COMICS: Film ohne Budget

Der luxemburgische Comic-Zeichner Andy Genen ist ein relativ neues Gesicht in der – hier zu Lande – noch sehr kleinen Comic-Branche. Trotzdem hat er kürzlich sein Erstalbum „De leschte Ritter“ veröffentlicht.

ND Genen, so wie er sich selbst sieht und zeichnet: bunt und fantasievoll.

Die Kulisse wirkt wie gemalt. Weihnachtliches Schneegestöber hellt die Abenddämmerung auf die langsam durch die großen Fenster in dem schummrigen Escher Café dringt. Der Kaffee dampft und wie aus weiter Ferne klingen die Löffel in den Tassen, oder sind es doch die Rentiere im Himmel? Egal, denn Andy Genen ist sowieso in der Comicwelt zu Hause. Doch ein Traumberuf erfordet auch Kompromisse. Freischaffender Zeichner zu sein klingt eigentlich sehr gut. Aber abgesehen davon, dass ND – wie er sich schreibt – nie so richtig weiß wie viel Geld am Ende des Monats auf dem Konto steht, muss er öfters Dinge malen die nicht seiner Kreativität entsprechen. „Ich produziere auch Illustrationen für Firmenkataloge oder Sicherheitshinweise“, so der 26-Jährige. Ausgebildet wurde er – wo denn sonst – am Institut St. Luc in Brüssel, der europäischen Comichauptstadt, wo er auch heute lebt. Die Auftragszeichnerei stört ihn eigentlich nicht so, „denn es ist der einzige Weg, überhaupt als freischaffender Comiczeichner zu überleben“, erklärt Genen. Er hätte auch kein Problem damit, mal einen Ronald McDonald zu malen, fügt er grinsend hinzu.

Was aber nicht heissen soll, dass es einfach ist, auf Kommando malen zu müssen. „Es gibt Tage an denen mir nur eine Figur gut gelingt – und das ist dann meistens nicht die, die ich brauche – da muss man sich schon überwinden können“, sagt er.

Es ist ein weiter Weg von der passionierten Schulbuchkritzelei, die eine Flucht aus dem langweiligen Schulalltag ist, zum professionnellen Zeichner. Andy Genen hat es geschafft, aber trotz allem ist etwas konstant geblieben: Die Realitätsflucht. „Ich bin ein Comic-Purist: Ich kann einfach nicht aufhören, über Comics nachzudenken. Wenn ich zeichne, bin ich so versunken wie ein Kind, das im Sandkasten mit seinen GI-Joe Action-Figuren spielt.“ Aber dies ist und bleibt nur ein Aspekt seines Berufs. „Comics zeichnen ist wie einen Film ohne Budget drehen. Die atemberaubenden Effekte und riesigen Kulissen kann ich selbst zaubern und je nach meinem Geschmack verändern“, beschreibt Genen seinen Beruf.

Apolitischer Purist

Um einen Comic zum Leben zu erwecken, bedarf es aber mehr als nur der Liebe zum Zeichenblatt: Der Zeichner muss die Figuren so gut kennen, dass er sie auch im Schlaf malen könnte, und das aus allen möglichen Perspektiven. Das ist der Hauptunterschied zur „herkömmlichen“ Malerei, die Wiederholung. Und dann gibt es auch noch den Szenaristen, der die Geschichte eigentlich schreibt. Meistens ist das jemand, der nicht malen, aber dafür sehr gut in Bildern denken kann. Die Zusammenarbeit mit dem „Superjhemp“-Szenaristen Lucien Czuga beschreibt der Zeichner als sehr harmonisch. Praktisch gesehen lief es darauf hinaus, dass die beiden alle zwei Wochen zusammentrafen; bei diesen Treffen wurden jeweils die zwei nächsten Seiten besprochen. „Czuga gab mir enfach an, was auf den Seiten geschehen sollte und ich konnte diese so gestalten wie es mir gefiel“, so Genen. Dies sei aber nicht immer der Fall bei einer Zusammenarbeit zwischen Zeichner und Szenaristen. „Normalerweise kriegst du einen festen Plan, in dem schon alle Dialoge, Figuren und Positionen in kleinen Kästchen skizziert sind. Alles was du dann noch brauchst, ist malen.“, schildert er. Die mehr oder weniger freie Arbeit am Zeichnerpult ist dann nur noch pures Abtauchen in eine Welt, die Genen zwar ständig im Kopf mit sich herumträgt, aber immer wieder aufgearbeitet werden muss, um zu leben. „Ich zeichne die Figuren herkömmlich mit Bleistift und Tusche, nur für das Ausfüllen der Flächen benutze ich ein Computerprogramm.“ Das erspart vor allem den dritten Mann im Bunde, den Koloristen, der normalerweise bei der Entstehung eines Comics für die Farbflächen zuständig ist. Und das computer-unterstützte Malen gibt seinem Comic auch einen eigenen Charme, grenzt ihn dabei noch mehr von herkömmlichen Stilen ab als der Inhalt an sich.

