RESISTENZLERINNEN: „Männer haben die Erinnerungskultur bestimmt“

Eine Ausstellung in Düdelingen zeichnet Lebensetappen von Luxemburgerinnen nach, die während der Besatzung in der Resistenz aktiv waren. Kathrin Meß forscht seit zehn Jahren zu dem Thema. Sie hat die Ausstellung konzipiert.

woxx: Wie ist die Idee zur Ausstellung entstanden?

Kathrin Meß: Ich habe eine Doktorarbeit zu dem Thema geschrieben – über Yvonne Useldinger und ihr im KZ Ravensbrück entstandenes Tagebuch – und eine Forschungsarbeit angefangen über Luxemburger Frauen, die in deutschen Konzentrationslagern inhaftiert waren. Dabei fielen mir sehr viele Frauen auf, über die es keine Dokumente gibt. Und so habe ich angefangen zu recherchieren. Es waren auch mehrere Frauen dabei, die mir besonders am Herzen gelegen haben, weil sie entweder im KZ Ravensbrück oder kurz nach der Befreiung noch sehr jung gestorben sind – mit Anfang zwanzig oder dreißig. Und da habe ich gedacht, dass man an die Frauen erinnern müsste, und habe also ihre Lebensläufe recherchiert und bin zu ihren Familien gefahren. Von manchen der Frauen haben die Kinder noch gelebt, bei einigen habe ich Original-Briefe gefunden, die sie 1945 geschrieben hatten. Und dann habe ich einfach begonnen, mir verschiedene dieser Frauen auszusuchen.

Wie haben Sie die Auswahl getroffen? Wie hat man sich die Ausstellung vorzustellen?

Insgesamt hat die Ausstellung 11 Tafeln, beziehungsweise 22, weil sie alle ins Französische übersetzt sind. Es gibt eine Eingangstafel, auf der das Phänomen des weiblichen Widerstands erklärt wird. Dann gibt es eine Schlusstafel. Da stelle ich dar, was an Büchern zu dem Thema erschienen ist. Und dann gibt es neun biografische Tafeln, auf denen ich allerdings elf Frauen vorstelle, weil eine Frau zusammen mit ihrer Schwester ins KZ kam und eine andere mit ihrer Mutter. Teilweise habe ich die Auswahl nach der Aktenlage getroffen. Es gab einige Familien, die mir Dokumente von ihren Müttern zur Verfügung gestellt und Einblick in ihr Familienarchiv gewährt haben. Von einer Frau ist mir ein Tagebuch zugänglich gemacht worden, und von diesem ausgehend, habe ich ihren Lebenslauf recherchiert und dann war ich eben in verschiedenen Archiven in Deutschland und Luxemburg.

Welche Motivation hatten diese Frauen, sich politisch zu engagieren?

Es gab welche, die parteipolitisch organisiert waren, wie zum Beispiel Marie Demuth, die in der „Roten Hilfe“ aktiv war. Das war eine Organisation der Kommunistischen Partei. Dann gab es einige, bei deren Motivation es sich eher um patriotischen Widerstand handelte, und es gab welche, die gar nicht irgendwelchen Widerstandsorganisationen angehörten. Die versteckten ihre Männer oder Söhne, die eingezogen werden sollten beziehungsweise auf Fronturlaub waren. Wenn das aufflog, wurden sie natürlich verhaftet. Es gab ganz verschiedene Arten des Widerstands.

Wie sah dann das Engagement gegen die NS-Besatzung aus?

Versteckt wurden Männer, Cousins und Brüder, die zum Kriegsdienst eingezogen werden sollten. Wehrdienstverweigerer wurden ebenfalls versteckt. Für sie alle mussten Lebensmittel organisiert werden. Da gab es zum Beispiel eine Bäuerin, die auch im KZ ermordet wurde, die insgesamt zehn Widerstandskämpfer bei sich versteckt und verpflegt hat. Und manche haben französisches Geld besorgt und weiterverteilt oder getauscht. Andere haben Flugblätter verteilt. Es gab also auch regelrechtes politisches Engagement, aber vor allem das Verstecken hat ab 1943/44 eine große Rolle gespielt.

Wieso ist Ihrer Meinung nach zu dem Thema bisher so wenig geforscht worden?

Weil viele Luxemburger Frauen gar nicht in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten sind. Mir haben manche Frauen erzählt, dass sie nach 1945 für ihre Geschichte kaum Zuhörer fanden. Es musste ja nach 1945 weitergehen, und die Leute wollten vom Krieg nichts hören. Dann ist es natürlich auch so, dass es in Luxemburg keineswegs ausschließlich Widerstandskämpfer gab. Die Leute, die zuhause geblieben waren und sich nicht engagiert hatten, waren nicht besonders erpicht darauf, von den KZ-Rückkehrern erzählt zu bekommen, was diese durchgemacht hatten. Denn das war wie ein indirekter Vorwurf. Die Luxemburger Frauen, die Familien hatten und an einem politischen Engagement nicht interessiert waren, haben dann in der Gesellschaft keine große Rolle gespielt. Luxemburg ist ja auch noch nach 1945 ein streng katholisches Land gewesen. Frauen hatten Frauen-typische Arbeiten zu verrichten, aber in der Politik nichts verloren. Die Männer, die Politik machten, bestimmten auch die Erinnerungskultur. Und in der wurden die Widerstandaktivitäten der Frauen herabgewürdigt. Bei manchen Interviews äußerten die Männer: „Die haben gekocht, die Frauen“. Das war aber natürlich nicht alles, und ich wollte eben zeigen, dass die Frauen viel mehr gemacht haben als kochen.

Was wollen Sie mit der Ausstellung vermitteln?

Im wesentlichen, dass man den Widerstand von Frauen auch als solchen zur Kenntnis nimmt und anerkennt. Mein Wunsch war, dass auch Frauen bekannt werden, deren Lebenslauf man sonst nicht wahrgenommen hätte. Die einfach etwas geleistet haben, dann aber komplett aus der Gesellschaft verschwunden sind und überhaupt keine Rolle mehr gespielt haben. Deren Geschichten dann einfach vergessen worden sind. Und die Ausstellung ist auf Erweiterung angelegt. Mein Wunsch ist, dass das Projekt weitergehen kann und dass man mehr über Frauen recherchiert und künftig weniger Schwierigkeiten hat, ihre Biografien ans Tageslicht zu bringen.

Noch bis zum 15. Dezember im Centre de Documentation sur les Migrations Humaines, Gare-Usines, Dudelange.


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