KOALITIONSVERHANDLUNGEN: Schnittmengen

Wirtschaftsliberal oder sozial – die politische Ausrichtung der Gambia-Koalition ist offen. Die Koalitionsverhandlungen werden zeigen, in welche Richtung es mit Blau, Rot und Grün gehen wird. Und wieviel gesellschaftliche Modernisierung wir erwarten können.

Falls LSAP, DP und Grüne tatsächlich schon im Vorfeld der Wahlen über eine gemeinsame Koalition diskutiert haben sollten, ist es ihnen jedenfalls gelungen, dies äußerst diskret zu tun. Noch am Montagvormittag ging die Öffentlichkeit davon aus, dass die Liberalen eher zur CSV tendieren würden. Umso größer dann die – für die einen freudige, für die anderen grausige – Überraschung. Das schnelle Outing der drei Koalitionäre in spe wurde nicht nur von CSV-Seite kritisiert. Doch der Schachzug sollte wohl verhindern, dass Jean-Claude Juncker, mit dem Segen des Großherzogs, die Initiative zum Verhandeln an sich reißt und so versucht, Tatsachen zu schaffen.

Nach dem Geplänkel der letzten Tage und den üblichen, bei der Presse beliebten vorzeitigen Postenverteilungsspielchen stehen nun knallharte Koalitionsverhandlungen bevor. Gerade bei einer Dreier-Koalition kommt es darauf an, bis aufs Komma genau die „Schnittmengen“ – ein Terminus, der zum Begriff des Jahres avancieren könnte – festzustellen. Denn Anliegen, die hier nicht präzisiert werden, lassen sich kaum noch von den jeweiligen Parteien gegen die anderen zwei durchsetzen.

Wir dürfen gespannt sein, wie der gemeinsame Nenner bei sozialpolitischen Themen, wie Index, Renten oder Jugendarbeitslosigkeit ausfallen wird. Hat Serge Urbany Recht, wenn er – fast meinte man, Sehnsucht nach der CSV aus seinem Statement heraushören zu können – vor einer wirtschaftsliberal ausgerichteten Regierungskoalition warnt? Oder werden LSAP und Grüne, aufgeschreckt von ihren Verlusten und den Gewinnen der „Lénk“, versuchen, ihr soziales Image mit konkreten Maßnahmen aufzupäppeln? Auf den Oppositionsbänken wird man jedenfalls mehrere Gewerkschaftler erleben, die hier den Finger in die Wunde legen.

Auch in Sachen gesellschaftliche Modernisierung muss sich erst erweisen, wieviel Mut die neuen Regierungsparteien aufbringen. Während Scheidungsreform und Homoehe nun leichter durchgehen dürften, gibt es bei anderen Punkten weniger Grund zur Zuversicht. Die Trennung von Kirche und Staat hat zwar auf dem Papier große Zustimmung von den drei Seiten bekommen, doch gibt es in der DP durchaus konservative Elemente, die dem Bischof nicht am Zeug flicken wollen. Beim Ausländerwahlrecht, ebenfalls eine gemeinsame Forderung, müsste die neue Mehrheit die oppositionelle CSV mit ins Boot bekommen, um eine Verfassungsmehrheit zustande zu bringen.

Werden LSAP und Grüne, aufgeschreckt von ihren Wahlverlusten an „Déi Lénk“, mit konkreten Maßnahmen versuchen, ihr soziales Image aufzupäppeln?

Skepsis ist dagegen schon im Vorfeld beim Thema Parität angezeigt. Und zwar nicht nur, weil die DP traditionell gegen Quoten und allgemeine Chancengleichheitspolitik eingestellt ist. Denn auch für die LSAP darf bezweifelt werden, dass das Thema im Vordergrund steht. Zwar hatte Spitzenkandidat Schneider – allerdings nach Abschluss der männerdominierten sozialistischen Wahllisten – ein mea culpa geäußert und sich für Frauenquoten stark gemacht. Doch ist die nun aufgestellte LSAP-Verhandlungsgruppe erneut eine reine Männerliga, von deren Mitgliedern keines dafür bekannt ist, Frauenforderungen offen gegenüber zu stehen. Und die sozialistische Partei steht mit nur einer einzigen direkt gewählten Abgeordneten ganz besonders schlecht da. Auch bei den Grünen muss sich noch zeigen, wie wichtig ihnen das Thema letzten Endes ist. Bei der Regierungsbesetzung können die drei Parteien jedenfalls schon einmal zeigen, ob ihnen eine ausgewogene Repräsentation der Geschlechter am Herzen liegt.

Schließlich werden die Koalitionsverhandlungen im Ganzen erkennen lassen, wie ernst es den Parteien mit der Einbeziehung ihrer jeweiligen Basis ist. Darf diese nur noch absegnen, was eine Etage höher bereits entschieden wurde, oder kann sie aktiv mitbestimmen, welche Kompromisse akzeptabel sind und welche nicht? Auch das wäre Modernisierung.


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