HARDCORE: Unsigned und hoffnungsvoll

Zwölf Jahre Bandgeschichte, mehr als zehn veröffentlichte Tonträger und etwa 11.000 verkaufte Platten: Die Hardcore-Legenden von Defdump sind und bleiben die erfolgsversprechendste musikalische Referenz aus Luxemburg.

Luxemburgs beste Auslandsrepräsentation in Sachen Hardcore: Defdump.

Angefangen hat diese beeindruckende Erfolgsgeschichte im ehemaligen besetzten „Schluechthaus“ (heute: Escher Kulturfabrik), als sich Anfang der 90er Jahre fünf Musiker dazu entschlossen, eine Band zu gründen, um sich regsam in eine einheimische Musikszene einzumischen, die zu dieser Zeit aus nur sehr wenigen politischen, wenn nicht gar anarchistischen Persönlichkeiten (Bakunin’s Children, No More, Subway Arts, Wounded Knee u.a.) zusammengestellt war. Die sich dazu verpflichtet fühlten, sich einem bedrohenden kapitalistischen Weltsystem entgegenzustellen. Seitdem hat sich die luxemburgische Musikszene stark entpolitisiert, ohne aber deshalb in die Bedeutungslosigkeit zu verfallen. Viele ehemalige Mitglieder der obengenannten Bands sind heute in verschiedenen kulturellen Institutionen oder neuen Bands aktiv.
Die erste vollständige Veröffentlichung von Defdump erschien im Jahr 1997 auf dem hauseigenen Label „Angry Family Records“(später: Self-fulfillment Records). Das Album „Hempcore“ dieser recht jungen, dennoch dynamischen Musikformation, ließ neben wohl durchdachten sozialkritischen Slogans jedoch viel Platz für peinliche Jugendsünden.

Keine Hobby-Musiker3-f*
Die Musiker von Defdump wurden schnell erwachsen und schon sehr bald folgte jene Veröffentlichung, die für die Weiterentwicklung von Defdump ausschlaggebend war: „Circle’s Closing“ Ein atemberaubendes Konzeptalbum, das von der internationalen Musikpresse über den grünen Klee gelobt wurde, blieb für das weitere Schaffen von Defdump konstitutiv. So erschien im Jahr 2001 der zweite Longplayer „David versus coporate society“, vermutlich die erfolgreichste Scheibe von Defdump mit über 5000 verkauften Exemplaren in der ganzen Welt. Nun war klar: Luxemburg hatte in Defdump, rund um Pascal Useldinger (Gesang), Marc Pierrard (Gitarre), Felix Faber (Bass) und Dirk Mechtel (Schlagzeug), eine der einflussreichsten Bands überhaupt gefunden, die auch im Ausland stets für Aufsehen sorgen konnte. So ließ auch Max Cavalera, Frontman von Soulfly und Ex-Sepultura, Metal-Legende aus Brasilien, der vor kurzem die Rockhal zum Beben brachte, nicht lange auf sich warten. Mit einer simplen Geste machte er mehr Promotion für die jungen Luxemburger als es jede massive Flyer-Kampagne je erreicht hätte: Während eines Photoshootings für das renommierte Musikmagazin „Rock Hard“ ließ er sich mit einem übergestreiften Defdump T-Shirt ablichten. Bald folgte die Europa-Tour, auf der die Luxemburger Protagonisten das Vorprogramm von Soulfly bestreiten durften. Die Euphorie wurde jedoch durch den völlig unerwarteten Ausstieg des Schlagzeugers gebremst und so fanden sich die Musiker von Defdump ohne jegliche konkreten Zukunftspläne im Probesaal wieder und warteten mehrere Wochen auf einen geeigneten Ersatz. Bis zu jenem Tag, als sie durch Vincent Orianne aus Belgien (Ex-Schlagzeuger von N.I.C.D.) wieder vervollständigt wurden. Ein paar Monate darauf erschien die Platte „Makeshift Polaris (known as Defdump)“, die sozusagen als Probeveröffentlichung mit neuem Mitglied im Gepäck angesehen werden kann.

