LANDWIRTSCHAFT: Utopie Selbstversorgung?

Das Bündnis „Meng Landwirtschaft“ fordert die Neuausrichtung der luxemburgischen Landwirtschaft mit dem Ziel der Selbstversorgung und der Stärkung kleinbäuerlicher Bio-Betriebe.

FOTO: GREENPEACE LUXEMBURG

„Wir glauben, dass die Agrarpolitik der letzten 30 Jahre weder in Luxemburg noch in Europa auf Dauer tragbar ist“, brachte Martina Holbach von Greenpeace Luxembourg auf einer Pressekonferenz von „Meng Landwirtschaft“ den Unmut der NGOs auf den Punkt. Acht Nichtregierungsorganisationen* aus den Bereichen Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt, Verbraucher- und Tierschutz und Entwicklungszusammenarbeit haben sich zu einem breiten Bündnis zusammengeschlossen und fordern in einer umfassenden Analyse der Situation eine Neuausrichtung der luxemburgischen Landwirtschaft. Man wolle die überfällige Diskussion über die Reform im Agrarsektor anregen, heißt es aus ihren Reihen. Dabei gehe es „um mehr als kosmetische Korrekturen“.

Bis heute ist die Landwirtschaft Luxemburgs maßgeblich durch die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) geprägt, deren Reform noch immer aussteht. 1962 war sie mit dem erklärten Ziel initiiert worden, die Nahrungsmittelproduktion der europäischen Landwirtschaft erheblich zu steigern, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und die Abhängigkeit von USA-Importen zu beseitigen. Aus heutiger Sicht ein verfehltes Ziel, denn die EU ist noch immer der größte Netto-Importeur landwirtschaftlicher Produkte, sowie der wichtigste Ex- und Importeur von Lebensmitteln auf dem Weltmarkt. Dass Lebensmittelexporte aus der EU in Entwicklungsländer aus vorgeblich karitativen Gründen keinen Sinn machen ist keine neue Erkenntnis. Sie bewirken das Gegenteil, da die Billigexporte – etwa Fleisch, das in Europa kaum mehr Abnehmer fände – die Lebensmittelpreise der lokalen Märkte drücken, und damit kleinbäuerliche Betriebe in ihrer Existenz gefährden.

Nahrungsmittelspekulation besteht fort

Quer durch die Reihen der Politik besteht seit längerem Einigkeit darüber, dass die Praxis der Lieferung von Exportüberschüssen in Entwicklungsländer unfair ist. Seit 1993 sind die direkten Exportsubventionen daher von 10 Milliarden auf knapp 650 Millionen Euro im Jahr 2009 gesunken und sollen noch weiter abgebaut werden. Doch subventionierte Exporte aus der EU richten noch immer Schaden an, und auch die Spekulation auf Nahrungsmittel besteht – verstärkt seit 2007/2008 – fort.

So hob Marine Lefebvre von „SOS Faim“ hervor, dass es auch in Luxemburg einige Investmentfonds gibt, die mit Nahrungsmitteln spekulieren. Mit der Spekulation auf Preissteigerungen durch tatsächliche oder provozierte (regionale) Lebensmittelknappheit werden Produkte zusätzlich verteuert, oder es wird ein Anreiz geschaffen, sie – zumindest kurz- bis mittelfristig – nicht am Markt zu handeln. Zusätzlich werden Marktsignale verstärkt, die nicht vom Bedarf ausgehen. Das Bündnis fordert denn auch, die Finanzspekulation mit Agrarstoffen zu unterbinden und auch auf EU-Ebene entsprechende Regulierungen zu veranlassen.

Selbstversorgung als Leitmotiv

Das Bewusstsein, dass das Prinzip der regionalen Selbstversorgung das Leitmotiv und damit das A und O einer nachhaltigen Agrarpolitik sein müsste, hat sich jedoch bis heute gehalten. Idealerweise sollten ökologische Betriebe geschlossene Kreisläufe sein, in denen die Anzahl der Tiere an die zur Verfügung stehende Fläche angepasst wird. „Selbstversorgung muss wieder im Mittelpunkt stehen“ fordert „Meng Landwirtschaft“ denn auch – aus Gründen der Bewahrung der Artenvielfalt, der Stärkung der heimischen Landwirte und der kleineren Betriebe, aber auch – und nicht zuletzt – aus wirtschaftlichen Erwägungen.

Doch ist Luxemburg nicht Neuseeland – den Bedarf durch die lokale bzw. regionale Produktion zu decken, erscheint in Anbetracht der geringen Fläche und der vorherrschenden Subventionspolitik utopisch. Nach derzeitigem Stand benötigten VerbraucherInnen zur Befriedigung ihrer Basisbedürfnisse doppelt so viel an landwirtschaftlicher Nutzfläche, wie in Luxemburg zur Verfügung steht.

