OLIVIER DAHAN: Graziös-kapriziöse Legende

„Grace of Monaco“, ein pompöses Biopic um die berühmte Fürstin Gracia Patricia, lief beim Wettbewerb in Cannes zum Glück außer Konkurrenz, denn außer bekannten Hollywoodstars hat der Film nicht viel zu bieten.

Prunkvolle Kostüme, reduzierte Handlung. Grace von Monaco (Nicole Kidman) und ihr Gatte Fürst Rainer III. (Tim Roth).

Es muss wie im Märchen gewesen sein: 1955, bei den Filmfestspielen in Cannes, lernt Fürst Rainer III. von Monaco die US-amerikanische Schauspielerin Grace Kelly kennen. Nur ein Jahr später folgt die Traumhochzeit zwischen dem Hollywood-Star und dem verschrobenen Fürsten – aus Grace Kelly wird Fürstin Gracia Patricia von Monaco. Kein Wunder also, dass für die Eröffnung der Filmfestspiele an der Cote d’Azur – der 67. – gerade dieser Film ausgewählt wurde.

Im Vorfeld hatte es allerdings gewaltig rumort: Nicht nur wurde der Starttermin wegen Streitereien zwischen Regisseur und Produzenten um die endgültige Fassung wieder und wieder verschoben, auch das Fürstenhaus schmollte und blieb demonstrativ der Premiere fern, ja rief sogar zum Boykott auf, sah es doch seine Familienehre durch den Film beschmutzt. Irgendwie auch kein Wunder, denn ähnlich wie einst in seinem Biopic über Edith Piaf (La vie en rose, 2007) zeichnet Regisseur Olivier Dahan auch hier das Bild einer widerspenstigen und lebenshungrigen Frau, die durch äußere Umstände in ein Korsett gezwungen wird. Grace will sich anfangs den Gepflogenheiten bei Hofe nicht anpassen und fristet so ein frustriertes Dasein. Die Schauspielerei fehlt ihr, und bei offiziellen Anlässen sagt sie unverblümt ihre Meinung, prangert etwa gegenüber Briten den Kolonialismus als mittelalterlich an oder erklärt bei ihrer karitativen Tätigkeit beim Roten Kreuz die Renovierung eines Heims für wichtiger als den alljährlichen Charity-Ball. Ein Vogel im goldenen Käfig, dem man die Flügel gestutzt hat. Wegen ihrer mangelhaften Französischkenntnisse ist sie auch nicht bei der heimischen Bevölkerung akzeptiert und wirkt bei öffentlichen Auftritten arrogant und gestelzt. Als Alfred Hitchcock ihr die Hauptrolle in dem Film „Marnie“ anbietet, der von einer Kleptomanin handelt, erscheint ihr das Angebot als der letzte Ausweg aus der Isolation. Doch da eine Rückkehr zur Schauspielerei den Ruf des Fürstenhauses gefährden würde, lehnt sie schließlich aufopferungsvoll ab und beschließt, eingeschüchtert durch die Intrigen am Hof und gestärkt durch den guten Einfluss eines Geistlichen, ihr Leben umzukrempeln und eine Fürstin der Herzen zu werden. So paukt sie fleißig Französisch, erlernt höfische Conduite und erobert bald die Herzen der EinwohnerInnen Monacos.

Obwohl Regisseur Dahan explizit betont, den Film als Fiktion angelegt zu haben, sind die Schlüsselereignisse eng an die Biographie der monegassischen Fürstin angelehnt. Nicole Kidman spielt die 1929 in Philadelphia geborene Grace Kelly, eine von Alfred Hitchcocks Musen, die 1955 für „Ein Mädchen vom Lande“ einen Oscar als beste Darstellerin gewonnen und danach ihre Filmkarriere prompt an den Nagel gehängt hatte, um sich ganz ihrer Rolle als Mutter und Fürstin von Monaco zu widmen. Knall auf Fall in eine überdimensionierte Welt fallen – das erfuhr auch Kidmann, als sie den Hollywood-Star Tom Cruise heiratete – mit 26 Jahren, demselben Alter, in dem Grace Kelly auf dem Höhepunkt ihrer Karriere stand. Die vielen Parallelen zu Kellys Leben hätten es ihr ermöglicht, die Rolle „mit Liebe und viel Zuneigung gegenüber der Figur“ zu verkörpern, betonte Kidman der Presse. Doch am Mangel an Empathie wird es sicher nicht liegen, dass „Grace of Monaco“ ein durch und durch trashiges Melodram geworden ist. Der historische Rahmen, die französisch-monegassische Krise vom Anfang der 1960er Jahre – rückt in den Hintergrund und wird vollkommen bruchstückhaft rekonstruiert. Frankreichs Staatspräsident de Gaulle muss seinen Krieg in Algerien finanzieren und fordert dafür die Steuereinnahmen des Fürstentums Monaco – da sich der Fürst jedoch weigert, blockiert Frankreich den Kleinstaat und droht mit einer Invasion. Natürlich ist es Grace, der es am Ende gelingt, den Konflikt zu beenden. „Ich glaube an Märchen“ verkündet sie am Abschluss unter Tränen in einer Rede vor dem Hochadel Europas anlässlich der Eröffnung des Rotkreuz-Balls und bringt die Versöhnung zuwege, indem sie rührselig ihre eigene Geschichte erzählt. De Gaulle sitzt natürlich auch an einem der Tische und ist hingerissen von ihr. Alle Konflikte sind am Ende aus dem Weg geräumt, denn Grace verzaubert alle. In einer letzten Einstellung sitzt sie auf der Terrasse ihres Palasts und lässt den Blick über das Meer schweifen. Ein Ausschnitt wie aus einem Werbefilm für eine Versicherung. Ob Kidman nun der Rolle der Fürstin gerecht worden ist oder nicht – so viel Kitsch hatte Cannes nicht verdient!

Im Utopolis Belval und Kirchberg.


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