LIBERALISIERUNG: Der Zug rollt, aber wohin?

Bahnreformen sind europaweit geplant. Dabei zeigt nicht nur das Beispiel der Deutschen Bahn, wie eine Liberalisierung ins Abseits führen kann.

Die Deutsche Bahn AG, das stellte eine Meinungsumfrage vor kurzem fest, ist das meist gehasste Unternehmen in Deutschland. Und das dürfte nicht übertrieben sein. Unzählige Verspätungen, ein undurchsichtiges Preissystem mit Nachteilen ausgerechnet für die ehemalige Stammkundschaft der PendlerInnen, der Abbau von Regionalverbindungen für den Personal- und für den Güterverkehr sowie massiver Stellenabbau haben dem Image der Bahn seit der Privatisierung im Jahr 1994 erheblichen Schaden zugefügt. „Sieben Todsünden“ zählte denn auch PDS-Mitglied und Verkehrsexperte Winfried Wolf bei seinem Vortrag im Casino Syndical des FNCTTFEL-Landesverbandes in Bonneweg am vergangenen Mittwoch auf. Und er nannte die Verantwortlichen: Die säßen allesamt im Top-Management der Bahn AG und im deutschen Verkehrsministerium.

Für eine Sünde kann der Ex-Airbus-Manager und heutige Bahnchef Hartmut Mehdorn direkt nichts, wohl eher die Verkehrsminister früherer Bundesregierungen, gleichwohl ist sie die strukturelle Bremse in Sachen Bahn: Im Gegensatz zum Straßen- und Luftverkehr wird die Schiene systematisch benachteiligt, denn der Schienenverkehr ist die einzige Verkehrsart, bei der die BetreiberInnen im vollem Umfang für den Verkehrsweg verantwortlich sind. Das heißt, Wartung, Instandsetzung, Neulegung etc. liegen bei der Bahn, Straßen- und Luftverkehr sowie Binnenschifffahrt hingegen müssen solcherlei Kosten nicht übernehmen. Letztere sind dazu noch – anders als die Bahn – von der Mineralölsteuer und auch von der Ökosteuer weitgehend befreit. Da die Bahn AG sich zunehmend auf die Hauptstrecken und insbesondere auf lukrative Geschäftsreisende konzentriert, Nebenstrecken aber vernachlässigt, outsourct oder ganz schließt, wird sie gerade für die Masse der FahrerInnen, die PendlerInnen, immer unattraktiver. Und nicht nur das: Durch die massive Stillegung spezieller Industrie-Gleisanschlüsse bleibt auch der Güterverkehr auf der Strecke – eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich derzeit in Luxemburg ebenfalls ab.

Die Hauptziele der seit mehr als zehn Jahren laufenden Bahnreform, mehr Produktivität, mehr Kundenfreundlichkeit und besserer Modal Split, wurden damit komplett verfehlt, meint Wolf zu Recht, der zudem eine regelrechte Verschwörung von Ex-Auto- und Luftfahrtmanagern hinter dem Niedergang der Bahn vermutet. Die aber hätte von willigen Verkehrsministern verhindert werden können – der Staat ist Hauptanteilseigner der Bahn AG. Stattdessen darf die Bahn wieder Riesen-Verluste einfahren, rund 8,5 Milliarden Euro allein im Zeitraum 1994 bis 2001, und sie wird im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern immer unattraktiver. Ein Schicksal, das sie mit anderen Privatisierungsopfern teilt: dem US-amerikanischen Bahnunternehmen „Amtrak“ etwa oder den „British Rail“, das in den vergangenen Jahren mit gehäuften Unfällen und nie da gewesenen Verspätungen von sich reden macht.

Kein Wunder also, wenn „Privatisierung“ und „Liberalisierung“ auch für das luxemburgische Zugpersonal Reizwörter sind und ArbeitnehmervertreterInnen entsprechend argwöhnisch in die Verhandlungen mit der CFL-Direktion gehen. Zu unklar ist bislang, was die CFL wirklich plant, ob nicht auf schlechte Arbeitsbedingungen für das Personal weitere Einschnitte im Bahnangebot folgen werden. Schon seit Jahren mahnt der Landesverband beispielsweise die einseitige Ausrichtung des Gütertransports auf den Großkunden Arcelor an, dabei deuten aktuelle Entwicklungen eher auf eine düstere Zukunft des hiesigen Stahlsektors hin.

Doch ungeachtet aller vorgetragenen Bedenken und warnenden Beispiele – die jüngste Pleite der einst als vorbildlich gepriesenen privatisierten schwedischen Bahn SJ Ende vergangenen Jahres nicht zu vergessen -, der Liberalisierungszug fährt ungebremst mit europäischer Unterstützung weiter. Anfang dieses Jahres billigte das EU-Parlament in Straßburg das zweite Gesetzespaket zur Liberalisierung der EU-Güterbahnen. Da hilft nur eines: querstellen!


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