VERFASSUNGSREFERENDUM: Diese Suppe ess‘ ich nicht!

Die CSV ist gegen das für Juni 2015 vorgesehene konsultative Referendum zur Verfassungsreform, das in ihren Augen als Druckmittel missbraucht wird um die verfassungsmäßige Mehrheit im Parlament auszuhebeln.

Hier geht es zur Wahl: Mehrsprachige Hinweisschilder zum nächsten Wahllokal. So etwas wird es mit der CSV in näherer Zukunft sicherlich nicht geben.

„Persönlich würde ich mich für die Wahlen von 2019 einer teilweisen Öffnung des Wahlrechts zugunsten der Nicht-Luxemburger, unter klar definierten Voraussetzungen, nicht versperren. Nach meinem Gefühl müsste sich eine solche Beteiligung aber auf das aktive Wahlrecht beschränken.(…) Eine solche Reform des Wahlrechts würde allerdings eine Änderung der Verfassung voraussetzen und könnte somit auch einem Referendum unterworfen werden.“

Diese Aussagen stammen weder von einem der aktuellen Regierungsmitglieder noch von den Fraktions- oder Parteivorsitzenden der blau-rot-grünen Koalition. Sie wurden vielmehr auf einer (in Französisch abgehaltenen) Table Ronde, die von der Chambre de Commerce in Zusammenarbeit mit der Asti am 29. Januar 2013 organisiert worden war, vom damaligen Chamber-Präsidenten Laurent Mosar gemacht.

Inzwischen ist Laurent Mosar zwar nicht mehr Vorsitzender des Abgeordnetenhauses, doch sitzt er immer noch in der CSV-Fraktion und dürfte somit einige Probleme mit seinen KollegInnen bekommen. Die CSV-Fraktion hat am vergangenen Montag offiziell ihre ablehnende Haltung zu den Referendumsvorschlägen der Regierungskoalition bekanntgegeben. Sie sagt viermal Nein zu den am 22. September im Anschluss an eine erweiterte Regierungsklausur bekannt gewordenen Fragen, die in einem konsultativen Referendum dem Wahlvolk vorgelegt werden sollen. Deren genaue Formulierung muss zwar noch von der Kommission für die Verfassungsrevision ausgearbeitet werden, doch dürften sie etwa wie folgt lauten: Sollen 16- bis 18-Jährige das aktive Wahlrecht bekommen? Soll Nicht-Luxemburgern das aktive Wahlrecht zugestanden werden, wenn sie zehn Jahre im Land leben und sich bereits an einer Kommunalwahl oder Europawahl beteiligt haben? Soll der Staat weiterhin für die Löhne und Renten der Pfarrer aufkommen? Soll die Mandatsdauer von Regierungsmitgliedern auf maximal zehn aufeinanderfolgende Jahre limitiert werden?

Vier Fragen zur Verfassung

Bei dem Pressebriefing nach der Klausur hatten die Sprecher der Koalition bereits einige Präzisierungen oder Erläuterungen angebracht – etwa die, dass die Beschränkung der Mandatsdauer auch rückwirkend für die aktuellen Regierungsmitglieder gelten soll. Außerdem soll die Eintragung in die Wahllisten für die 16- und 17-Jährigen und die Nicht-LuxemburgerInnen freiwillig sein. Nicht explizit äußerte sich die Regierungsmehrheit zu diesem Zeitpunkt zu der Frage, wie lange ein ehemaliges Regierungsmitglied pausieren müsse, um wieder ein Ministeramt erlangen zu können – später wurde hierzu eine ganze Mandatszeit von mindestens fünf Jahren genannt.

Die vier zurückbehaltenen Fragen, erklärt LSAP-Fraktionschef Alex Bodry, umfassten jene Themen, bei der es in der Kommission zur Verfassungsreform auch nach zehn Jahren intensiver Arbeiten keinen Fortschritt gegeben habe. Anders gesagt: Bei der die CSV gemauert habe, obwohl auch schon zu einem früheren Zeitpunkt eine Mehrheit der Abgeordneten für derartige Reformen gewesen sei.

Des weiteren zeigten sich am 22. September die Koalitionäre bereit, zusätzliche Fragen in der Verfassungskommission zu debattieren, und riefen dazu auf, Vorschläge hierzu bis zur „ersten Oktoberwoche“ zu unterbreiten. Den anderen Parteien – aber auch interessierten Organisationen aus der Zivilgesellschaft – blieben somit knappe zwei Wochen. Die Ligue des Droits de l’Homme hat sich in einer kurzen Presseerklärung ebenfalls zu Wort gemeldet und eine breite öffentliche Debatte (sowie die Mittel dafür) gefordert.

Von den Oppositions-Parteien haben nur die Lénk Fragen, etwa zur Abschaffung der Monarchie, nachgereicht. Die ADR hatte von Anfang an klar gemacht, sich an einer unverbindlichen Fragerei dieser Art nicht beteiligen zu wollen.

Am Montag waren es dann der CSV-Fraktionsvorsitzende, Claude Wiseler, und sein Vorgänger im Amt, Gilles Roth, die der Presse erläuterten, weshalb die CSV nicht nur die vier von der Regierung eingebrachten Fragen mit Nein beantwortet, sondern sich auch der Abhaltung eines Referendums in der vorgesehenen Form verweigert.

Bezüglich der Einzelfragen beklagt die CSV das Fehlen von Präzisierungen, das befürchten lasse, dass nach erfolgtem Referendum nicht klar sein werde, wofür genau – oder wogegen – sich die Mehrheit denn nun ausgesprochen habe. Ebenso missfällt, dass für die unter 18-Jährigen oder für die ausländischen MitbürgerInnen, die die nötige Residenzdauer aufweisen, keine Wahlpflicht gelten soll. Oder dass die Auszeit für Minister in der entsprechenden Frage nicht eindeutig festgelegt ist.

