POP: Zahmer Pop mit wildem Anspruch

Symmetrie ist für Lucius das A und O. Wer sich von der visuellen Präsentation der Band im Mod-Stil mit symmetrischen Haarschnitten und farblich abgestimmter Kleidung nicht ablenken lässt, den ziehen die symmetrisch anmutenden Harmonien der beiden Sängerinnen in ihren Bann.

Symmetrie als Verkaufsargument: Lucius.

Denn das ist das wirkliche Verkaufsargument der fünfköpfigen Band aus Brooklyn: der Gesang der Frontfrauen Jess Wolfe und Holly Laessig. Er erinnert an die Harmoniegesänge von Alternative Country Duos wie The Watson Twins oder an die 60er-Jahre-Girl- Group The Shangri-Las. Eingebettet in abwechslungsreichen, wenn auch nicht immer originellen Indie-Pop, der gerne mit dem der kanadischen Barock-Pop-Band Arcade Fire und der kalifornischen Pop-Rock-Band Haim verglichen wird, entsteht fröhlicher, oft zuckersüßer Pop mit zahlreichen 60er-Jahre-Elementen, schönen Melodien, tanzbaren Rhythmen und teils einfachen, teils vielschichtigen Arrangements.

Ein Grund, warum Lucius schon jetzt ein Begriff ist und über sie nicht nur in der Musikpresse viel gesprochen wird, ist, dass die gesamte Band am renommierten Berklee College of Music studiert hat. Hier trafen sich Jess Wolfe und Holly Laessig vor fast zehn Jahren auf einer Party und fanden heraus, dass sie dieselben musikalischen Vorbilder hatten. Aus dem spontanen Entschluss, eine Girl-Group-Version des White Album der Beatles aufzunehmen, entstand eine musikalische Freundschaft. In den folgenden neun Jahren änderte sich nicht nur die Musik der Band – von Electronic-Jazz zu Indie-Pop mit 60er-Jahre-Referenzen -, auch ihre Zusammensetzung wechselte. Heute spielen neben Wolfe und Laessig mit dem Schlagzeuger Dan Molad, dem Gitarristen Peter Lalish und dem Schlagzeuger und Gitarristen Andrew Burri drei weitere Berklee-Absolventen in der Band, die alle ebenfalls Gesangseinlagen beisteuern.

In dieser neuen Gesamtbesetzung hat Lucius, nachdem schon 2009 das eigentliche Debüt „Songs from the Bromley House“ erschienen war, Ende letzten Jahres ihr offiziell erstes Album „Wildewoman“ veröffentlicht. Obwohl der Name des Albums den musikalischen Inhalt, der aus eher zahmem als wildem 60er-Jahre-Pop besteht, nicht widerspiegelt, ist es ein Album, das aufhorchen lässt. Denn das Talent der MusikerInnen scheint durch alle klischeehaften Arrangements hindurch und macht es zu einem keinesfalls innovativen, aber definitiv süchtig machenden Gesamtwerk, das glücklich stimmt und die Hüften schwingen lässt. Mit seinen Girl-Band-Harmonien, den einfachen, wiedererkennbaren Melodien, den Gitarren-Riffs und den stampfenden Rhythmen ist Wildewoman ein Album geworden, das jeden noch so grauen Winter mit ein paar kräftigen Sonnenstrahlen aufheitert.

Bei einem Live-Auftritt der Band kann man sich außerdem auf die aufwändige visuelle Präsentation freuen, die oft das große musikalische Potenzial der Band zu überschatten droht. Wolfe und Laessig tragen gleiche Frisuren und Outfits im Mod-Stil und arrangieren ihre männlichen Band-Kollegen auf der Bühne so, dass eine beeindruckende Symmetrie entsteht. Und: Nicht jede Band leistet sich zwei Schlagzeuger! „Wir wollten die Symmetrie unseres Gesangs visuell repräsentieren,“ sagte Lässig in einem Interview. „Die Mod-Szene ist etwas, das uns schon immer fasziniert hat, aber auch etwas, an das wir uns nicht zwingend binden.“ Wer diesen symmetrischen, zahmen Pop mit einem Spritzer Wildheit live erleben will, hat dazu am kommenden Mittwoch die Gelegenheit.

Am 29. Oktober im Exit07


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