren. Als erstes wird das heiße Eisen der befristeten Verträge angepackt.

Der moderne Uni-Alltag erfordert zunehmend flexiblere Forscher. (Foto: CNRS)

Unter anderem ein Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. Februar hatte die Diskussion wieder ins Rollen gebracht: Dem Verdikt nach müssen Chargés de Cours nach 24 Monaten festangestellt werden. Betroffen ist allerdings längst nicht nur das Lehrpersonal der staatlichen oder kommunalen Schulen, auch an der Uni Luxemburg sind „Contrats à durée déterminée“ (CDD) an der Tagesordnung. Wie mit diesen Verträgen umgegangen werden soll, ist jedoch sowohl der Verwaltung wie auch den Angestellten oftmals unklar. Das Hochschul-Gesetz schreibt vor, dass ein befristeter Vertrag maximal für die Dauer von zwei Jahren abgeschlossen werden darf – die einzige Ausnahme gilt den „enseignants-chercheurs“. Dieses Gesetz lässt sich mit der Uni-Praxis nur schwer vereinbaren: Einerseits sind viele Forschungsprojekte inklusive Doktorate auf einen längeren Zeitraum angelegt, andererseits können nicht alle betroffenen Assistenten auf unbefristete Zeit eingestellt werden.

„Die Situation an der Uni ist besonders kompliziert“, sagt Justin Turpel vom Landesverband. Doch die Diskussionskultur auf dem Campus Luxemburg steckt diesbezüglich noch in den Kinderschuhen. Am 3. Mai hatte ein „Comité provisoire visant à constituer une délégation du personnel de l’Université du Luxembourg“ im Audimax in Walferdange zu einer Informationsveranstaltung über CDD eingeladen. Gekommen waren ungefähr 60 Leute, die sich über die rechtliche Situation ins Bild setzen wollten. „Wir wissen, dass einige Angst hatten, ihr CDD werde nicht verlängert, wenn sie zur Veranstaltung gehen“, so Turpel, der die Konferenz zusammen mit dem Comité initiiert hatte.“ Für den Gewerkschaftler gibt es zwei Diskussionsebenen: Zum einen muss geklärt werden, wie mit den bestehenden CDD umgegangen wird. Zum anderen muss eine Regelung für die Zukunft ausgearbeitet werden.

Gefragt: Flexibilität

Um für etwas Aufklärung zu sorgen, hatte das Rektorat in einer Note de service neue Instruktionen über den Umgang mit CDD mitgeteilt. Darin wird die maximale Dauer der CDD für die verschiedenen Mitarbeiter-Kategorien festgelegt, sowie die Karenzzeit, die zwischen zwei CDD verstreichen muss. „Die dort aufgeführten Kategorien sind jedoch so im bestehenden Hochschulgesetz nicht vorgesehen“, sagt dazu Justin Turpel vom Landesverband und spricht von einem „Mix aus Anerkennung der aktuellen Situation und der politischen Intention des Ministers, das bestehende Gesetz zu ändern“. Von Seiten des Comités hält man sich zunächst mit einer Stellungnahme zurück. „Wir wollen mit dem Rektorat zusammenarbeiten“, betont Philippe Wanlin, einer der Vertreter des Comités, „um zusammen Lösungen zu finden, die für eine hohe Qualität in der Recherche garantieren können.“

Vor zwei Wochen hat Hochschulminister François Biltgen seine Absicht nun präzisiert: Der Regierungsrat segnete ein Gesetzesprojekt ab, das unter anderem die staatliche Subvention von Doktorats- oder Postdoktorats-Recherchen vorsieht. Mit diesem Geld sollen die Arbeitsverträge zwischen Uni und Forschern finanziert werden. Angesichts der Tatsache, dass eine solche Forschung „constitue typiquement une tâche précise et non durable, le projet de loi modifie le Code du travail“, heißt es in der Presseerklärung des Regierungsrats. Konkret soll in das Arbeitsrecht das Prinzip der CDD als mögliche Vertragsform aufgenommen werden. Zusätzlich ist eine „dérogation selon laquelle ces contrats de travail peuvent avoir une durée totale maximale de soixante mois, deux renouvellements compris“ vorgesehen.

Verträge, die bis zu fünf Jahren laufen, würden dem Uni-Alltag mit Sicherheit eher entsprechen. „Der Hochschulbetrieb könnte unter den aktuellen Bestimmungen leiden“, sagt Michel Pauly, Professor für Geschichte an der Universität. „Es ist schwieriger, Leute zu finden, wenn man ihnen eine gewisse Sicherheit nicht garantieren kann.“ Dies gelte insbesondere für ForscherInnen, die sich aus dem Ausland an der Uni bewerben. „Wir hoffen, dass es bald eine Gesetzesänderung geben wird“, so Michel Pauly.

