WASSER: Ware oder Grundrecht?

Eine neue EU-Konzessionsrichtlinie sorgt für Aufregung. In naher Zukunft könnte die Wasserversorgung nicht mehr allein in öffentlicher Hand liegen.

Bald nicht mehr in öffentlicher Hand?

Beim Wasser hört der Spaß auf. Denn Wasser, da scheinen sich auch hierzulande alle einig zu sein, ist Allgemeinbesitz und damit ein nicht-kommerzielles Gut. Kein Wunder also, dass das europäische Bürgerbegehren „right2water“ schon von weit über einer Million Menschen unterschrieben worden ist – ein einmaliger Erfolg für ein europäisches Bürgerbegehren. Schon jetzt scheint garantiert, dass die europäische Kommission ihre Liberalisierungspläne bei der Wasserversorgung nicht unverändert wird durchsetzen können. Luxemburg muss zwar bis November dieses Jahres noch 4 500 Unterschriften zusammenbekommen, um als Land bei der EU-Bürgerinitiative teilnehmen zu können, doch auch das dürfte klappen, rufen doch Politiker aller Couleur – von Déi Lénk bis in die Reihen der DP – in ihren Gemeinden und über Social-Media-Kanäle dazu auf, die Petition zu unterschreiben.

Nach dem Willen der EU-Kommission soll auch die Ver- und Entsorgung des Wassers den Regeln des europäischen Binnenmarkts unterworfen werden: Mehr Wettbewerb und dadurch sinkende Preise sind wie üblich die Schlagworte, mit denen die schon 2006 im Rahmen der EU-Dienstleistungsrichtlinie geplante, aber gescheiterte Liberalisierung des „Wassermarkts“ in der EU nun doch noch durchgesetzt werden soll. Mit ihrer neuen, stark umstrittenen Konzessionsrichtlinie will die Kommission die Städte und Gemeinden dazu zwingen, ihre Wassernetze regelmäßig europaweit auszuschreiben – in etwa analog zur Praxis bei der lokalen Stromversorgung. In den dann stattfindenden Bieterverfahren könnten kommunale Anbieter zum Zuge kommen, aber den großen Konzernen, wie Veolia, Suez oder RWE, stünde das Tor dann ebenfalls weit offen.

In den meisten EU-Mitgliedsstaaten ist die Wasserversorgung bisher noch weitgehend öffentlich bzw. kommunal organisiert und entweder gar nicht oder nur in geringem Umfang auf Gewinn ausgerichtet. Auch Luxemburg ist durch seine öffentliche Struktur der Wasserversorgung nicht sofort von der geplanten Richtlinie betroffen, mittelfristig – so die KritikerInnen – werde die Konzessionierung jedoch dazu führen, dass die Wasserwirtschaft Stück für Stück privatisiert wird. Da ist sich Justin Turpel (Déi Lénk), der auch im Luxemburger Bürgerkomitee zur Umsetzung der Petition als Vertreter sitzt, ganz sicher. Er konstatiert auch beim Umgang mit dem Wasser eine grundsätzliche Diskrepanz zwischen EU- und nationaler Ebene. Auf europäischer Ebene werde unbedenklich über Wasser als Ware verhandelt, während in Luxemburg – wie generell auf der nationalen Ebene – Wasser viel stärker als zu behütendes Gut gesehen werde und Umweltorganisationen und auch Gewerkschaften eine kritische Haltung zur Privatisierung einnähmen.

Auch Simone Beissel (DP), bis vor kurzem Schöffin der Stadt Luxemburg und Vizepräsidentin der SEBES, des kommunalen Zweckverbands, der für die Trinkwasserversorgung im Norden des Landes zuständig ist, findet deutliche Worte. Die DP habe sich von jeher gegen eine Liberalisierung der Wasserwirtschaft ausgesprochen, Gas und Elektrizität seien etwas ganz anderes. „Wir beziehen das Wasser hier vor Ort. Wenn wir es herausgeben an private Firmen, dann gelten ganz strenge Reglementierungen. Wir müssten etliche Kontrollorgane einsetzen, und es würde noch teurer“, mahnt sie.

