KORRUPTION: Tückische Grauzone

Wann ist Vorteilsnahme erlaubt, und wo beginnt Bestechung? Der gerade publizierte Greco-Staaten-Bericht liefert für Luxemburg Empfehlungen, die als Basis für einen Wertekodex dienen könnten.

Wenn Luxemburg, wo irgendwie jeder jeden über zwei Ecken kennt und es an der Tagesordnung ist, dass eine Hand die andere wäscht, attestiert wird, dass Korruption kaum eine Rolle spiele, muss man schon ein wenig schmunzeln. „Le Luxembourg fait partie des pays membres du GRECO traditionellement peu touchés par la corruption“, resümiert der europäische Staatenbericht die seiner Meinung nach rosige Lage im Großherzogtum. Ähnlich positiv fällt das Urteil der NGO „Transparency International“ aus, nämlich dass Luxemburg zu den Ländern mit verhältnismäßig geringer Korruptionsgefahr gehört. Einer mittlerweile zwei Jahre alten Eurobarometer-Umfrage zufolge halten lediglich 34 Prozent der Luxemburger Bestechung für ein drängendes Problem, der EU-Durchschnitt liegt bei 74 Prozent. Trotzdem sind 27 Prozent der Luxemburger – gegenüber 19 Prozent im EU-Durchschnitt – der Ansicht, dass Korruption im Großherzogtum weit verbreitet ist.

Ob bzw. in welchem Grad Parlamentarier und Justiz bestechlich sind – dies soll der GRECO-Bericht (Groupe d’Etats contre la corruption) einer Gruppe von Staaten des Europarats, die 1999 von 17 Mitgliedern zur europaweiten Bekämpfung der Korruption gegründet wurde, dokumentieren. Das Gremium hat in den vergangenen Monaten mit den politischen Parteien, der Abgeordnetenkammer, Vertretern der Judikative und NGOs Gespräche geführt. Ihre Ergebnisse sind in den vierten Greco-Bericht eingeflossen, der am Dienstag im Luxemburger Justizministerium in Anwesenheit einiger Abgeordneter der Presse präsentiert wurde.

Bis dato keinerlei Ethikkodex

Der Bericht empfiehlt seinen Mitgliedstaaten, als wirksamen Kontrollmechanismus ein Regelwerk mit verbindlichen Wertmaßstäben (règles et normes déontologiques) aufzustellen. Bis dato gibt es in Luxemburg keinerlei solchen Ethikkodex zur Verhinderung von Bestechung oder unzulässiger Beeinflussung. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird derzeit von der Regierung ausgearbeitet. Der Greco-Bericht legt den Parlamentariern überdies nahe, ihre Einkünfte und die von ihnen geleisteten Abgaben offenzulegen. Die Forderung der Transparenz der finanziellen Beziehungen soll sich auch auf die Angehörigen beziehen, wobei der Begriff „Angehörige“ noch recht unbestimmt ist. Einen Eingriff in die Privatsphäre sehen hierin die Luxemburger Abgeordneten Anne Brasseur (DP) und Paul-Henri Meyers (CSV). Ferner fordert der Bericht, dass Geschenke aller Art an Parlamentarier prinzipiell verboten werden sollten, mit der Ausnahme von Reisen. Doch gerade hier liegt die Grauzone: was Bestechung, Vorteilsnahme, Lobbyismus und was nur ein Freundschaftsdienst ist, bedarf einer klaren Festlegung. Denn wie ist es beispielsweise zu bewerten, wenn ein sozialistischer Abgeordneter die vom Bauunternehmer Flavio Becca gesponserten Reisen zu Spielen des FC Bayern München in Anspruch nimmt? Wann sind Geschenke „nur“ Geschenke?

Der Greco-Bericht enthält aber auch Empfehlungen an den Justizapparat. So wird unter anderem geraten, die Aufstiegskriterien im Rahmen des zu gründenden Nationalen Justizrates transparenter zu gestalten und die Verwaltung der Gerichte zu verbessern, um der Gefahr von Interessenskonflikten zu begegnen. „Ich übe seit 28 Jahren mein Amt als Schöffin für Arbeit, Sport und andere Dossiers aus, die große Budgets betreffen, und niemand hat mich je bestochen oder versucht, mich zu bestechen“, beteuerte Anne Brasseur auf der Pressekonferenz. Versteht man unter Korruption im strengen Sinne nur die direkte Bestechung, wie man sie aus Mafiafilmen kennt ein Bündel Scheine für eine konkrete Gefälligkeit , dann kann man der resoluten DP-Deputierten ihre Versicherung abnehmen. Ob der eine oder andere Blumenstrauß, die Flasche Chateauneuf-du-Pâpe oder die Essenseinladung mit Hintergedanken verbunden ist, kann schließlich niemand wissen.

Klar ist, dass es dringend eines in Gesetzesform gegossenen Regelwerks bedarf, das überhaupt ethische Prinzipien zugrundelegt. Ob die Ausarbeitung eines solchen Codes der noch amtierenden Regierung gelingen wird oder ob die Projekte „Verfassungsreform“ und „Ethikkodex“ doch durch Neuwahlen weiter verschleppt werden, steht noch in den Sternen.


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