Dass die Uni-Verwaltung derzeit sogar restriktiver vorgeht, als das Gesetz es vorsieht, macht die Lage indessen nicht besser. Oftmals werden Assistenten nur Ein-Jahres-Verträge angeboten. Dies, obwohl die Projekte, für die sie angestellt werden, drei Jahre laufen. Diese Verträge können nach einem Jahr verlängert werden, beim zweiten Mal ist eine Ausnahmeerlaubnis des Ministers erforderlich. „Wenn ich Assistenten einstellen will, muss ich mich darauf verlassen können, dass sie für die Dauer des Projekts bleiben können“, so Pauly. Eine Festanstellung kommt für Forschungsassistenten auch nur begrenzt in Frage, dazu sind die Anforderungen an die ForscherInnen zu spezifisch. Zudem handelt es sich bei vielen Assistenten-Stellen um eine Forschungsarbeit, die Teil einer Ausbildung etwa auf dem Weg zu einer Professur ist.

Darauf, dass nur ein Bruchteil der Doktoranden auch Aussicht auf eine feste Stelle an der Uni Luxemburg hat, machte Rektor Rolf Tarrach in der jüngsten Ausgabe des Uni-Newsletter aufmerksam. Zwar sei die erst wachsende Uni Luxemburg in der glücklichen Position, in den kommenden zehn bis 15 Jahren noch viele Posten besetzen zu können, doch würden die vakanten Posten stets international ausgeschrieben. „Die Universität ist nun global und universal und die Konkurrenz zwingt die Uni Luxemburg sicherzustellen, dass sie das beste Personal bekommt.“

„Ein fester Kern innerhalb des Forschungsteams muss jedoch sein, um die Qualität zu halten“, sagt Justin Turpel. „Die Diskussionen um das Modell der verschiedenen Karrieren an der Uni müssen erst noch anlaufen.“ Die Uni müsse einen Mittelweg zwischen Erneuerung und der Verpflichtung kompetenter Forscher finden. Bei der Einweihung des neuen Gebäudes am 25. April auf Kirchberg wurde ein Flugblatt verteilt, mit dem Titel „Vous devez demander à notre recteur, quelles sont les perspectives de la recherche au Luxembourg“. Die Anfang April vom Rektorat herausgegebenen neuen Regeln würden den jungen Doktoranden jede Zukunftsperspektive an der Uni Luxemburg rauben. Die CRP (Centres de Recherche Public) hätten eine intelligentere Lösung gefunden: Hier sei ein CDD „renouvelable à vie“ und damit könnten diese Forschungszentren qualitativ gutes Personal halten.

In der Mache: Personalvertretung

Von solchen Äußerungen distanziert sich das soeben an der Uni gegründete Comité in aller Deutlichkeit. „Es handelt sich um die Initiative eines Einzelnen, für die Uni gelten andere Bestimmungen als für die CRP“, sagt Justin Turpel. „Wir wollen den Dialog“, ergänzt Philippe Wanlin. „Die Universität ist noch jung und manche Dinge müssen sich erst finden.“ Klären will man innerhalb des Comités vor allem auch die Frage der Repräsentanz des Personals. „Auch das ist an der Uni besonders kompliziert“, so Turpel. Unter den Angestellten befinden sich neben Staats-Funktionären, auch „employés“ oder „ouvriers de l’Etat“ sowie Privatbeamte. Dem Gesetz nach steht den Arbeitern aus öffentlichem und privatem Sektor ab einer Belegschaft von 15 Personen eine eigene Personaldelegation zu. Dies gilt jedoch nicht für Privatbeamte im öffentlichen Sektor. „Hier müsste dringend eine Gesetzesänderung erfolgen“, sagt Justin Turpel und meint damit das Gesetz über die Delegationen im Privatsektor von 1979. Wegen des geplanten Einheitsstatuts sei bislang darauf verzichtet worden, die Situation der Privatbeamten gesetzlich zu klären. Zudem müsse auch das Verfahren für die Staatsbeamten reformiert werden. Hier sieht das Gesetz eine Personaldelegation in Form einer Asbl vor, die von den Angestellten gegründet werden muss. In Erwartung einer Gesetzesreform hat man sich an der Uni für die Gründung zweier Asbl entschieden. Erstere soll als allgemeine Personalvertretung für alle Angestellten gelten, die zweite kommt den gesetzlichen Anforderungen für Staatsbeamte nach.

An Diskussionsstoff unter den Uni-Angestellten besteht demnach kein Mangel. Doch auch auf der politischen Ebene ist mit Biltgens Projet de loi nicht alles geklärt: Im Raum steht ein Urteil des Verfassungsgerichts, das besagt, dass Ausnahmeregelungen für bestimmte Contrats à durée déterminée nicht verfassungskonform sind. Sie widersprechen dem Prinzip der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz.

Danièle Weber


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