PRESSEPLURALISMUS: Am Abgrund

Die JournalistInnen-Gewerkschaft SJL sieht Arbeitsplätze im Medienbereich und ganz allgemein den Medienpluralismus in Gefahr.

Ob die kopernikanische Revolution zu echtem Sparen führt und sozial gerecht ist, soll an anderer Stelle diskutiert werden. Dass in den jüngst bekannt gewordenen 258 Sparvorschlägen der Regierung aber handwerkliche Fehler enthalten sind, dessen sind sich inzwischen auch Mitglieder der blau-rot-grünen Mehrheit bewusst. Allerdings noch ohne Konsequenzen: Zwar wird Schadensbegrenzung versprochen, doch das Paket aufzuschnüren, ist anscheinend tabu.

Das ganze Verfahren ist nach einem gar nicht so neuen Muster abgelaufen: Nachdem die Regierung ein halbes Tausend „Grausamkeiten“ zusammengetragen hatte, reduzierte sie diese auf 258 und machte sie dann Mitte Oktober zusammen mit der Budgetvorstellung als Gesamtpaket publik. Der Vorschlag stelle also bereits einen Kompromiss dar. An dem sei nicht mehr zu rütteln, jedEr müsse seinen Teil zu den Sparbemühungen beitragen.

Echte Kompromisse kommen aber nur zustande, wenn alle Betroffenen sich an einen Tisch setzen und sich auf eine für alle tragbare Lösung einigen. Das ist sicherlich nicht einfach und funktioniert längst nicht immer. Doch zumindest den Versuch ist es wert. Und wenn auch nicht alles zu Ende verhandelt werden kann, so erlaubt diese Methode doch wenigstens, die Auswirkungen einzelner Vorschläge genauer zu ermessen, da jeder seine Vorstellungen einbringen kann. So können Fehler und Inkohärenzen – vor dem endgültigen Zuschnüren des Pakets – erkannt und behoben werden.

Wie weit der Bogen der Eingeweihten beim Zusammenbasteln des kopernikanischen Kompromisses diesmal gespannt war, ist auch nach den Reden des Premiers und seines Finanzministers nicht genau zu erkennen. Dass man die Opposition nicht in alle Vorbereitungen und Zwischenverhandlungen einweiht, ist sicherlich Teil des normalen politischen Geschäfts. Aber wollte diese Regierung nicht transparenter und offener sein als frühere? Von der Einbeziehung der Zivilgesellschaft oder dem, was einmal „forces vives de la nation“ genannt wurde, ganz zu schweigen.

Doch auch Abgeordnete und sonstige Vertreter der blau-rot-grünen Erneuerungsfront tappen bei so mancher Maßnahme bislang im Dunkeln, was sie freilich nur hinter vorgehaltener Hand zugeben. Man kennt das ja: Knappe Parlamentsmehrheiten führen zu stärkerer Parteidisziplin und mensch will ja nicht gleich im ersten Jahr das frisch errungene Mandat aufs Spiel setzen.

Stattdessen wird nach der alten Methode verfahren: Da jetzt einige etwas lauter brüllen – nicht unbedingt in der Öffentlichkeit, aber doch schon mal in den Telefonhörer des Premiers oder der FachministerInnen – werden sie einzeln „zu Hofe“ bestellt und mit mehr oder weniger weitgehenden Zugeständnissen beglückt. So scheint es auch im Falle der „indirekten Pressehilfe“ zu laufen. Diese soll ja laut Zukunftspak in erheblichen Maße zurückgeschraubt wird und je nach Lesart sogar ganz verschwinden soll.

Ein abrupter Ausfall der staatlichen Anzeigen stellt für alle eine existenzielle Bedrohung dar.

Während die „promotion de la presse écrite“ auf einer für alle nachprüfbaren rechtlichen Basis beruht, die es seit den 1970er Jahren erlaubte, den Pressepluralismus in Luxemburg aufrechtzuerhalten, folgt die indirekte Pressehilfe – also das Schalten von Anzeigen durch den Staat – einem anderem, ungeschriebenen Gesetz.

Zwar ist das Volumen dieser Anzeigen bei der Tagespresse ein anderes als bei den politischen Wochenzeitungen. Und die Medien berechnen sie entsprechend den jeweils geltenden Anzeigentarifen – und die variieren, je nach Auflage, stark. Dennoch: diese Einnahmen sind ein festverbuchter Einnahmeposten. Ein ersatzloser Ausfall der staatlichen Anzeigen stellt für alle eine existenzielle Bedrohung dar – gerade nach Jahren des krisenbedingten Rückgangs im Bereich der privaten Anzeigen.

Es wäre also dringend notwendig, die betroffene Medienwelt – das sind die Herausgeber, aber auch die JournalistInnen-Verbände – gleichberechtigt in tragbare und gerechte Regelungen einzubeziehen. Dafür gibt es ein pluralistisch und paritätisch besetztes Organ, es heißt Presserat. Der Premier, der als Medienminister für die Bewahrung des Medienpluralismus verantwortlich ist, sollte sich vor dessen Plénière erklären, bevor folgenschwere Entscheidungen getroffen werden.


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