NACHHALTIGER VERKEHR: Noch nicht auf der sicheren Seite

Während das Regierungsprogramm und die bislang vorgestellten Planungen durchaus Fortschritte erwarten lassen, tappt die öffentliche Diskussion in Sachen Verkehr in alte und neue Fallen.

Für einen Hauptstadt-Bahnhof viel zu klein und vor allem zu weitab vom Geschehen: Verkehrsminister François Bausch weihte am Mittwoch die erste „M-Box“ für Fahrräder ein.

Mittwoch 9. April knapp vor 14 Uhr, in der Nähe des CFL-Parkhauses am Bahnhof Luxemburg. Bei den VertreterInnen der „Lëtzbuerger Vëlos-Initiativ“ (LVI) ist die Begeisterung eher gedämpft, obwohl ein wichtiger Akt vollzogen werden soll: die Einweihung der ersten „M-Box“, eines mit einem elektronischen Schloss versehenen Abstell-Käfigs für Fahrräder.

Der Minister für nachhaltige Entwicklung und Infrastrukturen, ein Vertreter der Eisenbahndirektion und der Generaldirektor des Verkehrsverbunds haben sich eingefunden, um die knapp zehn mal zehn Meter große mit einem Gitter umgebene Abstellfläche einzuweihen. Der zeremonielle Aufwand hält sich in Grenzen, und nachdem die drei obligaten Reden gehalten sind, lädt der Chef des Verkehrsverbunds sogleich zum „Patt“ – sehr zum Missfallen der anwesenden Pressefotografen. Nach Protest aus ihren Reihen nimmt Minister François Bausch dann doch noch die symbolische Eröffnung des grauen Kastens mittels speziellem, für ihn reservierten Badge vor.

Der LVI-Präsident, der dem Prozedere aus einer gewissen Distanz beiwohnt, ist eher erleichtert als wirklich zufrieden, dass die M-Box (M für Mobilitéit) endlich steht. Dass die LVI die eigentliche Initiatorin des abgesicherten Stellplatzes war und die Eisenbahndirektion nur in einem „langwierigen“ Prozess für das Unterfangen gewinnen konnte, davon erwähnt der Chef des Verkehrsverbunds Gilles Dostert nichts.

Auch hatte sich der Minister zuvor in seinem kurzen Statement „eine kleine Kritik“ nicht versagen wollen: „Das hier ist zu klein und zu weit von der Haupthalle der Gare entfernt“, meinte François Bausch, um dann doch alle Beteiligten zu beglückwünschen und ihnen für ihren Einsatz zu danken.

Doch der Fortschritt ist nicht aufzuhalten: Die nächste M-Box, die Ende Mai in Mersch eingeweiht werden soll – so das Versprechen des CFL-Direktors für Passagierdienste, Marc Hoffmann -, wird größer ausfallen und sogar zweistöckig sein, und damit sagenhaften 32 Rädern Platz bieten.

Bis es soweit ist, will der Verkehrsverbund ordentlich die Werbetrommel rühren, um über die Existenz und die Nutzungsmöglichkeiten der M-Box zu informieren. Das kann freilich über das eigentliche Manko, das die Renovierung des Bahnhofsvorplatzes aufweist, nicht hinwegtrösten: Die RadfahreInnen und ihr Fahrgerät wurden bei der Umgestaltung glatt vergessen. Nur eine Handvoll Radstellplätze befinden sich in der Nähe der Haupthalle und die sind ständig belegt. Und die jetzt eröffnete M-Box liegt tatsächlich weitab vom eigentlichen Betrieb. „Immerhin einige Meter näher als für die Autofahrer, die den neuen CFL-Parking nutzen“, so Marc Hoffmanns Replik an den Minister.

Allerdings wurde zugesagt, dass dieser „Süd“-M-Box eine ähnliche auf der nördlichen, also der Stadt zugewandten Seite des Bahnhofs, folgen soll. Doch angesichts der Erfahrungen mit dem ersten Projekt, das aus architektonischen Gründen nicht nach oben abgesichert ist, dürfte das noch einige Zeit dauern.

