WES ANDERSON: Im Alpenrausch

In Grand Budapest Hotel erfindet der Kult-Regisseur eine osteuropäische Parallelwelt, in der ein manierierter Concierge abwechselnd durch Familienfehden und Faschisten aus seiner feinen Welt gerissen wird.

Abgefahren und durchgeknallt
« The Grand
Budapest Hotel »
von Wes Anderson
ist eine Krimikomödie. Lachanfälle garantiert!

Gustave H., stark parfümierter Charmeur und Portier des Grand Budapest Hotel in Zubrowka, weiß, wie man ein feines Image pflegt. Vor allem gibt er sich alten, wohlhabenden Witwen regelmäßig in einer der Suites ganz hin, so dass das Hotel stark von runzeligen Society-Damen frequentiert wird. Eine der Damen, die Gustave (Ralph Fiennes) bezirzt, Madame Desgroffe-und-Taxis, gespielt von Tilda Swinton, stirbt plötzlich auf mysteriöse Weise. Sie war Gustave so verfallen, dass sie ihm ein „unbezahlbares“ Gemälde hinterlassen hat. Doch die Familie der alten Dame ist von dieser Entscheidung überhaupt nicht entzückt. Der skrupellose Sohn Dmitri (Adrien Brody) beschuldigt Gustave des Mordes an seiner Mutter, und der Concierge landet im Gefängnis.

Zusammen mit einem geschickten Zellengenossen, seinem „Lobby Boy“ Zero (Toni Revolori) und dessen Freundin Agatha (Saoirse Ronan) macht Gustave einen spektakulären Ausbruch. Doch ein skrupelloser Killer, perfekt gespielt von Superfiesling Willem Dafoe, ist den beiden bald auf den Fersen.

Die Ereignisse spielen sich in den Zwischenkriegsjahren ab, in einem fiktiven, zentraleuropäischen Gebirge, das mit seinen Gondelbahnen, Konditoreien und atemberaubenden Berglandschaften wie ein farblich abgestimmtes Touristenparadies wirkt. Eine heile Welt ist das jedoch nicht. Die Faschisten der ZZ, deren Emblem der Nationalsozialistischen Schutzstaffel ähnelt, bringen düstere Zeiten für Europa und das Grand Budapest Hotel.

Das Grau der Soldaten in der sonst so warmen Farbpalette zeigt, dass sich Grand Budapest Hotel von früheren Wes-Anderson-Filmen, wie Moonrise Kingdom oder Rushmore, unterscheidet. Denn die bekanntesten Filme des Regisseurs sind zwar oft nostalgisch, aber nie wirklich politisch. Als die Helden Gustave und Zero ihre Zugreise immer wieder an der gleichen Stelle unterbrechen müssen, weil mit dem neuesten Machtwechsel dort wieder ein Kontrollpunkt erstellt worden ist, wird Politik jedoch zur Absurdität. Was natürlich wiederum perfekt in einen Wes-Anderson-Film passt.

Die Erzählweise ist sehr ungewöhnlich und ein wenig anstrengend: Gleich zu Beginn erzählt zuerst ein Buch, dann dessen Autor und schließlich Zero die turbulente Geschichte des Hotels, was, wohl gewollt, den Kinogänger ziemlich verwirrt. Neben den üblichen Verdächtigen wie Bill Murray, Owen Wilson und Jason Schwartzman hat Anderson diesmal mit den brillanten Saoirse Ronan und Toni Revolori neue Talente rekrutiert. Ralph Fiennes, den man selten in einer so lustigen Rolle gesehen hat, interpretiert den bisexuellen Portier mit exquisiten Manieren. Der furchterregende Lord Voldemort wird sich im Grabe umdrehen.

Die warmen Farben, symmetrischen Bilder, und feinen Garderoben – Wes Anderson hat eine Schwäche für Uniformen – sind alle minutiös justiert. Um alle Referenzen an Filme und Personen zu erkunden, die im Film vorkommen, reicht ein einmaliger Kinogang übrigens nicht aus.

Die perfekten, und bis ins letzte Detail kontrollierten Welten könnten auf manchen Kinogänger irritierend wirken. Auch die artifiziellen, selbstironischen Dialoge, die zwischen kitschiger Poesie und Schimpfkanonade abwechseln, sind nicht jedermanns Sache. Wer sich allerdings auf Wes Andersons Spiel einlässt, hat einen Riesenspaß. Die verdutzten Bill-Murray-Blicke, die übrigens nicht nur Bill Murray drauf hat, sind immer wieder lustig, und die Kulissen lassen einen plötzlich in Nostalgie für ein gänzlich erfundenes Osteuropa schwelgen. Humor ist ein wichtiger Teil der Wes-Anderson-Welt, und auch im Grand Budapest Hotel sind die Lacher originell und erfrischend. Höhepunkte des Films, und wohl auch der Karriere des Regisseurs, sind die wintersportliche Verfolgungsjagd und der Knastausbruch. Diese sollte man auf keinen Fall verpassen.

Im Utopolis Kirchberg und Utopolis Belval.


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