Nachdem Andy Genen schon im vorletzten „Superjhemp“-Album eine Seite einfügen konnte, lag die Zusammenarbeit mit Czuga in der Luft. Nur eine Figur musste her. Anfangs planten die beiden noch die Agentenstory, die im „Superjhemp“ angerissen worden war, weiterlaufen zu lassen. Aber schlussendlich einigte man sich auf eine typisch luxemburgische Figur: Jang de Blannen.

So kann der Comic auch im Windschatten des allseits beliebten Kachkéis-Superhelden surfen, ohne das gleiche politische Gag-Potenzial des Kuddelfleck-Klassikers aufzuweisen. Das liegt vor allem an den Vorlieben des Zeichners: Zwar ist der Bösewicht in seinem Band ein skrupelloser Immobilienhai, aber „ich würde nie mit der Politpresse zusammenarbeiten, das interessiert mich einfach nicht“, gibt der Purist zu verstehen.

Aber warum eigentlich einen Helden erfinden, der luxemburgischer gar nicht sein könnte? – „Es stimmt zwar schon, dass du nicht nach Luxemburg zu kommen brauchst, um einen guten Comic zu finden“, erklärt Genen und fügt hinzu, dass er trotzdem nirgendwo sonst so schnell ein eigenes Album herausbringen hätte können als hier. Hier in Luxemburg, wo es eigentlich nur einen Superhelden gibt.

Die Nähe zu „Superjhemp“ liegt aber nicht nur am gemeinsamen Szenaristen sondern auch daran, dass beide beim gleichen Verlag erschienen sind. Die „Editions Revue“ scheinen ihre Monopolstellung auf dem Luxemburger Comic-Markt wohl nicht aufgeben zu wollen.

Contern kontern

Und das obwohl die Luxemburger Comic-Welt eigentlich groß und vielfältig ist. Das BD-Festival in Contern holt alljährlich einige der besten Comic-Zeichner der internationalen Szene nach Luxemburg. Aber das ist für Andy Genen schon eine Nummer zu groß und zu international. Deshalb haben er und einige Comic-Fans der Vereinigung „Comicline“ eine kleine Gegenbewegung gestartet und die Webseite www.comicportal.lu ins Leben gerufen. Diese wurde auch letztes Wochenende in Esch-Alzette offiziell vorgestellt. Hier kann sich der Comic-Liebhaber von allem einen Strip abschneiden. Es gibt Foren in denen die letzten Alben besprochen werden, virtuelle Galerien in denen junge oder schon erfahrerene ZeichnerInnen ihre Talente mitteilen, sowie Artikel und eine ganze Menge Links. „Das Feedback ist momentan aber leider nicht so toll“, meint Genen. Das liege auch daran, dass der Markt überflutet wird von Comics, und so immer mehr Angebot als Nachfrage bestehe. „Allein wenn man die verschiedenen Formate und Gattungen aufzählen will, wird einem schwindelig: es gibt Fantasy-Comics, die amerikanischen Superheldenlegenden, die europäischen Klassiker. Nicht zu vergessen das riesige japanische Manga-Universum, das an sich schon wieder hunderte verschiedene Unter-Gattungen hat.“

Der Comic ist ein Genre, das sich ständig neu erfindet, und neue Wege beschreitet. Wer sich einmal auf der Comicportal-Webseite umschaut, wird auch in der Link-Sektion schnell fündig. Der neueste Renner sind die Online-Comics, die meistens nur eine Seite haben oder in blogs wachsen und so zusammenhängende Geschichten bilden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand: Der Zeichner braucht sich keinen Verleger zu suchen und kann unabhängig produzieren. Aber das interessiert ND nicht so: „Meine künstlerische Freiheit wurde noch nie beschnitten und ehrlich gesagt: Ich bin kein Fan des Underground“.

„De leschte Ritter“, von Lucien Czuga und ND Genen, erschienen bei „Editions Revue“, Preis 9,75€, im Buchhandel erhältlich.


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