Aber auch wenn präzisere Angaben nachgeliefert werden, was wohl spätestens im Laufe der Vorbereitung des Referendums durch die Verfassungskommission der Fall sein wird, will die CSV an ihrem Nein zu den vier Fragen festhalten.

Die Beteiligung der jüngeren MitbürgerInnen am politischen Geschehen könne über andere Instrumente als alleine das Wahlrecht erfolgen, wie durch eine Verstärkung der Rolle des Jugendparlaments oder anderer Gremien, in denen Jugendliche schon jetzt ihre Meinung kundtun können. Ein Ansatz, wie ihn so ähnlich auch die Menschenrechtsliga gewählt hat – aus der Befürchtung, eine Herabsetzung des Wahlalters könnte auch eine entsprechende der Strafmündigkeit nach sich ziehen.

Die Mandatsbeschränkung der Ministerämter auf zehn Jahre ist ebenfalls nicht nach dem Gusto der CSV. Wenn eine solche Beschränkung damit begründet wird, dass einem Minister in einem bestimmten Ressort nach zehn Jahren die Ideen ausgehen, sei nicht einzusehen, wieso er nicht in einem anderen Ressort doch welche entwickeln könnte. Außerdem stelle sich die Frage, ob dieses Prinzip bei der Nominierung des Premiers nicht eventuell von Nachteil sei: „Wenn der neue Premier vorher Minister gewesen ist, steht ihm dann nur eine Amtsperiode zu?“ so Wiseler, der sich verwundert zeigte, dass Mandatsträger einer Koalition, die noch nicht einmal zehn Monate im Amt ist, über Amtsmüdigkeit sinnieren.

Was die Frage zu den Pfarrergehältern und -pensionen angeht, so sei sie nicht die wichtigste in der Debatte über die Trennung von Kirche und Staat. Tatsächlich basiert die von den Koalitionären gewählte Formulierung aber genau auf dem aktuell gültigen Verfassungstext. Solange dort geschrieben steht, dass der Staat diese Ausgaben übernimmt, wird sich an dieser Regelung – die vor allem für die katholische Kirche einen erheblichen finanziellen Vorteil bedeutet – nichts ändern lassen.

Einbürgerung statt Wahlrecht

Obwohl Claude Wiseler die aktuell geführten Verhandlungen, die ja bereits unter dem früheren „ministre des cultes“ François Biltgen (CSV) begonnen hätten, als wichtig und richtig einstufte, wollte er sich auf Nachfrage der woxx nicht verbindlich dazu äußern, ob seine Partei im Endeffekt bereit sei, die fragliche Bestimmung aus der Verfassung zu streichen. Vielmehr gelte es abzuwarten, wie sich die Gespräche mit der Kirche entwickeln, um dann die entsprechenden Änderungen vorzunehmen.

Nicht zuletzt fanden dabei auch die „droits acquis“ der aktiven oder pensionierten Pfarrer Erwähnung. Wobei eine solche Streichung nicht unbedingt bedeutet, dass danach alle Zahlungen sofort eingestellt werden. Genau wie bei der Personalfrage, die sich im Zusammenhang mit der Einführung eines einheitlichen Werte-Unterrichtes stellt, wies anlässlich der Rentrée-Presskonferenz der LSAP-Fraktion am Mittwoch Fraktionschef Alex Bodry auf einvernehmliche Lösungen hin, die es bis dahin auszuhandeln gelte.

Am polemischsten zeigt sich die CSV in ihrer Reaktion auf die Frage der Beteiligung der AusländerInnen an den Legislativwahlen. Allein die Fragestellung, so Wiseler und Roth, gebe eine Steilvorlage für populistische und ausländerfeindliche Gruppierungen ab. Bislang seien entsprechende Parolen in Luxemburg zwar nur vereinzelt zu vernehmen, doch sei es gefährlich, in dieser sensiblen Frage in dieser Weise vorzupreschen.

Obwohl der Vorschlag der Koalition die Residenzdauer auf zehn Jahre ansetzt – und damit als wesentlich länger als die Aufenthaltsdauer, die derzeit für eine vollständige Einbürgerung vorgesehen ist -, versperrt sich die CSV diesem Lockangebot.

Wenn selbst dieser für die Verfechter einer aktiven Beteiligung der AusländerInnen am politischen Geschehen kaum akzeptable Kompromiss der CSV zu weit geht, wäre es wohl angebracht, dass die Regierungsmehrheit die Residenzdauer noch einmal überdenkt. Bei der eingangs erwähnten Debatte hatte der damalige Direktor der Handelskammer für wesentlich kürzere Fristen plädiert. Der hieß Pierre Gramegna und ist jetzt Finanzminister der aktuellen Koalition.

Aber einen Teilsieg hat die Koalition immerhin schon errungen: Um der Forderung nach einem Wahlrecht für AusländerInnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, schlägt die CSV vor, den Zugang zur doppelten Staatsbürgerschaft zu erleichtern, indem dort die Residenzklausel von sieben auf (zudem nicht mehr kontinuierlich aufeinanderfolgende) fünf Jahre beschränkt wird und die von vielen als zu schwer empfundenen Sprachentests vereinfacht werden. Das alles stand so schon 2008 in diversen Änderungsanträgen der damaligen Oppositionsparteien – und wurde von der CSV und dem damals noch nicht aufmüpfigen Koalitionspartner LSAP abgeschmettert.


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