In Luxemburg wäre die Landwirtschaft ohne die großzügigen Beihilfen der EU ein Verlustgeschäft. Seit den 1960er Jahren lässt sich eine kontinuierliche Abnahme der landwirtschaftlichen Betriebe verzeichnen: Lag ihre Anzahl im Jahre 1950 noch bei 11.445, so waren 2011 nur noch 2.175 davon übrig – und nur 1.582 von diesen waren Vollerwerbsbetriebe.

Der Grund für die schleppende Umstellung auf biologische Landwirtschaft ist nach Meinung des Bündnisses primär das aktuelle Subventionssystem. Bei vielen Betrieben in Luxemburg stellt die Subventionierung über Direktzahlungen und Beihilfen bei den Investitionen den Großteil des Einkommens dar, während Umwelt- und Bio-Prämien nur eine marginale Rolle einnehmen: Die Höhe der öffentlichen Subventionierung richtet sich zu 95 Prozent nach der Fläche des Betriebs. Als einen weiteren Grund betrachten die NGO-VertreterInnen die konservative Haltung des Staates und der Bauernverbände und das mit ihr verbundene mangelhafte Bewusstsein der Bauern. Hier müssten noch Anreize geschaffen werden, die sich nicht auf die Fläche des Betriebes beziehen. Prämien sollten vielmehr für effektive Agrar-Umweltmaßnahmen und biologischen Anbau vergeben werden.

Schleppende Umstellung auf Bio-Landwirtschaft

„Wir müssen wieder eine größere pflanzliche Produktion anstreben“, forderte Raymond Aendekerk (Bio-Lëtzebuerg) – „Trotz aller Subventionen schaffen wir es nicht, unsere landwirtschaftlichen Betriebe und Arbeitskräfte zu erhalten. Die Zahl sinkt rapide. Wir schaffen unmögliche Bedingungen. Die Fördergelder könnten wesentlich effizienter eingesetzt werden.“ Trotz der Existenz eines nationalen Aktionsplans zur Förderung von Biolandbau und der hohen Nachfrage nach Bio-Produkten (Luxemburg liegt im europäischen Vergleich an dritter Stelle!) beträgt der Anteil der biologisch bewirtschafteten Fläche gerade einmal drei Prozent. Damit liegt Luxemburg deutlich hinter anderen EU-Mitgliedstaaten, wie etwa Deutschland (6,2%) oder Österreich (19,7%!).

Die Luxemburger Landwirtschaft ist vorrangig auf Viehwirtschaft ausgerichtet – speziell auf die Milchproduktion. Der Großteil des für die luxemburgische Produktion benötigten Viehfutters, vor allem Eiweiße, wird – aus Mangel an heimischen billigeren Proteinträgern – aus Entwicklungsländern importiert. Um die Abhängigkeit von Rohstoffimporten, die sich wieder negativ auf kleinbäuerliche Betriebe in den Ländern des Südens auswirken, zu reduzieren, schlägt das Bündnis in seinem Forderungskatalog vor, „die Stoffströme auf den landwirtschaftlichen Betrieben“ zu optimieren, sowohl was den Einsatz von Nitrat und Phosphat angeht, wie auch den Einsatz fossiler Energieträger. Eiweißimporte sollen fortan reduziert und der Eiweißbedarf möglichst aus eigener Produktion gedeckt werden.

Abhängigkeit von Eiweißimporten

„Meng Landwirtschaft“ fordert deshalb, den Spielraum, den die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik den EU-Staaten für das Greening der Landwirtschaft ermöglicht, maximal auszuschöpfen. Bis 2020 soll der Anteil der Biolandwirtschaft auf 15 Prozent erhöht werden.

Angesichts des beängstigenden Rückgangs der Biodiversität in den letzten Jahren, an dem die Intensivierung der Landwirtschaft eine Mitschuld trägt, sollten eine gentechnikfreie Landwirtschaft, der freie Zugang zu genetischen Ressourcen zwecks Vermehrung und Züchtung von Pflanzen und ein Verbot von Biopatenten Priorität haben.

Für Europa stellt sich die Frage, wie weit es gelingt, sich dem ökonomischen Druck des Weltmarktes zu widersetzen, und wie verantwortungsvoll das Länderbündnis seine bedeutende Stellung auf dem Weltmarkt handhabt. In Luxemburg liegt der Ball nun bei der Regierung. Sie muss entscheiden, ob, bzw. wie weitgehend sie der Umorientierung der luxemburgischen Landwirtschaft Priorität einräumen und den viel versprechenden Ankündigungen im Koalitionsprogramm Taten folgen lassen will.

* Die acht Organisationen des Bündnisses: natur&ëmwelt, Bio-Lëtzebuerg, Greenpeace Luxembourg, ASTM, Caritas Luxembourg, Cercle de Coopération des ONG de développement, Slow Food Luxembourg, SOS-Faim.


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