François Bausch kennt die langen Wege der Entscheidungen bei seiner alten Arbeitgeberin, der „Bunn“, nur zu gut und kann nur hoffen, dass eine Legislaturperiode ausreichen wird, um die wichtigsten Vorhaben im Bereich der „mobilité douce“, wie er sie anlässlich der Jahresversammlung der LVI dargelegt hatte (siehe woxx 1250), umzusetzen. Die CFL-Direktion warnte er vorsorglich: Der noch nicht veröffentlichte, da noch in der Überprüfungsprozedur befindliche, Sektorplan Transport wird gesicherte Radabstellplätze an jedem Eisenbahnhalt zwingend vorschreiben.

Trambahn unter Beschuss

Doch auch im Dossier „Tram“ muss der für Verkehrsfragen zuständige Minister viel Überzeugungsarbeit leisten. Nachdem das Gesetz seines Vorgängers Claude Wiseler kurz vor dem Regierungswechsel deponiert worden war, schien der politische Konsens auf eine rasche Umsetzung hinzudeuten. Fränz Bausch setzte noch eins drauf, indem er ohne Verzögerung eine Verlängerung der vorgesehenen Linie zwischen Bahnhof und Kirchberg folgen lassen wollte. Die Tram sollte also möglichst bald zwischen dem neuen Standort des Fußballstadions und dem Flughafen Findel verkehren können.

Diese Pläne werden jetzt vor allem von CSV-Bürgermeistern aus den Randgemeinden angegriffen, da sie sich übergangen fühlen und eine finanzielle Beteiligung fürchten. Der Minister ließ dies zwar offiziell dementieren, doch die alte Kritik, eine Tram sei zu teuer für Luxemburg, flammt wieder auf.

Der neue Direktor der Handelskammer rechnete im Internetblog vor, dass das Land sich dieses Milliardenprojekt angesichts klammer Staatskassen nicht leisten könne. Das Gutachten der von ihm geleiteten Kammer viel dementsprechend negativ aus.

Fast gleichzeitig servierten der frühere Chef des hauptstädtischen Busdienstes, Georges Feltz, und der Finanzexperte Mathias Foehr (siehe woxx 1256) eine Spar-Alternative zur Tram: eine Seilbahn, direkt vom Hauptbahnhof hinauf zum „Héichhaus“ auf Kirchberg. Sie rechneten vor, dass ein solches System bei ähnlich hoher Kapazität nur „ein Zehntel“ der Kosten einer Tram verursachen würde.

Während Feltz die Seilbahn als „schnell zu verwirklichendes Transportsystem“ noch als Provisorium, für die Zeit vor der Fertigstellung der Tram , einstufte, machte Foehr aus seiner grundsätzlichen Gegnerschaft zu dieser keinen Hehl: „Das kostet jeden Luxemburger mehr als 2.000 Euro pro Kopf“, meinte er gegenüber der woxx.

Eine stattliche Zahl, könnte man meinen, doch eine Jahrhundert-Neuerung lässt sich auch über Jahrzehnte hinweg amortisieren, und so gesehen ist die Investition in die Trambahn im Vergleich mit anderen Vorhaben dieser und vergangener Regierungen durchaus tragbar.

Als Anfang des letzten Jahrhunderts der Bau des Pont Adolphe beschlossen wurde, beliefen sich die geschätzten Kosten auf die Hälfte des damaligen Staatshaushalts – mehr als hundert Jahre später bewirkt die provisorische Sperrung der Brücke ein mittelschweres Chaos, da sie einfach nicht mehr wegzudenken ist. Die Kosten und die Sonderstaatsanleihe von damals – wer denkt noch daran?