Vehemente Kritik formulierte auch der Luxemburger Europa-Abgeordnete der Grünen, Claude Turmes, im Gespräch mit der woxx. Der Entwurf der EU-Kommission sehe vor, dass immer dann auszuschreiben sei, wenn der lokale Versorger zu einem gewissen Anteil auch in anderen Geschäftsbereichen oder Gegenden aktiv ist. Da viele Stadtwerke zum Beispiel in Deutschland und Österreich, aber teilweise auch in Südeuropa, Strom, Gas und Trinkwasser zugleich produzieren, wären sie durch eine solche Klausel besonders bedroht. Wenn dort überall ein Bieterwettbewerb durchgeführt werden müsste, ersteigerten eben auch Konzerne wie Veolia die Wasserversorgung. Ad hoc habe man diesen Fall. Offiziell behaupte die Kommission, vollkommen neutral und nur wettbewerbsorientiert zu sein, so Turmes. Es lägen ihm jedoch schriftliche Antworten vor, aus denen klar hervorgehe, dass die Kommission die Privatisierung der Wasserwerke in Athen und Thessaloniki fordere.

Folgen der Privatisierung

Seit den 1990er Jahren drängen Privatkonzerne auf den Wassermarkt. Einige europäische Städte haben, getragen von der damaligen neoliberalen Euphorie, ihre Wasserversorgung bereits in Teilen oder sogar vollständig privatisiert. Doch erfolgreich war diese Strategie nicht. Die katastrophalen Folgen der Privatisierung zum Beispiel für das britische Wassersystem werden mittlerweile nicht einmal mehr von liberalen Ökonomen bestritten. Das Kanal- und Leitungssystem auf der Insel ist in einem derart schlechten Zustand, dass Leitungsunterbrechungen, Druckabfall etc. tägliche Erscheinungen sind – bei dennoch stark steigenden Preisen. Gerade die Preisentwicklung hat in Berlin, die vor einigen Jahren vorgenommene Wasser-Privatisierung in Verruf gebracht. Nach der Privatisierung unter dem Vertreiber Veolia, stieg der Berliner Wasserpreis nahezu auf das Doppelte – bei gleichzeitig ausbleibenden Investitionen in das Versorgungsnetz. Angesichts dieser Negativerfahrung fasste die Stadt, angetrieben durch ein Bürgerbegehren, den Entschluss, ihre Wasserbetriebe für viel Geld nun wieder zurückzukaufen.

Kein Wunder also, dass auch in Deutschland einige Kommunen, wie etwa Karlsruhe, dazu aufrufen, das Bürgerbegehren zu unterzeichnen. Und selbst das deutsche Umweltbundesamt warnt auf seiner Webseite vor einer Liberalisierung. Um Kostendeckung und das Für, vor allem jedoch das Wider, eines einheitlichen Wasserpreises wird in Luxemburg seit Jahren eine erhitzte Debatte geführt. Da die Wasserversorgung (noch) in öffentlicher Hand liegt, bestimmen die Gemeinden bis dato, wie teuer ihr Wasser ist. Das führte freilich dazu, dass es keinerlei einheitliche Preisstruktur gab, sondern so viele Preisniveaus wie Gemeinden.

Nicht zuletzt scheiterte der Einheitswasserpreis immer an den realen Gegebenheiten. Allein 80% der entstehenden Kosten für Wasser werden durch Infrastrukturausgaben, etwa die Instandhaltung der Leitungen, verursacht; in manchen Gemeinden sind 50% der Abwasserleitungen sanierungsbedürftig. Der Teilbereich der Entsorgung des Wassers wurde in den letzten Jahren stark vernachlässigt. Beispielsweise an der Mosel, wo viele Winzer lange Zeit ihr Abwasser schlicht in den Fluss leiteten. Für die meisten Bürger brächte der Einheitspreis außerdem eine Verteuerung. So stellt sich immer wieder die Frage nach dem Stellenwert der Wasserversorgung. Betrachtet man sie als elementaren Teil der Daseinsvorsorge wie etwa das Schulsystem? Oder ist sie eine Dienstleitung und Wasser damit eine Ware?

