KOOPERATIONSPOLITIK: Finanzministerium als Entwicklungshelfer?

Luxemburg soll der Afrikanischen Entwicklungsbank beitreten. Ein entsprechendes Gesetz liegt dem Parlament vor. ONGDs und ExpertInnen äußern Bedenken.

Die Afrikanische Entwicklungsbank hat 2012 Darlehen und Beihilfen über knapp vier Milliarden Euro ausbezahlt. Das Kapital der Bank wird zu 60% von afrikanischen Staaten gehalten, der Rest von europäischen, nordamerikanischen oder asiatischen Ländern.

Luxemburg hat derzeit einen Beobachterstatus und könnte demnächst Vollmitglied werden. Das entsprechende Gesetzesprojekt wurde vom ehemaligen Finanzminister Luc Frieden (CSV) im Juni 2013 eingereicht. Im Detail wird zuerst eine Beteiligung am African Development Fund angestrebt, mit einem voraussichtlichen Volumen von 16,8 Millionen Euro. Dieser Fonds vergibt niedrig verzinste Darlehen oder gar Beihilfen für besonders arme Staaten.

Die Beteiligung soll mittels einer Staatsanleihe finanziert werden, die während acht Jahren mit jährlichen Raten von 2,1 Millionen Euro abbezahlt wird. Hinzu kommt eine Kapitalbeteiligung an der Afrikanischen Entwicklungsbank in Höhe von 9,2 Millionen mit jährlichen Raten von 1,1 Millionen Euro. Somit kostet der Beitritt insgesamt rund 26 Millionen Euro und wird das Kooperationsbudget bis 2020 jährlich mit 3,2 Millionen Euro belasten. Denn obwohl die Initiative vom Finanzministerium ausgeht, werden die Unkosten integral als öffentliche Entwicklungshilfe ausgewiesen.

Großprojekte

Die Afrikanische Entwicklungsbank investiert vor allem in große Infrastrukturprojekte die in einigen Fällen auch nötig sind, wie z.B. in die Energieversorgung, den Straßenbau, usw. Ob damit aber die Armut wirksam bekämpft wird, wie das oberste Ziel dieser Institution lautet, steht auf einem anderen Blatt. Die Abwesenheit von funktionierenden sozialen Umverteilungsmechanismen bringt mit sich, dass der sogenannte „Trickle-down-Effekt“, d.h. die These, dass Wirtschaftswachstum und allgemeiner Wohlstand der Reichen nach und nach in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickert, kaum eintritt.

Da die Landbevölkerung meist keine offiziellen Landtitel besitzt, kommt es so bei Staudamm-Projekten oder Großplantagen oft zu massiven Vertreibungen. Auch die unzureichenden oder kaum applizierten Umweltstandards sind ein Problem, etwa bei der Inbetriebnahme von großen Bergbauprojekten.

Die Afrikanische Entwicklungsbank hat eine Reihe von Kriterien entwickelt, die solche Nebenwirkungen vermeiden sollen. Trotzdem kommt es immer wieder zu Konflikten auf lokaler Ebene, auch weil die Kontrollmechanismen unzureichend sind. Eine Koalition von afrikanischen und europäischen ONGs, die speziell zur Überwachung der Aktivitäten dieser Institution gegründet wurde, meint dazu: „Obwohl ihr Mandat lautet, die Armut zu bekämpfen, haben die Projekte und Politiken der Afrikanischen Entwicklungsbank manchmal den gegenteiligen Effekt. […] Die Standards und die Kapazitäten der Afrikanischen Entwicklungsbank, die dazu dienen, ihre soziale und umweltpolitische Verantwortung wahrnehmen zu können, sind weit schwächer als die von vergleichbaren Institutionen.“

Dass große Wirtschafts- und Infrastrukturprojekte zur Armutsbekämpfung beitragen, wird auch von der Schweizer „Déclaration de Berne“ bezweifelt. In einer Studie über die Strategie der Afrikanischen Entwicklungsbank schlussfolgert sie, dass die Projekte oftmals so konzipiert sind, dass nur große Firmen daran verdienen können, dass der Nutzen für die lokale Wirtschaft gering ist und die armen Bevölkerungsschichten kaum davon profitieren.

Außerdem warnt die Schweizer Plattform vor einem systemischen Korruptionsrisiko bei solchen Großprojekten. Auf dem Terrain wird die Arbeit der Afrikanischen Entwicklungsbank daher auch sehr kritisch gesehen. Ehemalige Entwicklungshelfer bestätigen, dass ihre Projekte sehr oft mit Betrügereien, Korruption, Misswirtschaft und Vetternwirtschaft in Verbindung gebracht werden.

