ENTWICKLUNGSPOLITIK: Steht die Eins?

Der Cercle de Coopération hat die Parteiprogramme unter die Lupe genommen und untersucht, welchen Stellenwert die Parteien der Entwicklungszusammenarbeit einräumen.

Seit 2000 gehört Luxemburg der Gruppe von reichen Industriena-tionen an, die mehr als 0,7 % ihres Brutto-Nationaleinkommens für die öffentliche „Entwicklungshilfe“ aufwenden. Nachdem Jacques Santer 1992 in Rio de Janeiro feierlich verkündet hatte, dass Luxemburg sich an die 0,7 % halten werde, ist dieser Anteil weiter angestiegen – bis auf die 1 %, mit denen auch Premier Juncker gern prahlt. Luxemburg gehört damit zum kleinen Kreis der Industriena-tionen, die ihren Verpflichtungen voll nachkommen bzw. sie sogar übertreffen, und gilt damit international in Sachen Entwicklungspolitik sozusagen als Musterschüler. Doch ist Luxemburgs Engagement in der Entwicklungspolitik, gemessen an seinem Brutto-Nationalprodukt, tatsächlich so beispielhaft? Das so rosige Außenbild erleichtert dem Cercle nicht gerade sein Vorhaben, die Parteien zu mehr Engagement zu motivieren. So geht es dem Dachverband vor allem darum, den status quo aufrecht zu erhalten. Die 1 % Entwicklungsgelder sind der Richtwert, an dem man festhalten will. Darüber hinaus geht es jedoch auch um eine längerfristige Perspektive, konkret um eine nachhaltige Entwicklungsagenda für die Zeit nach 2015, denn die ambitionierte Agenda der Milleniumsziele, die 2000 von der UN beschlossen worden war und bis 2015 ganz konkrete Verbesserungen in der Reduzierung von Armut in den Entwicklungsländern vorsah, gilt als gescheitert und muss nun neu verhandelt werden.

So hatte sich der Cercle bereits im Juni in einem Brief an die Parteien gewandt, um abzuklopfen, wie diese sich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit positionieren. Seitdem steht der Cercle mit den Parteien im Gespräch. Kurz vor den Wahlen hat der Dachverband die Parteiprogramme noch einmal genau unter die Lupe genommen und zieht nun eine gemischte Bilanz.

Zwar begrüßt er, dass der Großteil an dem Wert von 1 % der Wirtschaftsleistung festhält, doch mangelt es aus seiner Sicht insgesamt an politischem Willen, stellt Entwicklungspolitik für viele Parteien nicht wirklich eine Priorität dar.

Nur fünf der neun Parteien äußern sich in ihrem Wahlprogramm überhaupt zur Entwicklungspolitik. In den Programmen von Déi Lénk, KPL und PID wird das Thema „Kooperation“ gar nicht erst angeschnitten. Während Déi Lénk auf Rückfrage angab, sie wolle mehr als die 1 % für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben und vor allem den Bereich (Weiter-)bildung ausbauen, distanzierte sich die ADR hiervon und erklärte, die Entwicklungsgelder auf die 0,7 % der ursprünglichen Selbstverpflichtung senken zu wollen. Am besten schneiden aus Sicht des Dachverbands die Grünen ab. Sie erfüllen die vier zentralen Anforderungen des Cercle, wollen am status quo von 1 % festhalten, die Bevölkerung stärker für das Thema sensibilisieren und für die Zeit nach 2015 eine Agenda aufstellen. Zudem bemühen sie sich um mehr Kohärenz in der Politik. Die Piratenpartei forderte, die Vergabe der Gelder an die Einhaltung der Menschenrechte in den Entwicklungsländern zu binden. Ein recht undurchdachter Ansatz, bestraft man doch im Zweifelsfalle die Menschen in den betroffenen Ländern doppelt.

Gute Noten für die Grünen

Zwar ist ein Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik, wie etwa in Deutschland, wo das Budget unter Schwarz-Gelb radikal zusammengestrichen wurde, in Luxemburg unwahrscheinlich – eben gerade weil man mit den 1 % international so gut dasteht. Unmittelbar nach der Übernahme des Dossiers hatte Marc Spautz unverblümt verkündet, er wolle sich künftig dafür einsetzen, dass international noch mehr als bisher „unser beispielhafter Einsatz in der Kooperationshilfe“ wahrgenommen werde. Doch geht es um weit mehr als die großzügige Bereitstellung von Geldern. Das scheinen die Grünen begriffen zu haben. Konkret fordert der Cercle, dass bis 2020 mindestens zwei Prozent des Gesamtbudgets in nationale Sensibilisierungsaktionen investiert werden, um LuxemburgerInnen dazu zu bringen, ihr eigenes Konsumverhalten zu hinterfragen und um ein öffentliches Bewusstsein für das Nord-Süd-Gefälle zu schaffen.


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