NEUWAHLEN: Nicht unbedingt demokratischer

Neuwahlen als Ausweg aus der institutionellen Krise, lautet allenthalben die Devise. Doch ist von ihnen tatsächlich eine Lösung der Probleme zu erwarten?

Er habe keine Angst davor, sich dem Votum des Wählers zu stellen, so der Premier selbstbewusst. Auch sein Finanzminister sieht in Neuwahlen ein durchaus normales Instrument der Demokratie. Und der Vorsitzende der CSV erklärt: Wir stehen hinter dem Koalitionsabkommen mit der LSAP, wenn aber andere Neuwahlen anstreben sollten, sehen wir uns gut aufgestellt um dem Wähler zu begegnen.

Dass ausgerechnet die derzeit wohl umstrittensten Politiker der CSV innerhalb nur weniger Tage den Fehdehandschuh diverser politischer Gegner aufgegriffen haben, die nach Neuwahlen rufen, lässt aufhorchen. Die Parteizentralen bereiten sich auf einen arbeitsreichen Sommer vor: Spätestens wenn sich LSAP und CSV bei dem Srel-Untersuchungsbericht in die Haare geraten, werden Neuwahlen unvermeidlich sein, heißt es.

Es geht hier nicht darum, sich an den Spekulationen zu beteiligen, ob es tatsächlich zu Neuwahlen kommt – genaugenommen zu vorgezogenen Wahlen, denn vier ihrer fünf Jahre haben die Koalitionäre ja bereits „abgesessen“. Aber die Frage muss erlaubt sein, ob ein früher angesetzter Wahltermin auch nur eines der anstehenden Probleme tatsächlich lösen würde.

Selbst wenn die CSV den einen oder anderen Sitz abgeben müsste ? ihre Rolle als stärkste Fraktion im Parlament ist nicht in Gefahr. Sollte die Absicht aber sein, die Verantwortlichen für die aktuellen Skandale (ungenügende Kontrolle des Srel, Verzögerung des Bommeleeërprozesses …) in die Wüste zu schicken, dann sind Neuwahlen kaum das probate Mittel. Auch wenn Jean-Claude Juncker nach den einschlägigen Beliebtheitsumfragen die Traumwerte von einst nie wieder erreichen wird, ist er doch weit davon entfernt, abgewählt zu werden. Denn gewählt wird das Parlament, nicht die Regierung.

Die einzige Konstellation, in der der CSV-Übermacht ein Ende gesetzt werden könnte, wäre eine Dreier-Koalition LSAP-DP-Déi Gréng. Zur Zeit stellen diese drei Parteien 29 von 60 Abgeordneten. Sie müssten zusammen also wenigstens zwei Sitze dazu gewinnen; doch selbst dann, mit einer Mehrheit von nur wenigen Stimmen, könnte diese Gruppierung kaum hoffen, auch nur ein Jahr zu überstehen. Programmatisch dürften die drei, insbesondere in wirtschaftlichen Fragen, weiter auseinander liegen als CSV und LSAP es je taten.

Es gibt aber wenig Grund zu glauben, dass die aktuelle Wirtschaftskrise in den Leuten den Reflex schwächen wird, „de séchere Wee“ zu wählen.

Als die woxx vor fünf Jahren die Frage nach einer Koalition gegen die CSV stellte, waren es gerade die So-zialisten, die dem Unterfangen wenig Chancen einräumten. Damals stand man am Anfang der Krise, die Staatskassen waren noch randvoll. Es gibt aber wenig Grund zu glauben, dass die aktuelle Wirtschaftskrise in den Leuten den Reflex schwächen wird, „de séchere Wee“ zu wählen.

In einem kurzen, heftigen Wahlkampf dürfte es schwierig werden, den WählerInnen plausibel zu machen, dass trotz aller programmatischen und ideologischen Differenzen eine Koali-tion gegen die CSV möglich ist. Juncker und seine Leute aber brauchen erst gar nicht mit einem neuen Programm aufzwarten. Getreu dem Prinzip, wonach es der Juniorpartner in der Koalition ist, der am meisten abgestraft wird, wenn es nicht rund läuft, kann die CSV unbesorgt Neuwahlen in Kauf nehmen.

Am Ende wird sie es wieder sein, die sich ihren Koalitionspartner unter mindestens drei Fraktionen heraussuchen kann. Sollte sich dieses Szenario tatsächlich so ergeben, dann werden die Gründe für die Neuwahlen sehr schnell wieder vergessen sein, und zweifellos wird sich wiederum eine Partei finden, die, „aus Respekt vor dem Wählerwillen“, mit der CSV gemeinsame Sache macht. Dass sie dann während der folgenden fünf Jahre dem Hohn der Opposition und womöglich der eigenen Basis ausgesetzt sein wird, kann gerade die CSV gänzlich kalt lassen


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