GRUPPENAUSSTELLUNG: Wahllos

Die neue Ausstellung „L’image papillon“ im Mudam hat zwar einige sehr schöne Installationen zu bieten – wirkt aber trotzdem sehr beliebig.

Danh Vo ist einer von sechzehn Künstlern, deren Arbeiten derzeit in der Ausstellung „L`image papillon“ im Mudam präsentiert werden. Geboren 1975 in Vietnam, flüchtet seine Familie nach Dänemark als er vier Jahre alt ist. Dieser Riss in seiner Biografie scheint für ihn heute den Verlust zumindest eines Teils seines Lebens zu bedeuten. Wohl auch deshalb, weil von seinem Leben und dem seiner Familie in Vietnam weder eine Fotografie noch irgendein anderes Dokument existieren.

So bezeichnet er es als „magischen Zufall“, als er im Jahr 2006 bei einem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten eine Sammlung von Fotografien von einem gewissen Joe Carrier übernehmen durfte, die dieser während seines Einsatzes in Vietnam in den 1960er und 1970er Jahren geschossen hatte. Sie zeigen meist junge Vietnamesen, die irgendwie versuchen, sich im vom Krieg geprägten Alltag zu behaupten. Wie Danh Vo selbst sagt, vereinnahmte er diese Fotografien und machte sie quasi zu einer „Art Selbstportrait“.

In seiner Installation „Good Life“ zeigt er diese Bilder „seiner Jugend“ im Kontext einer merkwürdigen Mischung aus 1970er Jahre Wohnzimmer und Peepshow. Der Betrachter als Voyeur ist nichts neues, aber der Künstler schließt sich explizit selbst mit ein und geht, durch die Vereinnahmung der Bilder, noch darüber hinaus. Erinnerungen und Erfahrungen werden geweckt, beeinflusst oder sogar geschaffen durch Fotografien und Bilder.

Für die Ausstellung, die fast das gesamte Erdgeschoss und den Keller des Mudam einnimmt und die Arbeiten der Künstler jeweils in einem eigenen Raum zeigt, ließen sich die Kuratoren inspirieren vom Werk des deutschen Schriftstellers W. G. Sebald, aus dem immer wieder Zitate in die Ausstellung eingeflossen sind und so Verbindungen zu den ausgestellten Künstlern geknüpft wurden. Es ging den Kuratoren um den Zusammenhang von Geschichte und Gedächtnis, Zeit und Erfahrung, um „die komplexen Beziehungen, die Bild und Gedächtnis miteinander verbinden“. Eine Themenstellung wie so oft, unter der man im Grunde zusammenfassen kann was man will. Beispielsweise bei Danh Vos anderem, „großen“ Projekt, der Zerlegung der Freiheitsstatue. Unter dem Titel „We the People“, den ersten Worten der amerikanischen Verfassung, reproduziert er die Einzelteile der berühmten Miss Liberty aus Kupfer und vor allem in Originalgröße, um sie dann scheinbar zusammenhanglos nebeneinander zu präsentieren – freilich nicht alle auf einmal.

Ein aussagekräftiges und ausdrucksstarkes Projekt, das nicht nur die Zerbrechlichkeit der Freiheit selbst vor Augen führt, sondern auch die der Freiheit des Landes, für die dieses vermeintlich universelle Freiheitssymbol einst Werbung gemacht hat. Schon als Idee beeindruckend, kann man sich den Umfang des Projekts real in seiner Gänze kaum vorstellen. Zweifellos sehenswert, aber was das mit dem Thema der Ausstellung zu tun hat, kann man sich schon fragen?

Näher dran ist Tacita Dean, deren Wege sich tatsächlich schon früher mit Sebald gekreuzt haben. Ihr Einstieg ist der Krieg, in dem – wie oft in schlechten Zeiten – die Erinnerung verklärt wird oder schlicht verblasst. Manches wird schlimmer, einiges besser, aber die Erinnerung gewinnt immer gegen die real existierendeGegenwart. Die Bilder aus ihrer Serie „Russian Ending“ sind allesamt mit Kommentaren versehen, die wie die Hinweise eines Drehbuchautors oder Regisseurs wirken, der am Set zu erklären versucht, wie die nächste Szene funktioniert.

Sehenswert ist einiges in dieser umfangreichen Ausstellung, auch wenn sie auf den ersten Blick wie beliebig zusammengewürfelt anmutet.

Im Mudam bis zum 8. September.


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