STRAFVOLLZUG: Konzeptionslos

Anlässlich der Vorstellung zweier Berichte fand Lydie Err deutliche Worte in Bezug auf die Zustände im geschlossenen Strafvollzug. Sie fordert den Ausbau alternativer Strukturen und mehr Transparenz.

An Alternativen zum Wegsperren sogenannter Straftäter und von der Gesellschaft zu „Kriminellen“ stigmatisierter fehlt es leider noch immer. Statt etwa die elektronische Fußfessel einzusetzen, die es in Luxemburg bereits seit 2007 gibt und die noch immer als Provisorium eingesetzt wird – dabei Häftlingen zumindest ein partielles Maß an Autonomie erlaubt – konkurrieren Strafvollzugsanstalten scheinbar in Methoden der Repression. Oder ist es einfach nur der Plan- und Konzeptlosigkeit der zuständigen Ressortminister zu verdanken, dass sich an den Zuständen in Schrassig, das nach wie vor ein Sammelbecken für Häftlinge und Minderjährige ist, noch immer nichts geändert hat?

In ihrer Funktion als externe Kontrolleurin für Einrichtungen, in denen Menschen Freiheitsrechte entzogen werden, als „Wächterin“ über Menschenrechte in geschlossenen Einrichtungen (siehe woxx 1208) und damit externe Kontrollinstanz (neben ihrer Rolle als Mediatorin) hat Lydie Err diese Woche die Ergebnisse zweier Berichte vorgestellt, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. So stellt Err in Bezug auf die „Unité de Sécurité“ (Unisec) fest, dass der hochmoderne Bau als Teil der Jugendhaftanstalt in Dreiborn zwar fertiggestellt sei, doch es gänzlich an einem Konzept fehle. „Es ist immer noch nicht klar, für wen die Unisec eigentlich vorgesehen ist“ meinte Err anlässlich ihrer Pressekonferenz. Auch an einer gesetzlichen Grundlage mangele es. Jugendliche landen so zum Teil noch immer in Schrassig, was ihre Kriminalisierung nicht selten befördern dürfte. Dass Minderjährige im berüchtigten Schrassiger Sammelknast nichts zu suchen haben, hatte Err bereits vor zwei Jahren klargestellt.

Neuer Jugendknast, kein Konzept

Und auch das „Ombuds-Comité fir d’Rechter vum Kand“ (ORK) äußerte sich im vergangenen Jahr in einem Avis besorgt in Bezug auf die Unterbringung von Minderjährigen im Unisec – noch fehle es an einer gesetzlichen Grundlage und an qualifiziertem Sicherheitspersonal. Wie dieses rekrutiert werden soll und welche Ausbildung dafür nötig ist, steht ebenfalls in den Sternen. Zwar sei die Unisec ursprünglich dazu gedacht, Jugendliche zu schützen, so die öffentliche Rhetorik zur Rechtfertigung des präventiv gebauten Jugendknastes, doch scheint der Konsens darüber, eine weitere geschlossene Einrichtung zu errichten, Vorrang vor konzeptionellen Überlegungen gehabt zu haben. Denn auch aus dem Gesetzesentwurf von Claude Meischs Vorgänger Spautz geht nicht hervor, für wen die hochmoderne Struktur eigentlich vorgesehen ist. So steht der für zwölf Plätze vorgesehene schicke Bau derzeit leer. Lydie Err appellierte auch an Ressortminister Meisch, den Gesetzestext schnellst möglich auszuarbeiten.

Ihre Empfehlungen von 2012 für den Jugend-Strafvollzug in Schrassig und Dreiborn seien hingegen größtenteils umgesetzt worden, lobte Err. So sei das medizinische Personal aufgestockt und getrennte Toiletten für die Isolationshaft geschaffen worden. Dass die Dauer der Einzelhaft allerdings noch immer nicht von zehn auf drei Tage heruntergesetzt wurde, obwohl die weiße Haft nicht nur Menschenrechtlern zufolge nur als Ultima Ratio angewendet werden dürfe, sei allerdings ein Missstand, der dringend behoben werden müsse. Auch die Weiterbildung des Personals in Sachen „Gewaltprävention“ und die Sexualaufklärung der InsassInnen ist nach Ansicht der Bürgerbeauftragten noch immer mangelhaft. In Bezug auf die Streichung des Ausgangs für Jugendliche fordert die externe Kontrolleurin mehr Transparenz, erfolge diese Sanktion doch bis dato über ein relativ undurchsichtiges Punktesystem.

Darüber hinaus wies Lydie Err auf die Situation besonders gefährdeter Randgruppen im geschlossenen Strafvollzug hin. Suchtkranke (rund ein Drittel), Homo- und Transsexuelle, Nicht-EU-Bürger, die keine der drei Landessprachen beherrschen, sowie insbesondere ältere Menschen gehören ihr zufolge zu den besonders von Stigmatisierung betroffenen Gruppen. Gerade für Letztere sind bisher keinerlei geriatrische Strukturen vorgesehen, noch besteht ein Angebot an sportlichen und alternativen Aktivitäten. Entsprechend forderte Err, die Einrichtung und den Ausbau von Therapieangeboten – auch für psychisch kranke Menschen.


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