THEATERPROJEKT / ADEM: Monodrama und Bürokratie

Nicht nur für junge Arbeitssuchende beschreitet das Projekt „My Brother, My Sister“ neue Wege – auch die Adem öffnet sich neuen Konzepten. Bislang jedoch unter Vorbehalt.

Uno fährt sich über den Bart. Es ist ganz still in dem schwarz gestrichenen Proberaum. Dann tritt der junge Mann entschiedenen Schrittes in die Mitte des Raumes, rückt einen Stuhl an einen Vorhang. Er hat sich eine fiktive Beichtsituation überlegt und beginnt zu erzählen von den Raubüberfällen, die ihm leid tun – und von seinem Lebensstil, der nicht mit seinen Träumen vereinbar ist. „Ja ich weiß, eigentlich bin ich Herr meiner Entscheidungen“, so Uno.

„My Brother, My Sister“ ist der Name des von Steve Karier und Anne Simon initiierten Theaterprojektes, das in wöchentlichen Workshops in der Bananenfabrik zusammen mit jungen Arbeitsuchenden umgesetzt wird, die über einen „contrat d’appui-emploi“, also eine berufseinführende Maßnahme, beschäftigt sind.

In Form eines Monodramas sollen die Jungen am Ende des Projektes fiktive Biografien binnen fünf Minuten auf der Bühne vorführen können; zunächst nur intern vor Sponsoren und Freunden. „Der Workshop stellt für viele Teilnehmer eine große Herausforderung dar, da die Öffnung hin zur Fantasie bislang nicht unbedingt zu ihrem Leben gehörte“, so die Schauspielerin Sophie Langevin, die einige der Workshops leitet. Motivationsentwicklung, Selbstvertrauen und neue Horizonte eröffnen – so lauten die Ziele, die mit Hilfe des Theaterspiels, also dem bewussten Gebrauch von Sprache, Gestik und Mimik, entwickelt werden sollen. „Die Teilnehmer haben seit Beginn des Kurses extreme Fortschritte gemacht, sowohl was ihre sprachlichen Fähigkeiten anbelangt, als auch in puncto Sozialkompetenz“, meint René Clemens, der als Sozialpädagoge die Umsetzung des Projektes begleitet.

Das anfangs auf sechs Monate begrenzte, über private Gelder gesponserte Projekt, soll nun gar verlängert werden, denn einige Teilnehmer wollen weitermachen. Andere werden auf Eigeninitiative abends zusätzlich einen Tanzkurs besuchen. „Sinnvoll ist, dass nur jene teilnehmen, die auch wirklich interessiert sind. Es wäre schade, wenn die Adem irgendwann die Jungen zum Kommen verpflichtet“, meint Clemens. Deshalb soll künftig in Vorgesprächen die Motivation abgeklärt werden. Jedoch nicht nur fehlendes Eigeninteresse, auch unflexible Arbeitgeber beeinflussen die Teilnehmerzahl. Denn die Workshops finden nachmittags statt. Teilnehmer, die sich in einer berufseinführenden Maßnahme befinden, sind zwar prinzipiell freigestellt, um am Kurs teilzunehmen – doch in der Realität funktioniert das häufig nicht. Einige fühlen sich ihrem Arbeitgeber verpflichtet, der darauf drängt, dass sie im Betrieb anwesend sind.Andere Arbeitssuchende finden zwischendurch eine Festanstellung und springen ganz ab.

Unflexible Arbeitgeber

„Hier stößt man schon an Grenzen. Wir sind ganz froh, dass die Adem uns unterstützt. Allerdings merkt man auch, dass es sich um einen großen bürokratischen Apparat handelt: Gewisse Regelungen ermöglichen es nicht, mehr Interessenten freizustellen oder stärker auf Arbeitgeber einzuwirken, um eine Kontinuität zu wahren“, stellt Clemens fest. In der Tat betritt die Adem mit dem Projekt „My Brother, My Sister“ Neuland. Bis dato gab es kaum Kooperationen im kreativen Bereich mit freien Initiatoren. Auf Nachfrage erkennt die Arbeitsagentur in dem Projekt einen „wesentlichen Mehrwert der Ausbildung der Teilnehmer“. „Das Projekt basiert auf einem Konzept, das die Entwicklung der Person als Ganzes fördert“, bemerkt Gaby Wagner, directrice adjointe der Adem. „Auf der Bühne lernen Jugendliche, zu sich selbst zu finden, sich ihrer Wirkung auf ihre Umwelt bewusst zu werden (…) soziale Situationen wie z.B. Vorstellungsgespräche durch Kontrolle ihrer Gestik, Mimik und Aussprache besser zu gestalten. Viele junge Arbeitssuchende haben in diesem Bereich Defizite, deshalb strebt die Adem weiter eine Teilnahme an diesem oder ähnlichen Projekten an“, so Wagner. Im Bereich der Freistellung von Interessenten sieht die Agentur dennoch keinen weiteren Handlungsbedarf; auch eine finanzielle Beteiligung ist momentan nicht vorgesehen.


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