Außerdem beinhaltet die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die für Trink- und Abwasserversorgung Kostendeckung vorsieht und nahezu alle Leistungen für Versorgungen der Wasserkunden zusammenfasst, 70% Fixkosten – Kosten, die einige Gemeinden jahrzehntelang vernachlässigt haben. Sollen die reicheren Gemeinden für die ärmeren bezahlen? Sieht so Solidarität aus? Umstritten ist die Kostendeckung auch aus Gewerkschaftssicht, wo sie gewissermaßen als Vorstufe zur Privatisierung angesehen wird.

Wohl um der absehbaren Kritik an weiteren unliebsamen Vorstößen in Richtung Einheitspreis vorzubeugen, wandte sich Innenminister Jean-Marie Halsdorf im Januar in einem Rundschreiben an Parteien und Gemeinden mit der Bitte, Position in der politischen Debatte zu beziehen. Halsdorf möchte sich ein Meinungsbild verschaffen, möchte wissen, wie sich die Parteien positionieren. Ob man für einen einheitlichen Wasserpreis sei oder für eine „progressive Tarifgestaltung“, welche Preisstaffelung favorisiert werde und wie sie aussehen könnte. Bis zum 28. Februar sollte die Rückmeldung der Parteien erfolgen. Doch ob das Meinungsbild ihm in die Hände spielen wird, ist fraglich. Denn nur wenige, wie der Tandelner Bürgermeister Ali Kaes, befürworten den einheitlichen Wasserpreis.

Déi Lénk reagierte prompt mit einer Motion in drei Gemeinden. Serge Urbany in der Südgemeinde Sanem, Gary Diderich in Differdingen und Justin Turpel im Gemeinderat der Stadt reichten Anfang Februar eine Motion ein, in der sie unmittelbar Bezug nehmen auf das europäische Bürgerbegehren, davor warnen, die Wasserversorgung aus der öffentlichen Hand zu geben, und dazu aufrufen, gegen den Einheitspreis zu stimmen.

Der Monnericher Bürgermeister Dan Kersch, der schon 2010 mit seiner Forderung einer kostenlosen Grundversorgung von 20 Litern/pro Person für Furore sorgte, hält nach wie vor an seinem Modell fest. Auch er hält es für selbstverständlich, das europäische Bürgeranliegen zu unterstützen. „Ich hab mich ja immer dagegen gewehrt, dass Wasser wie eine Ware angesehen wird. Zugang zum Wasser ist ein Grundrecht. Jeder Mensch braucht Wasser zum Leben.“ Das sei mithin der Grund, weswegen er für eine Mindestversorgung für die Bürger seiner Gemeinde eintrete. Die leistet man in Monnerich gratis. Darüberhinaus habe man den „harmonisierten Wasserpreis“ von 7€, faktisch ein Dekret, angenommen, weil darin der Kompromiss mit der Regierung, beziehungsweise dem Innenministerium, bestanden habe, so Kersch. Heute wünscht sich der Bürgermeister von Monnerich, dass das Ministerium „seine Blockade im Bereich des gestaffelten Wasserpreises aufhebt“. Die Begründung der Preis sei inkomform mit der europäischen Direktive hält er für fadenscheinig.

Handeln in Europa!

Entschiedenes Handeln fordert der Grünen-Abgeordnete Turmes auf der europapolitischen Bühne. „Wie bei allen Verhandlungen von europäischen Richtlinien finde ich, dass eine Regierung nicht nur eine nationalpolitische, sondern auch eine europapolitische Verantwortung hat. Und meine Frage an Herrn Juncker, an Herrn Halsdorf, an Herrn Wiseler ist: Sind sie der Meinung, dass Wasser privatisiert werden soll, so wie das die Kommission auch in Portugal bei „Aguas de Portugal“ und in Athen und Thessaloniki bei den großen Wasserwerken dieser Städte befürwortet hat?“ Turmes ist der Meinung, man müsse die Kommission „zurückpfeifen von diesem Pfad“. Die Luxemburger Regierung müsse sich bei den EU-Verhandlungen ganz anders und viel vehementer gegen die Wasserprivatisierung stellen. Nicht nur feige am Tisch sitzen und sagen: „Mich betrifft das nicht!“

Das europäische Bürgerbegehren „right2water“ kann man hier unterschreiben: http://www.right2water.eu/de/node/5


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