EU-PERSONENKARUSSELL: Powerplay Round One

Europa hat gewählt, nun sind die Staats- und Regierungschefs dran. In Brüssel dreht sich nach der Wahl vieles um Köpfe, wenig um Inhalte.

So entspannt trat der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) während der Wahlkampagne selten auf. „Ich gehe vom Prinzip aus, dass ich damit beauftragt werde, die nächste Kommission zusammenzustellen“, sagte Jean-Claude Juncker am Wahlabend, als er zu später Stunde im Brüsseler Parlamentsgebäude erschien und ein Bad in der dort versammelten Journalistenmenge nahm. Im Interview im kleineren Kreis stellte er hernach fest, es könne arithmetisch keine Mehrheit ohne die EVP geben. „Auch nicht ohne die Sozialisten“, fügte er bereits zu diesem Zeitpunkt hinzu. Auf die Frage, ob er Angst habe, man könne nun auch in Brüssel eine Mehrheit ohne ihn und seine Fraktion bilden, sagte er zufrieden: „Diejenigen, die das in Luxemburg gemacht haben, haben heute die Antwort der Luxemburger Bevölkerung bekommen. Meine Partei hat sieben Prozent gewonnen und die Parteien der Regierung sind dramatisch in der Minderheit.“

Dass auch sein Kontrahent, Martin Schulz an diesem Abend für sich in Anspruch nahm, von nun an seine „ganze Energie darauf zu verwenden, eine Mehrheit zusammenzustellen“, irritierte nicht nur die anwesenden Journalisten. Immerhin bleibt die EVP trotz leichten Verlusten eindeutig die stärkste Fraktion im Europaparlament. Schulz` offensiver Kurs würde sich daher nur schwer aufrechterhalten lassen, wie man wohl auch in seinen Reihen ahnte. Zwei Tage nach den Wahlen trat der Fraktionspräsident der Europäischen Sozialisten, Hannes Swoboda, mit den Worten vor die Presse: „Wir haben vor den Wahlen gesagt, die Nummer eins soll den Auftrag bekommen, eine Mehrheit zu finden. Das sagen wir auch nach den Wahlen.“

Im sechsten Stock des Parlamentsgebäudes waren zuvor die Chefs der politischen Gruppierungen zusammengesessen und hatten über die Haltung des Parlaments in Sachen Spitzenkandidaten beraten. Nach einer knappen halben Stunde war man sich einig: Jean-Claude Juncker soll den Auftrag bekommen, Verhandlungen über eine Mehrheit aufzunehmen. „Wir erwarten vom Rat, dass er diesen Vorschlag annimmt“, unterstrich Swoboda noch. Neben ihm Martin Schulz. Wird er nun auf den Präsidentenstuhl verzichten? „Nein“, so seine Antwort, „dieser Beschluss heißt nur so viel, dass Juncker derjenige ist, der versucht, eine Mehrheit zu bekommen. Wenn ihm das nicht gelingt, ist der nächste dran.“

Überraschungen möglich

Es sei noch gar nichts beschlossen, betonte auch Rebecca Harms, die Chefin der Grünen und schloss nicht aus, dass es noch „zu einigen Überraschungen“ kommen könnte. Zu diesem Zeitpunkt glaubt schon niemand mehr, dass noch am Abend die Staats- und Regierungschefs auf ihrem informellen Treffen für mehr Klarheit sorgen werden. Am Ende bekam nicht Jean-Claude Juncker, sondern Ratspräsident Herman van Rompuy den Auftrag, Konsultationen einerseits mit den Mitgliedstaaten und andererseits mit dem Parlament aufzunehmen.

Dass diese diffuse Aufgabe mit ungewissem Ausgang dem Wähler nicht ganz leicht zu verkaufen ist, weiß auch Xavier Bettel. Im Luxemburger Pressesaal des Ratsgebäudes versuchte er es dennoch. Dabei fiel auffällig oft das Wort Kuhhandel. Diesen lehne er entschieden ab. Und, nein, die Kandidatur Jean-Claude Junckers sei nicht vom Tisch, betonte der Liberale. Nicht alle seien jedoch seiner Meinung gewesen, Juncker an diesem Abend ein Mandat zu erteilen. David Cameron etwa habe davon gesprochen, dass auch Frauen wichtige Posten übernehmen sollten. „Wäre heute abgestimmt worden, wüsste ich nicht, in welche Richtung das gegangen wäre“, fügte der Luxemburger Premier hinzu und sprach von einem Risiko, „dass Europa in zwei geteilt wird“. Nur eines konnte? Bettel dann doch noch klarstellen: Für den Fall, dass Juncker nicht Kommissionspräsident wird, werde Viviane Reding nicht Teil der Kommission sein. Die amtierende Luxemburger Kommissarin hatte wiederholt der Presse gegenüber ein Comeback in die Brüsseler Kommission nicht ausgeschlossen.

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