WASSER: Spuk der Privatisierung

In diesen Tagen wird über eine EU-Konzessionsrichtlinie verhandelt, die eine Öffnung des Binnenmarktes vorsieht. Die Sorge, der europäische Wassermarkt könnte liberalisiert werden, ist groß. Droht eine Privatisierung durch die Hintertür?

Nur Paranoia oder Grund zur Sorge: Droht die Privatisierung der Wasserwirtschaft in der EU?

Fast möchte man meinen, ein Gespenst gehe um in Europa, das Gespenst der Privatisierung! „Brüssel privatisiert die Wasserwirtschaft.“ Und: „Die EU-Kommission will unsere Trinkwasserversorgung in die Hände von Konzernen legen.“ So lauteten in der erhitzten Debatte um die umstrittene EU-Konzessionsregelung die Schlagzeilen der vergangenen Monate. Kein Wunder also, dass das europäische Bürgerbegehren „right2water“ Rekorde bricht. Bereits 1,6 Millionen BürgerInnnen haben EU-weit ihre Unterschrift geleistet: Ein klares Bekenntnis einer Masse von Menschen, die damit ihre Empörung gegen die Pläne der EU-Kommission bekundet, die öffentliche Wasserversorgung zu privatisieren.

In acht Ländern wurde die erforderliche Gesamtmindestzahl der Stimmen erreicht. Der weitaus größte Teil der Unterschriften kam in Deutschland und Österreich zusammen. Doch auch Luxemburg erreichte mit 5.075 Unterschriften (Stand: 4.06.2013) das geforderte Quorum von 4.500 Stimmen, und das, obwohl hier die Stimmabgabe durch zusätzliche bürokratische Hürden erschwert wurde, wie der grüne EP-Abgeordnete Claude Turmes auf einer Pressekonferenz am 10. Juni bemängelte. Denn zum einen liegt die Petition selbst nicht auf Luxemburgisch vor, zum anderen müssen die Unterstützer zur Registrierung ihrer Unterschrift ihre Sozialversicherungsnummer angeben. Die InitiatorInnen der Petition wollen der EU-Kommission die Unterschriftenlisten nun am 31. Oktober vorlegen. Drei Monate hat die Kommission dann Zeit, zu den Forderungen Stellung zu nehmen.

Privatisierungsparanoia?

Doch die EU-Kommission hält an ihren Plänen fest. Nach wie vor beharrt der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar Michel Barnier darauf, dass sich der Widerstand gegen seine Konzessionsrichtlinie aus einem groben Missverständnis speise. In erster Linie gehe es um ein transparentes und freies Vergabeverfahren, müssten die Risiken von Günstlingswirtschaft, Betrug und Korruption eingedämmt werden, so Barnier. Dazu bedürfe es eines allgemeinen europäischen Rechtsrahmens. In der Richtlinie selbst finde sich zudem kein Satz, der eine Privatisierung der Wasserwerke und -netze erzwinge. Halte man am Subsidiaritätskonzept und am Grundsatz der Gemeindeautonomie fest, so seien es am Ende noch immer die Kommunen, die entscheiden, ob sie ihre Wasserversorgung nach dem liberalen Trend für Public Private Partnership (PPP) öffnen oder aber in kommunaler Verantwortung belassen wollen.

Rein formal betrachtet hat Barnier recht: Befinden sich Wasserwerke zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu 100 Prozent in der Hand der Kommune, dürfen sie dies auch weiterhin sein, wenn nicht, bedarf es einer Ausschreibung. Auch mit seinen Vorwürfen, die derzeitige Praxis der Vergabe und faktischen Beteiligung von Privatunternehmen in einigen EU-Ländern sei offen für Günstlingswirtschaft, benennt er durchaus ein reales Problem. So ist es etwa in Deutschland nicht unüblich, dass private, regional einflussreiche Großunternehmen an den lokalen Stadtwerken oder ihren Tochterfirmen beteiligt sind, die auch die Wasserversorgung betreiben. Dass über die Aufsichtsräte und Beteiligungsgremien, in denen häufig LokalpolitikerInnen das Sagen haben, „abgesicherte Netzwerke“ entstanden sind, die den Marktzugang anderer Anbieter verhindern und sich dabei von anderen Interessen leiten lassen, als dem des BürgerInnenwohls, ist nicht von der Hand zu weisen.

Allgemeiner europäischer Rechtsrahmen

Gerade der sehr breite Widerstand in Deutschland gegen die Konzessionsrichtlinie – immerhin brachte sogar der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Einwände vor – ist nicht nur durch eine prinzipielle Ablehnung von Marktliberalisierungen zu erklären. Als Folge eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens hätten die Kommunalpolitik und bestehende Verflechtungen einiges zu verlieren, nicht zuletzt auch Einnahmen aus dem Wassergeschäft. Der grundsätzlich berechtigte, aber sehr einseitige Verweis auf französische oder britische Wasserkonzerne, die künftig auf breiter Front in die jeweiligen nationalen Märkte einbrechen könnten, ist zudem nicht frei von nationalistischen Tönen – als ob die Beteiligung „nationaler“ Konzerne etwa an den Stadtwerken irgendwie besser sei. Von daher ist es wohl kein Zufall, dass die Petition „right2water“ besonders breite Unterstützung im deutschsprachigen Raum fand.

