GESCHLECHTERRROLLEN: Sex sells!

Ein Forschungsprojekt der Uni Luxemburg will stereotype Geschlechterrollen in Videospielen hinterfragen mit dem Ziel, Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Ein hehres Vorhaben angesichts der Regeln der Werbeindustrie.

Frauen haben große Brüste, blicken mit offenem Mund willig in die Kamera, Männer haben Muskeln und strahlen aus allen Poren Potenz aus. So das vorherrschende Medienbild, ob nun in der Werbung, die aggressiv auf diese stereotypen Geschlechterrollen setzt, oder in Computerspielen. Eigentlich mutet da das Forschungsprojekt des Psychologen André Melzer „Stereotype Geschlechterrollen in den Medien“ (SGM), das auf zwei Jahre angelegt ist und in Kooperation mit dem „Ministère de l’Egalité des Chances“ in Luxemburg durchgeführt wird und Geschlechterrollen in Videospielen hinterfragt, fast redundant an. „Eine wissenschaftliche Untermauerung“ sieht Ministerin Hetto-Gaasch darin und übergab auf der Pressekonferenz das Wort André Melzer, um sein Forschungsprojekt zu bewerben. Eine Beobachtung teilte die Ministerin jedoch noch mit. Ihr sei aufgefallen, dass bereits kleine Kinder immer häufiger mit I-Pads herumspielten.

Keine bahnbrechende Beobachtung, nur ein Fakt: Kinder kommen immer früher mit digitalen Medien in Berührung. Melzers Forschungsprojekt legt daher auch den Schwerpunkt auf die Erforschung der Darstellung der Geschlechter in Videospielen und Musiktexten. Ein sexualisiertes Frauenbild à la Heidi Klum legt er zugrunde. Das Problem an diesen Darstellungen sei, dass solche Rollenbilder verbreitet werden und ihre Wirkung tun. Denn visuelle Medien verbreiten „Normen“ und setzen sie in Geltung, in dem sie Zuschreibungen gezielt vermarkten, erklärt der Psychologe. Sie transportierten ein (Ideal-)bild. Das Fatale daran: Als Konsument befindet man sich in einem Teufelskreis, wird durch die Nutzung manipuliert. Wer also früh Computerspiele spielt, in denen Frauen leicht bekleidet, schwach und unselbstständig auftreten, bei dem verfestigt sich dieses Bild und wird im schlimmsten Fall Teil der eigenen Identität. Gerade die neuen Medien sind damit ein Instrument der Identitätsbildung.

Doch letztlich sind es von der Werbe- wie Spielindustrie intendierte Assoziationen. Patente Frauen findet man grundsätzlich nicht. Heldinnen sind, wenn es sie denn gibt, mit allen plakativen sexualisierten Attributen ausgestattet, wie die Kunstfigur Lara Croft. Selbstständige Frauen wie auch Geschlechtervarianten haben in der Welt des schönen Scheins nun mal keinen Platz. „Eine weibliche Verdinglichung von Frauen“ konstatiert der Psychologe in den meisten Fällen. Was mitunter daran liegt, dass die Spielindustrie nun einmal von Männern dominiert wird. Männer entwickeln Spiele für Männer und legen ihre Phantasien zugrunde. Melzer sieht folglich die wesentliche Aufgabe seines Forschungsprojekts darin, ein „Bewusstsein zu schaffen und die Hersteller solcher Spiele, auch luxemburgische, für die Darstellung zu sensibilisieren“.

Empirisches Neuland

Gelänge das, wäre ein erster Schritt gemacht. Doch betritt man hier empirisches Neuland. Sein Projekt fragt danach, wie die NutzerInnen solche Spiele wahrnehmen, was die Gründe für die Nutzung seien, was die Folgen. Auf die Frage, warum das Projekt sich nicht auf die Expertise des Cid-Femmes stützt, versicherte der Dozent, dies sei für einen späteren Zeitraum beabsichtigt. Christa Brömmel vom Cid-Femmes freut sich jedenfalls auf die Forschungsergebnisse. Gerade im pädagogischen Bereich verspricht sie sich Bildungsmaterial, das man gezielt an Schulen einsetzen kann. Doch fehlt es einem wissenschaftlichen Projekt, das ausschließlich dem psychologischen Zweig angegliedert ist, nicht an einem soziologischen Fundament? Ist der frühe Kontakt mit Computerspielen nicht letztlich immer Resultat der Sozialisation? Kann man in Luxemburg, wo – wie fast überall – bildungsferne Schichten eher mit Computerspielen in Kontakt kommen, die Zielgruppen über einen Kamm scheren? Und wie kann die portugiesische Familie aus der Minette von den Forschungsergebnissen profitieren? Und ist es nicht allzu illusorisch zu denken, man könne auf die Werbe- und Computerspielindustrie pädagogisch einwirken, wo sich doch letztlich immer das Produkt am besten vermarkten lässt, das am stärksten auf Stereotype setzt? Letztlich gilt in der Werbebranche wie im Bereich der Computerspiele der Grundsatz: sex sells!


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