ALTERNATIVE POP: Die Hoffung stirbt zuletzt

Mariam Wallentin, die eine Hälfte des experimentellen Folk-Duos Wildbirds & Peacedrums, ist eine Frau mit einer Mission. Mit ihrem Soloprojekt Mariam the Believer bricht sie Denkstrukturen auf und lässt der Hoffnung freien Lauf.

Wenn Wallentin über ihr 2013 erschienenes Debütalbum „Blood Donation“ spricht, klingt es wie kitschig angehauchtes Hippiegehabe. Es geht um Perspektiven auf das Leben und seine Zusammenhänge, um das Dunkle, das Licht, um den Glauben, an dem man festhält, um die Liebe und die Hoffnung. Hört man jedoch das Album selber, fühlt man sich wie erfrischt. Denn es stellt all diese Fragen über das Leben mit unendlich viel Gefühl, ganz ohne das befürchtete Pathos. Das Album ist eine Sammlung aus musikalischen Momentaufnahmen von Emotionen und Gedanken, die den Hörer inspirieren und ihm Denkanstöße liefern. Die Musik ist teils eingängig, teils herausfordernd, sie fesselt und baut sich vor einem auf wie eine abwechslungsreiche Landschaft, die man unbedingt erforschen muss.

Ein so gehaltvolles Album wird nicht jeden Tag veröffentlicht. Erstaunlich, dass es von einer Musikerin stammt, die seit der Gründung ihrer Band Wildbirds & Peacedrums mit Ehemann Andreas Werliin vor etwa acht Jahren kaum einen freien Tag hatte. Nach drei hochgelobten Alben, mehreren Tourneen und zusätzlichen Verpflichtungen in anderen Bands war 2011 die Zeit für Wallentin jedoch reif, wie sie in einem Interview sagte. „Als ich nach Hause kam, war ich ausgelaugt und verspürte den Drang, meine Sicht auf das Leben, auf das Schaffen und darüber, wer ich bin, neu zu bewerten. Ich war frustriert von unserem Ego, wie wir uns darüber definieren, was wir machen, wo wir leben, was wir zu wissen glauben. Wir drängen uns damit selber in eine Ecke. Ich wollte die Musik und meine Herangehensweise an die Songs öffnen, indem ich Fragen stellte, statt Antworten zu geben.“

Im Gegensatz zu Wildbirds & Peacedrums, deren Musik sich hauptsächlich aus Gesang und Perkussion zusammensetzt, geht Wallentin mit Mariam the Believer einen für sie neuen Weg mit einem konventionellen Band-Lineup. „Dieser Sound ist etwas, das ich erforschen wollte. Die Wärme der Orgel, die Schärfe der Gitarre, die Tiefe des Basses,“ sagt sie. „So konnte ich mich auf einem Meer aus Klängen treiben lassen, statt wie mit Wildbirds immer zu rudern.“ Innerhalb von zwei Wochen schuf sie so die Songs, die teils ruhig und gefühlvoll daherkommen, teils experimentellere, härtere, dunklere Töne und unterschiedlichste Rhythmen anschlagen. Die Musik ist dabei nicht nur das Medium, das Wallentins Fragen für das Publikum übersetzt. Sie steht den Songtexten gleichrangig gegenüber, indem sie diesen gewissermaßen eine taktile Qualität hinzufügt. Der teils schöne, teils spröde Gesang und die treibenden Rhythmen reißen den Zuhörer mit und vermitteln ihm eine bestimmte Empfindung. „Ich wollte, dass sich das Album wie eine Wüste anfühlt: Ziemlich trocken, viel Erde und Schmutz, aber auch mit einem Schimmer, der ab und zu durchscheint wie ein Sternenhimmel,“ sagt die Künstlerin selbst.

Auch die Gedankenstränge, die hinter den expressionistischen Liedzeilen stecken, zielen auf den Kontrast von Gut und Böse, der das Leben kompliziert und dennoch lebenswert macht. „Bei „Blood Donation“ geht es darum, im Dunklen zu sitzen und sich nach dem Licht zu sehnen. Lernen, zu geben, ohne im Gegenzug etwas dafür zu verlangen. Die Welt herauszufordern, genauso wie sich selbst,“ sagt Wallentin. Wer sich und seine Perspektive auf das Leben ebenfalls hinterfragen möchte, sollte am Samstag im Exit07 den Klängen von Mariam the Believer lauschen.

An diesem Samstag, dem 15. Februar im Exit 07.


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