Unterstützung aus Brasilien
Dennoch stand für die verbliebenen Musiker von Defdump fest, dass sie mit dem neuen Schlagzeuger einen treuen Gefährten gefunden hatten, der die Erfolgsgeschichte der Band weiterhin mittragen kann. Nun sitzen Defdump nach intensivem Songwriting erneut hinter den Regeln und werkeln an ihrer aktuellen Scheibe, die voraussichtlich im Juli 2006 auf den Markt geworfen wird. Defdump haben sich selbst zu verstehen gegeben, dass man als lokale Band sehr viel Durchhaltevermögen aufzeigen muss, um überhaupt bestehen zu können. Denn eines ist wohl klar: es gibt nur wenige lokale Labels, bei denen man die Möglichkeit einer erfolgsversprechenden Zusammenarbeit erhält, nur begrenzte Auftrittmöglichkeiten und ein minimales potentielles Publikum im eigenen Land. Gerade deswegen können und wollen Defdump sich nicht ausschließlich dem nationalen Musikmarkt verpflichten. Dies heißt im Klartext, dass die Musiker alles aus eigener Tasche finanzieren und auf eigene Kontakte im Ausland zurückgreifen müssen, um so die bestmöglichsten internationalen Konzertangebote zu erhalten, um eines Tages doch noch ihre langersehnten Träume zu verwirklichen: von der eigenen Musik leben zu können. Anläßlich letzterer Aussage scheint wohl die Mehrzahl der Luxemburger Musiker für alle Ewigkeit dazu verdammt zu sein, ihr liebstes Hobby als aufreibendes und teures Unterfangen anzusehen. Unter diesen Umständen ist das Schreiben von Musik mit aufwändiger Arbeit verbunden – ein fast zu hoffnungsloser Umstand, der von zahlreichen Kritikern arg unterschätzt wird, und so scheint es, als ob auch Defdump weiterhin das Schicksal ertragen müssen, im Semi-Professionalismus zu verharren.
Den rettenden Vertrag mit einem Major-Label zu unterschreiben, bleibt für Defdump jedoch außer Frage: ihre Musik ist und bleibt den altgewährten Regeln des d.i.y. (Do It Yourself) bis auf Weiteres treu. Dennoch gibt es genug Gründe, sich des Optimismus zu erfreuen: „Die wenigen Vorteile, in Luxemburg geboren und aufgewachsen zu sein, liegen auf der Hand: eine mögliche Karriere jeder lokalen Band liegt immer noch jenseits unserer Grenzen“, so die resignierten Worte von Pascal Useldinger während des woxx-Gesprächs. Defdump werden sich auch in Zukunft darum bemühen, die entsprechenden Kontakte im Ausland zu knüpfen, um auch weiterhin in der internationalen HC-Musikszene konkurrenzfähig zu bleiben. Die Sternekonstellation für ein solches Unternehmen stehen ohne Zweifel günstig: mit mehr als 300 Konzerten rund um den gesamten Erdball hat sich Defdump über die Jahre hinweg eine treue Fangemeinde aufgebaut und so darf man ohne Weiteres schlussfolgern, dass diese lokale Musikformation als eine der einflussreichsten Bands Luxemburgs gezählt werden darf. So ist es nicht verwunderlich, dass Defdump erneut, vom 17. bis zum 21. März 2006, mit der international anerkannten Hardcore- und Metalband Soulfly auf eine mehrtägige Tour durch Frankreich ziehen, um dem ausländischen Publikum zu vermitteln, dass sich auch in Luxemburg eine Musikszene verbirgt, die es zu erforschen gilt.
Auf die neue Platte dürfen wir auf jeden Fall gespannt sein. Nur eins vorweg: zu erwarten ist eine frische Sommerbrise in einem geschmackvollen Lärminferno das sicherlich wieder einmal zahlreiche einheimische, aber auch internationale HC-Kids erfreuen wird. Wo aber der langersehente Longplayer erscheinen und wer ihn veröffentlichen wird, wurde zum Zeitpunkt des Gesprächs nicht verraten.
Einen Pflichttermin für all diejenigen, die die geballte Energie der lokalen Pioniere der Luxemburger Post-Hardcore-Szene noch nicht live erlebt haben, gibt es jedoch an diesem Freitag Abend, den 3. März 2006, auf dem von dem Schalltot Kollektiv und der Escher Kulturfabrik organisierten Out Of The Crowd Festival in Esch/Alzette: Defdump werden voraussichtluch gegen 22.30 Uhr auf der Bühne stehen und dem lokalen Publikum ihre neuproduzierten Songs präsentieren.

www.schalltot.lu, www.kulturfabrik.lu, www.defdump.com


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