BAZ LUHRMANN: Schillernde Seifenblase

Viel Klimbim, nichts drin! So könnte man die x-te Verfilmung des Klassikers „Der große Gatsby“ auf den Punkt bringen. Der australische Regisseur Baz Luhrmann setzt mit Hollywood-Stars und verschwenderischer Ausstattung auf Glamour und 3D-Effekt statt auf Inhalte.

Flach, trotz 3D: „The great Gatsby“ ertrinkt in Effekten.

An der Côte d’Azur ist die Welt noch in Ordnung. Dort feiert man opulente Parties, und die Hollywood-Prominenz präsentiert sich gerade der Öffentlichkeit in vollem Glanz. Baz Luhrmanns filmische Gatsby-Neuauflage passt hervorragend in diese oberflächliche Szenerie. In seiner glamourösen Verfilmung gibt es neben fliegenden Champagnerkorken und Konfetti en masse filigrane Zwanziger-Jahre-Design-Kleider, ausgewählt von Catherine Martin, zu sehen, und statt mit Jazz oder Swing wird man mit einem Hiphop-Soundtrack by Jay-Z zugedröhnt. Kein Wunder, dass für die Eröffnung der 66. Filmfestspiele in Cannes gerade dieses Prachtwerk ausgewählt wurde.

Mit viel gutem Willen kann man Luhrmanns überdrehte Gatsby-Adaptation mit einem pausbackigen Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle noch immer als Parabel sehen. Denn F. Scott Fitzgerald schrieb „The Great Gatsby“ als eine Gesellschaftsstudie der goldenen Zwanziger – ein Porträt einer gierigen, wertelosen Gesellschaft, die auf den Abgrund zusteuert. Die Reichen bleiben reich, die Armen werden ärmer. Und der Parvenu Joe Gatz ergreift die Chance des sozialen Aufstiegs, bringt es zu viel Geld und kauft ein Schloss, um irgendwann seinen Vogel in dem goldenen Käfig einzufangen. Doch die Rechnung geht nicht auf, denn seine Jugendliebe Daisy (Carey Mulligan) heiratet während des Krieges einen anderen. In Luhrmanns überfrachtetem Kitschfilm ist der liebestolle Gatsby am Ende nur noch ein Häuflein Elend. Er wird erschossen und fällt in seinen Pool, den er den ganzen Sommer über nicht benutzt hat. Der Regisseur reduziert den schillernden Gatsby auf seine Sehnsucht nach Daisy und drückt ihm, in der Darstellung durch Leonardo DiCaprio, den Stempel des verwöhnten Sunnyboy auf. Subtileren Andeutungen und Interpretationen lässt er keinerlei Spielraum, sondern kaut dem Zuschauer alles vor.

Damit entzaubert er den Gatsby, der ursprünglich als facettenreiche und nicht zu fassende Gestalt angelegt ist. Denn keiner weiß so recht, wer der reiche Schönling eigentlich ist, der verschwenderisch in seiner Villa auf Long Island ausschweifende Tanzparties schmeißt. Niemand bekommt ihn je zu fassen – so der Mythos des großen Gatsby. Längst ist er damit zur literarischen Chiffre geworden, immer wieder zitiert etwa durch John Irving, wenn es um einen mysteriösen Gönner geht.

Fitzgerald wollte am Charakter des Gatsby exemplarisch den „American Dream“ in Frage stellen. Denn der aus dem Nichts aufgestiegene Gatsby mag es zwar zu Reichtum gebracht haben, doch gesellschaftliche Anerkennung bleibt dem Parvenu im babyrosa Anzug bis zuletzt versagt.

Immer wieder wurde der Gatsby auf die Bühne gebracht – in zeitgenössischen Inszenierungen zeigt man seinen Nebenbuhler Nick Carraway als aufstrebenden Investmentbanker, Gatsby ständig am i-Phone hängend; mehrfach wurde der Klassiker verfilmt, als Stummfilm, als Film-noir und 1974 mit Robert Redford in der Titelrolle. Jetzt also diese schrille, überdrehte 3D-Klimbim-Version, die nun wirklich keiner gebraucht hätte und die unverkennbar an Luhrmanns schräge Romeo-und-Julia-Verfilmung von 1996 erinnert.

So schafft der australische Filmemacher eine hohle Seifenblase, die sich wie die Flocken, die einem im Film in 3-D entgegenfliegen, in nichts auflöst. Ist sie zerplatzt, bleibt nichts als eine kitschige amerikanische Love-Story. Mit seinem Gatsby ist Luhrmann wahrlich kein großer Wurf gelungen, sondern einmal mehr ein flacher, flimmernder Unterhaltungsfilm.


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