Dennoch sagt Barnier bestenfalls die halbe Wahrheit und verfolgt keineswegs nur das hehre Ziel der Transparenz. Bei einer von IPW und dem Europaforum Luxemburg organisierten Diskussion zum Thema „Liberalisierung und Privatisierung: Was haben die Bürger und die Allgemeinheit davon?“ am 11. Juni 2013 drückte es Thomas Abel, Geschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmer (VKU) in Berlin, so aus: „Nirgends in dieser Richtlinie findet man einen Satz, der besagt, Wasser dürfe nicht mehr kommunal sein. Aber ich glaube, dass sie – über die Strukturen des Vergaberechts – ein Einfallstor für die Liberalisierung der Strukturen öffnet.“ Zwar hätten die Kommunen noch das letzte Wort, doch durch die EU-Richtlinie würden diejenigen, die ihre Wasserversorgung in die Stadtwerke integriert haben – die ihrerseits wiederum Anteile an Nachbarstadtwerken besitzen oder aber über Minderheitsbeteiligungen teilweise in Privathand sind – faktisch dazu gezwungen, die Versorgung mit öffentlichen Gütern, hier dem Wasser, auszuschreiben. Dabei ist nicht nur die Konkurrenz groß, sondern auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es in einem Bieterverfahren nach Bestpreis eher die Konzerne sein dürften, die das Rennen machen. Wirklich im Bestand geschützt sind allein hundertprozentig kommunale Eigenbetriebe, denen dann auch im sogenannten „Inhouse-Verfahren“ die Wasserversorgung durch die Kommune übertragen werden kann. Lukasz Rozanski, seit 2007 in der EU-Kommission zuständig für die Direktive zu Konzessionen, redete denn auch nicht lange um den heißen Brei herum, sondern legte das Credo der EU-Kommission offen: „Es gibt keinen Grund, dass die Versorgung mit Wasser nicht dem Binnenmarkt unterliegen sollte. Unser Ziel ist es, den Zugang zum Markt zu erleichtern.“

Privatisierung durch die Hintertür?

Unvereinbare Positionen? Indes die beiden am 20. Dezember 2012 vorgelegten Direktiven dieser Tage zwischen Rat, Europaparlament und EU-Kommission verhandelt werden, regt sich gerade in Gewerkschaftskreisen Unmut.

Der Privatisierungsspuk um die Konzessionsregelung erregt die Gemüter und eignet sich hervorragend als Wahlkampfthema. Auch, wenn Luxemburg von einer tatsächlichen Privatisierung der Wasserwirtschaft noch Lichtjahre entfernt ist, wie selbst der Vizepräsident des Verbandes der luxemburgischen Städte und Kommunen (Syvicol) Paul Weidig bei dem Podiumsgespräch eingestand. Doch national-protektionistische Töne bringen im Wahlkampf nun einmal Stimmen. Gerade in Luxemburg ist die Sorge groß, dass (noch mehr) internationale Firmen auf den Markt drängen. Diese Sorge dürfte nicht nur CSV-Wähler umtreiben, sondern auch – oder gerade – WählerInnen der Linken und der Grünen.

Langfristiges Ziel der EU-Kommission sei es, die Wasserversorgung in der ganzen EU zu privatisieren, wetterte denn auch Claude Turmes auf seiner Pressekonferenz am vergangenen Montag. Dies ergebe sich klar aus einer Antwort der Kommission auf eine parlamentarische Anfrage vom 26. September 2012. Turmes verweist darauf, dass die Troika (EU/EZB/IWF) ausgerechnet bei den beiden Krisenstaaten Portugal und Griechenland die Unterstützung durch ihre Institutionen an die Privatisierung der Wasserversorgung geknüpft habe. Erst im Zuge des Erfolgs des Bürgerbegehrens habe die Kommission ihre Bedingung abgeschwächt und daraus eine „Empfehlung“ gemacht. Nachdem Portugal auf Druck der Troika jüngst mit der Privatisierung begonnen hatte, war der Wasserpreis in einigen Gegenden um 400 Prozent gestiegen. Griechenland beugt sich nun sukzessive dem Druck der EU und beginnt mit dem Verkauf seiner Wasserwerke.

Demokratische Partizipation

Bleibt die Frage, ob ein europäisches Bürgerbegehren gegen die Öffnung des Binnenmarktes wirklich etwas ausrichten kann. Nachdem 1999 nach der Teilprivatisierung in Berlin die Wasserpreise in die Höhe geschossen waren, wollten die BürgerInnen das Trinkwasser wieder in die eigene Verfügung zurückholen und erreichten per Volksentscheid, dass der Senat die Rekommunalisierung einläutete. Sieht nicht so wirkliche politische Partizipation aus? Sollte in einer Demokratie über die kommunale Versorgung nicht grundsätzlich die Bevölkerung abstimmen? Bedeutet wirkliche Transparenz und Subsidiarität nicht auch im Falle der Wasserwirtschaft, dass sie unter strikter demokratisch-gesellschaftlicher Kontrolle – etwa durch die Beteiligung von Verbänden – bleibt? In Luxemburg kann man in dieser Hinsicht aufatmen. Esch-sur-Alzette hat vor Kurzem damit begonnen, sein eigenes Netz auszubauen. Man arbeitet dabei Hand in Hand mit den Verbänden.


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