ARBEITSLOSIGKEIT: „Frei für den Arbeitsmarkt“

Vergangenen Donnerstag wurden alle 28 Luxemburger dayli-Filialen geschlossen. 91 Beschäftigte sind von heute auf morgen arbeitslos geworden.

„Das war nicht fair.“ Martine*, 51, seit zwölf Jahren Angestellte von Schlecker und später von dayli, kann es immer noch nicht fassen. „Noch am Dienstag wurde uns gesagt, man sei guter Dinge. Am Donnerstag wurden dann plötzlich ohne jegliche Vorwarnung alle Geschäfte geschlossen.“

91 Personen, fast ausschließlich Frauen, stehen nun vor dem Nichts. Auch wenn der österreichische Mutterkonzern schon im Juli 2013 die Insolvenz beantragt hatte, wurden die Luxemburger Angestellten bei der Stange gehalten, wurde ihnen immer wieder Hoffnung gemacht. „Man hat uns gesagt, es gäbe Verhandlungen über eine eventuelle Übernahme der Läden und der Angestellten“ sagt die 42-jährige Anja* verbittert: „Die dayli-Mitarbeiterinnen waren alle sehr loyal. Nach der Schlecker-Pleite und der Übernahme durch dayli haben wir sehr hart gearbeitet. Als dayli dann auch Insolvenz beantragte, haben wir immer noch dran geglaubt, dass die Läden hier in Luxemburg überleben könnten. Und nun das.“

Der Leidensweg der Angestellten begann im Januar 2012 mit den ersten Anzeichen der bevorstehenden Schlecker-Pleite. Während einiger Monate war die Zukunft der Luxemburger Ladenfilialen ungewiss, bis sich schließlich ein gewisser Doktor Rudolf Haberleitner, dessen Doktortitel in Österreich sehr umstritten ist, mit einem „revolutionären“ Nahversorgerkonzept erbarmte und im Juli 2012 alle 1350 Schleckerfilialen in Österreich, Belgien, Polen und Luxemburg übernahm. Haberleitner, der sich nicht ohne Hang zum Selbstdarstellerischen als „Unternehmenssanierer“ sieht, gönnte sich immerhin ein Jahresgehalt von 400.000 Euro, stand aber bereits zehn Monate später vor Liquiditätsproblemen. Lieferanten weigerten sich, die dayli-Filialen zu beliefern. Einige von ihnen hatten seit der Übernahme kein Geld bekommen.

„Gleich nach der Übernahme gab es Meetings und Seminare mit Doktor Haberleitner“ sagt Anna*, seit fünf Jahren Angestellte des Pleitebetriebs, „wir waren sehr enthusiastisch. Aber als wir dann schon kurz darauf keine Ware mehr in den Regalen hatten, war das ein ziemlich böses Erwachen. Trotzdem glaubten wir immernoch an das Konzept.“

Drei bis fünf Monate Abfindung

Am 4. Juli 2013 reichte das Unternehmen beim Landesgericht Linz in Österreich einen Antrag auf Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung ein. Am 12. August bewilligte das Gericht die vom Insolvenzverwalter Rudolf Mitterlehner beantragte Schließung von dayli Österreich. In Luxemburg war das der Startschuss für Verhandlungen über eine eventuelle Übernahme der Geschäfte durch ein anderes Unternehmen.

„Monatelang hat man uns gesagt, es liefen Verhandlungen und man würde bestimmt einen Interessenten finden. Auch zu dem Zeitpunkt haben wir noch versucht, optimistisch zu sei. Dann war’s von einem Tag auf den andern vorbei, Vertreter des Insolvenzverwalters kamen in die Läden und sagten: Ihr könnt schließen, es ist vorbei.“

Vergangenen Dienstag wurden die Beschäftigten in einer Luxemburger Anwaltskanzlei von VertreterInnen der Gewerkschaften, der Adem und des Insolvenzverwalters sowie vom Luxemburger Geschäftsführer über die Entlassungsbedingungen informiert. „Wir wissen zu schätzen, was wir an Ihnen hatten“ begrüßte der Geschäftsführer Dirk Kucht die ehemaligen Angestellten, die nach Luxemburger Recht behandelt werden. Damit stehen ihnen drei bis fünf Monatslöhne Abfindung zu. Das Geld muss aber erst noch beim Landesgericht Linz eingeklagt werden, weshalb alle Betroffenen eine Bearbeitungsgebühr von 22 Euro nach Österreich überweisen müssen. Eine Abfindung ist nicht vor April zu erwarten.

Bei der Informationsversammlung rieten Gewerkschaften und Adem dazu, sich arbeitslos zu melden und „Chômage“ zu beantragen. „Sie sind jetzt frei für den Arbeitsmarkt“ befand der Vertreter des Insolvenzverwalters. Auch mit Arbeitslosengeld ist vor April nicht zu rechnen.

*Namen von der Reaktion geändert


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