Heiner Monheim, emeritierter Trierer Verkehrsprofessor, der Luxemburg aus dem Effeff kennt, ist selber Anhänger von Seilbahnprojekten und Mitverfasser des Referenzwerkes „Planungshandbuch urbane Seilbahnen“, aus dem Jahre 2010. Er kann sich mit dem Vorhaben einer „Seelbunn“ auf den Kirchberg durchaus anfreunden, findet es aber wichtig, dass „dort nicht nur ein kleines Teilstück, sondern die Option eines Systems von Verlängerungen zu diversen Verkehrsschwerpunkten angedacht wird. Das ist sicher sinnvoll und gibt der Seilbahn dann einen deutlich höheren Verkehrswert.“

Allerdings sieht Monheim in der Seilbahn keine Konkurrenz zur Trambahn, die er immer noch für unverzichtbar hält, auch wenn er zunächst eher Anhänger der Vorgängerlösung BTB, also einer Train-Tram nach Saarbrücker oder Karlsruher Modell war. „Generell finde ich, dass die Luxemburger Debatte zum Schienenverkehr völlig verquer läuft“, äußert sich der immer noch aktiv als Verkehrsexperte agierende Wissenschaftler.

Die jetzt diskutierte Stilllegung der elektrifizierten Strecke in der Nordstadt, zum Beispiel, findet er bedenklich und sähe dort lieber eine städtebaulich bessere Integration und eine Verlängerung in Richtung Osten, sowie eine verbesserte Anbindung an die bestehende Süd-Nord-Strecke .

Seilbahn als Zusatz

Ihn ärgert, dass sein schon vor 20 Jahren dargelegtes Konzept, innerhalb des CFL-Netzes 20 bis 30 neue Haltepunkte anzulegen, nicht berücksichtigt worden ist. Auf nationaler Ebene habe die CFL die Funktion einer S-Bahn, könne sie adäquat aber nur erfüllen, wenn es genügend Haltepunkte an strategisch wichtigen Stellen gebe – vor allem auch grenzüberschreitend in Richtung Metz. „Das wäre wirklich ein Durchbruch für den Luxemburger Schienenverkehr“, so Monheim, der dazu auch noch mit geringem Aufwand erreicht werden könnte.

Für wichtiger als die von den Feltz und Foehr geplante Strecke Bahnhof-Hochhaus hält Monheim eine Seilbahn hinauf auf den Kirchberg, und zwar anstelle des geplanten Schrägaufzugs am „Pont-Rouge“. Schon bei der Vorstellung dieses neuen Haltes durch Minister Claude Wiseler im Jahre 2011 (siehe woxx 1130) hatte Monheim eine solchen Aufzug als technisch schlechte Lösung bezeichnet. Zwar sei dessen Kapazität auf den ersten Blick höher, weil größere Kabinen zum Einsatz kommen, doch habe bei der Gesamtleistung pro Stunde eine geschlossene Seilbahn, wie sie in Koblenz errichtet wurde, einen Vorteil. Den größten Vorzug sieht Monheim allerdings in der möglichen Weiterführung der Seilbahn über die gesamte Länge des Kirchbergs hinweg, da sie dann zum Teil andere Haltepunkte bedienen könnte als die Tram, auf die die NutzerInnen von dort aus gegebenenfalls umsteigen könnten.

Aber das Malheur bei alldem ist, so Monheims Kritik, dass in Luxemburg irgendwie immer nur Teilstücke und Einzelprojekte betrachtet werden, ohne Berücksichtigung ihres Zusammenwirkens: „Es macht also wenig Sinn, die Systeme gegeneinander auszuspielen, sondern man muss sie gut kombinieren und integrieren.“

Nach zwei Jahrzehnten intensivster Beschäftigung mit der hiesigen Verkehrspolitik, hat Monheim es aufgegeben, sich in Luxemburg einzumischen, obwohl er in der neuen Konstellation mit François Bausch als Minister deutlich bessere Chancen sieht.

Die zaghaften Gehversuche der CFL in Sachen M-Box dürften den Verkehrsexperten, der auch ein Verfechter einer stärkeren Verschränkung von ÖPNV und Radverkehr ist, wohl ebensowenig zufriedenstellen. In einem Punkt kann die nationale Eisenbahngesellschaft übrigens mit Spitzenleistung aufwarten: Sie verfügt über das zweitbeste Parkhaus Europas – so jedenfalls das auf der Flanke des CFL-Parkings in großen Lettern prangende Selbstlob. Vergeben wurde die Auszeichnung ausgerechnet vom deutschen Automobilclub ADAC – einem der größten Widersacher des ÖPNV in Deutschland.

Mehr zur M-Box unter http://mobiliteit.lu/mobilite.2.0/m-box.php


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