OEKOSTADTTEIL: Alternativen Lebensstil vermarkten

Nicht der Staat, sondern ein Privat-unternehmen will Pionier des ökologischen Städtebaus werden und plant den ersten Ökostadtteil des Landes.

Nichts überließ das Privatunternehmen Schuler letzte Woche im Exit 07 dem Zufall: nämlich bei der Vorstellung des Projekts „Hollerich Village“, des ersten sogenannten Ecoquartiers der Stadt Luxemburg, das auf einem hinter dem Friedhof in Hollerich gelegenen, 3,6 ha großen Terrain realisiert werden soll.

Für das auch marktwirtschaftlich minutiös durchkalkulierte Projekt hat das Unternehmen sich bedeutende Partner an Bord geholt – von CRP Tudor über BioRegional hin zu Natur & Ëmwelt. Dabei hatte sich Schuler anfänglich nicht gerade durch Umwelt-Engagement hervorgetan – im Gegenteil: Anfang des 20. Jahrhunderts war die im Besitz der Familie Ehlinger befindliche Firma auf den Verkauf von Kohle und die Versorgung mit Minenmaterial spezialisiert. Ab den 70er Jahren wurde sie zur Marktführerin bei der Heizöl-Zulieferung, ab 1990 engagierte sie sich in Immobilienprojekten. 2011 hat die Firma ihre Aktivitäten in den Bereich der erneuerbaren Energien ausgeweitet.

Infolgedessen ist „Hollerich Village“ mit seinen Hunderten von Wohnungen das Ergebnis einer langen Entwicklung, stellt Xavier Delposen, Managing Director, fest. Bei dem Projekt gehe es darum, einen Stadtteil zu bauen, in dem weniger Energie verbraucht und erneuerbare Energie in ihren verschiedenen Formen genutzt wird. Absicht sei weiter, den Umweltfootprint von Wasserverwertung und Abfallerzeugung zu reduzieren. Auch soll der Stadtteil als Pilotprojekt für andere Firmen fungieren, die sich für nachhaltiges Bauen interessieren.

Um dieser Absicht zusätzliches Gewicht zu verleihen Vertrag mit dem internationalen Label „One
Planet Communities“ geschlossen, das von der englischen Vereinigung BioRegional unterhalten wird und sich an zehn Grundsätzen ausrichtet: von „equity and local economy“ über „land use and wildlife“ hin zu
„sustainable transport“ und „zero carbon“.

Optimistisch betrachtet könnte das Unternehmen um 2018 mit der Realisierung des umweltfreundlichen Stadtteils anfangen – sofern der Staat und die Stadtverwaltung, der das Projekt bereits vorgestellt wurde, zustimmt. Vieles hängt davon ab, wie sich das Konzept in den „plan d`aménagement particulier“ der „Porte de Hollerich“ und in den PAG insgesamt einfügt, der zurzeit überarbeitet wird. „Die Philosophie ist gut, der Schöffenrat wird dem Konzept sicherlich wohlmeinend gegenüberstehen“, meint der grüne Schöffe François Bausch auf Nachfrage der Woxx. „Es wäre von Vorteil wenn sich die Luxemburger Gemeinde beteiligen könnte, da sie nebenan auch Grundstücke besitzt, die allerdings noch in Nutzung sind.“

Warum die Stadt Luxemburg sich nie einem Label wie „One Planet communities“ unterstellt hat, um die Dynamik in Richtung Nachhaltigkeit zu verstärken, ist nicht ganz klar; Bausch verweist aber darauf, dass weder der Staat noch die Stadt Luxemburg über große Bauflächen verfügen, sondern eher eine Reihe kleiner Projekte unterhalten, die dem Konzept der Baulückenvergabe zu verdanken sind. Das einzige größere derzeitige Vorhaben der Stadt Luxemburg ist das Pilotprojekt „Wohnen ohne Auto“ auf Limpertsberg, an dem sich 50 Haushalte beteiligen.

Ob Schulers Konzept erfolgreich sein wird, hängt jedoch auch vom Grad der Bürger-Einbindung ab. Im schwäbischen Tübingen zum Beispiel schließen sich in den nachhaltigen Stadtteilen Bürger zu Baugemeinschaften zusammen – ein Konzept, das die Identifikation mit dem Stadtteil noch verstärkt. Es reicht also nicht, am Ende nur ein fertiges Nachhaltigkeitskonzept zu verkaufen, wenn Teilhabe und Mitsprache nicht mehr erwünscht sind.

Mehr Infos unter: www.hollerichvillage.lu


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