OMBUDSFRAU: Das Recht sich zu beschweren

Anlässlich der Vorstellung ihres dritten Jahresberichts zog Lydie Err eine ernüchternde Bilanz und machte sich für eine bessere Kommunikation zwischen Verwaltungen und Bürgern stark.

„Seit der Gründung der Institution Ombudsman wurden lediglich die Hälfte der fünfzig an die Regierung eingereichten Empfehlungen umgesetzt“, bilanzierte Lydie Err und nannte einige konkrete Beispiele. Besonders am Herzen liegt der ehemaligen LSAP-Mandatsträgerin eine Empfehlung, die auf die Verkürzung der Verjährungsfrist von 30 auf 10 Jahren abzielt. „Nach mehr als fünf bis zehn Jahren kann niemand mehr beweisen, was wirklich in der Vergangenheit vorgefallen ist“, betonte die Ombudsfrau später in einem Interview. Bereits ihr Vorgänger Marc Fischbach hatte diese Empfehlung dem damaligen Justizminister François Biltgen vorgelegt, der sich auch positiv dazu äußerte.

Die Mediatorin wirft den Zuständigen vor, dass sie es meistens unterlässt, zu den Empfehlungen Stellung zu nehmen. Unter anderem aus diesem Grund setzt die Ombudsfrau sich für eine Reform der gesetzlichen Basis ihres Postens ein. Die Regierung sollte dazu verpflichtet werden, binnen drei Monaten auf die Empfehlungen zu reagieren. Auch für eine Ausweitung des Zuständigkeitsbereichs der Institution machte die Mediatorin sich zum wiederholten Mal stark. Neben öffentlichen Verwaltungen sollten auch öffentliche Dienstleistungsbetriebe, wie Schulen und Krankenhäuser, einer externen Kontrolle unterworfen werden. Am weitesten geht Errs Forderung, ihren Posten in der neuen Verfassung zu verankern. Das Recht auf kostenlose Beschwerden ist ihrer Überzeugung nach ein Menschenrecht und müsse auch als solches in der Verfassung zementiert werden.

Auch stellte die Mediatorin fest, dass viele Bürger sich noch immer nicht über ihren Aufgabenbereich im Klaren sind. Ursache dafür sei unter anderem, dass der Titel nicht geschützt ist und es keine geregelte Qualifikation gibt. „Médiateur“ könne jeder heißen. Der städtische Angestellte, dessen Aufgabe es ist, die Bürger über die verschiedenen Baustellen in der Hauptstadt zu informieren, führe zum Beispiel die Bezeichnung „Médiateur de la ville“. Ohne einen gesetzlichen Schutz ihres Berufsstandes würden die an der Luxemburger Universität eingeschriebenen Mediations-Studenten einer sehr ungewissen beruflichen Zukunft entgegenblicken.

Kommunikation stärken

689 Beschwerden gingen 2014 beim Büro des Ombudsman ein; gegenüber dem Vorjahr mit 707 Eingaben hat also fast keine Veränderung stattgefunden. Insgesamt konnten 535 Dossiers abgeschlossen werden, wobei es in 143 Fällen zu einer vollständigen Aufhebung des angefochtenen Bescheids kam. Besonders im Bereich der durch die Gemeinden ausgehändigten Baugenehmigungen sei der „taux de correction“ von 80% auf 50% geschrumpft. Err spricht sich in diesem Zusammenhang für eine bessere Kommunikation zwischen Gemeinden und Bürgern aus. Die Gemeinden hätten oft Probleme damit, den Betroffenen zu erklären, warum sie ihre Ansprüche nicht geltend machen können. So gingen viele Beschwerden bei der Ombudsstelle ein, die keine Chance auf Erfolg haben.

„Es gibt aber auch Fälle, in denen die Antwort der Verwaltung nach dem Gesetz berechtigt ist, das dadurch entstehende Resultat aber einfach nur dramatisch und inakzeptabel ist“, erklärte Err. In solchen Fällen könne der „Médiateur“ unter Berufung auf das „principe d’équité“ (Billigkeitsprinzip) eine Einzelfalllösung vorschlagen. Viermal habe sich die Ombudsstelle seit ihrer Gründung für eine solche Lösung ausgesprochen, allerdings sei sie jedes Mal verweigert worden – meist mit der Begründung, dass man keinen Präzedenzfall schaffen wolle. Dies zeige, dass viele Verwaltungen nicht genug über die Anwendungsbedingungen eines solchen Billigkeitsprinzips informiert sind. Laut Err kann nämlich diese Norm, die ohnehin nur in absoluten Ausnahmesituationen angewendet werden darf, ihrer Natur nach „nie zu einem Präzedenzfall führen“. Es sei wichtig, den Verwaltungen diesen Sachverhalt zu erklären, damit das Billigkeitsprinzip kein „nutzloses Werkzeug“ bleibt.


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