Kooperationspolitik …

Das Finanzministerium begründet die Stichhaltigkeit eines Beitritts im Gesetzesprojekt N°6582 wie folgt: „L’Afrique subsaharienne constitue la première zone opérationnelle de la Coopération luxembourgeoise. Par conséquent l’adhésion du Luxembourg au groupe de la BAD (Banque africaine de développement) ne peut que renforcer l’action du Luxembourg au profit de ses pays partenaires africains. En effet, les politiques, stratégies et objectifs de la BAD et ceux de l’aide publique au développement luxembourgeoise participent d’un même effort et d’une même volonté de contribuer au développement économique et social durable du continent africain.“

Diese Argumentationslinie kann man getrost als dürftig bezeichnen. Tatsächlich ist die Zielregion der bilateralen luxemburgischen Kooperation hauptsächlich auf Westafrika beschränkt, namentlich auf die Länder Kap Verde, Senegal, Mali, Burkina Faso und Niger. Die einzige Ausnahme bildet das Partnerland Namibia, aus dem man sich aber in absehbarer Zeit zurückziehen will. Im Jahr 2012 entfielen gerade mal 4,7% der Darlehen oder Beihilfen der African Development Bank Group auf diese sechs Länder. Rund 25% der Gelder gingen hingegen nach Südafrika, das allgemein als Schwellenland gilt. Die geographische Überschneidung, die vom Finanzministerium angeführt wird, ist also nur marginal vorhanden.

Dass sich das luxemburgische Finanzministerium in der Vergangenheit nicht immer sehr eng mit der Direction de la coopération abgesprochen hat, wenn sie Ausgaben in das Entwicklungsbudget einfügen wollte, ist ein offenes Geheimnis. Der Verdacht drängt sich daher geradezu auf, dass es sich bei diesem Vorhaben um eine unilaterale Initiative des Finanzministeriums handelt, ohne wirkliche Rücksprache mit den eigentlichen Verantwortlichen im Hôtel Saint Augustin.

… oder Wirtschaftspolitik?

Noch heikler wäre das Gesetzesprojekt jedoch, wenn damit wirtschaftliche Ziele verfolgt würden, da man sich ausdrücklich darauf festgelegt hat, keine Eigeninteressen mit der Kooperationspolitik zu verfolgen. In einem Interview mit der Internetseite Switzerland Global Enterprise (www.s-ge.com) erklärt der Wirtschaftsexperte Randy Grodman: „Da die Schweiz Mitgliedsland der Afrikanischen Entwicklungsbank ist, können sich Schweizer Firmen für alle Aufträge bewerben, die von der Afrikanischen Entwicklungsbank gefördert werden.“

Hatte das luxemburgische Finanzministerium die kommerziellen Chancen für heimische Firmen im Auge, als man einen Beitritt erwog? Klar ist jedenfalls, dass bei den öffentlichen Ausschreibungsverfahren für Projekte, die von der Afrikanischen Entwicklungsbank finanziert werden, verhältnismäßig oft europäische, nordamerikanische oder chinesische Privatunternehmen den Zuschlag erhalten. Dies bedeutet aber auch, dass zumindest ein Teil des Geldes, das als öffentliche Entwicklungshilfe an die Afrikanische Entwicklungsbank überwiesen wird, über Umwege wieder an die Geberländer zurückfließt.

Erklärungsbedarf

Jedenfalls besteht ein beträchtlicher Erklärungsbedarf, wenn es um den Mehrwert geht, den ein Beitritt zur Afrikanischen Entwicklungsbank zum Gesamtkonzept der luxemburgischen Kooperationspolitik beitragen soll. Umso mehr, da es im Kooperationsbudget derzeit nur wenig Spielraum gibt. Die Direction de la coopération versucht gerade fieberhaft Einsparungen vorzunehmen, um die Ausgaben nicht über 1% des Bruttonationaleinkommens ansteigen zu lassen: Multilaterale Kontrakte werden revidiert, administrative Kosten gesenkt, sowie Luxdev und die ONGs zu Einsparungen aufgefordert. Die 3,2 Millionen, die jährlich für dieses neue Projekt anfallen werden, machen diese Aufgabe nicht einfacher.

Im Regierungsprogramm heißt es: „La coopération avec les organisations multilatérales tant en matière de développement que d’action humanitaire sera adaptée pour mieux refléter les priorités sectorielles et thématiques de la coopération luxembourgeoise.“ Wenn die parlamentarische Mehrheit diese Ankündigung in die Tat umsetzen will, müsste sie das Gesetzesprojekt N°6582 eigentlich ablehnen.

Marc Keup und Charel Schiltz sind Mitarbeiter der ASTM.
Die integrale Fassung dieses Textes kann in der kürzlich erschienenen Ausgabe Nr. 281 des „brennpunkt drëtt welt“ nachgelesen werden.
Außerdem ist der Artikel mit Links zu sämtlichen erwähnten Quellen und Studien auf der Homepage der ASTM dokumentiert (astm.lu/kooperationspolitik-aus-dem-finanzministerium/)


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