ESCH 2006: Wie man in die Stadt ruft …

Paul Kuffer, Koordinator der Jahrhundertfeier in der Minettemetropole, über Konzepte, Kommunikationsschwierigkeiten und Nachhaltigkeit in Esch.

Paul Kuffer fehlt es an Reaktionen von den Escher Bürgern.

woxx: Herr Kuffer, wenn man so durch Esch spaziert, merkt man relativ wenig davon, dass die Stadt hundert Jahre feiert. Gibt es gerade keine Events, oder lieben Sie es eher diskret?

Paul Kuffer: Das ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass ich diese Bemerkung höre. Ich will hier bloß dran erinnern, dass im Vergleich die Festlichkeiten zum fünfzigsten Geburtstag der Stadt im Ganzen nur fünf Wochen gedauert haben. Wir feiern ja auch nur einen Geburtstag, das heißt den 29. Mai, um genau zu sein. Nach den Eröffnungsfeierlichkeiten am 14. Januar, dachten wir, dass es nicht viel Sinn machen würde, jetzt schon die Stadt überall zu dekorieren. Da kommt einfach – auch wetterbedingt – nicht die richtige Stimmung auf. Ab Mai werden die Leute es stärker mitbekommen, dass dieses Jahr ein Spezielles ist. Dann wird die Alzette-Strasse dekoriert und auch in den anderen Stadtvierteln und Straßen werden Zeichen sein. Natürlich wird auch der Site der „Nonnewisen“ seine Rolle spielen. „Esch Plage“ wird die Leute ebenso anziehen, wie die Themenpavillons, die dort gerade entstehen. Im Mai und im Juni werden wir jedes Wochenende etwas für die Escher zu bieten haben.

Was denn zum Beispiel?

Inhaltlich geht es um drei Dinge: Zum einen werden wir einen historischen Rückblick machen, zum anderen wollen wir zeigen, wie Esch momentan funktioniert und den Leuten nahe bringen, wie die Stadt in fünf bis zehn Jahren aussehen könnte.

Werden die Projekte über das Jubiläumsjahr hinaus Bestand haben?

Nachhaltigkeit ist etwas auf das wir einen großen Wert legen. Wir wollten weder die Vergangenheit noch die Zukunft, und auch nicht die verschiedenen Minderheiten die hier zusammenleben zu kurz kommen lassen.

Das als nachhaltig beschriebene Projekt des „Parc du Centenaire“ ist ja nicht unumstritten. Zum Beispiel bemängelte der Gemeinderat André Hoffmann (Déi Lénk), dass die Stadt Esch von der Arcelor über den Tisch gezogen würde. Die geplante Galerie dürfe nur 2006 und 2007 von der Stadt genutzt werden, während die Stadt für die nächsten 49 Jahre den Unterhalt gegen eine lächerliche Miete von 1.000 Euro garantieren muss. Wie sind denn die Beziehungen zur Arcelor?

Wenn man mit solchen Giganten verhandelt, sitzt man meistens am kürzeren Hebel. Da habe ich auch als Koordinator nicht viel damit zu tun, die Verhandlungen fanden zwischen dem Konzern und dem Schöffenrat statt. Ich war nur von Zeit zu Zeit dabei, um auf dem Laufendem zu bleiben, hatte aber wirklich nicht viel Einfluss.

Glauben Sie denn, dass Esch ein gutes Geschäft gemacht hat?

Ich glaube, so lange die Pavillons und die Galerie noch nicht stehen, sollte niemand darüber urteilen. Ich sehe das auch eher als Aussenstehender, obwohl ich ja teilweise in dem Projekt impliziert bin. In meinen Augen wird es sicher ein fantastischer Anziehungspunkt für Esch, der auch sicher noch lange erhalten bleiben wird. Von meinem Standpunkt bin ich schon froh, dass die Arcelor dies für die Stadt tut.

Die sichtbarsten Programmpunkte der letzten Zeit sind die beiden Konzerte von Sting und Barbara Hendricks. Was haben diese Events denn nun konkret mit der Stadt Esch zu tun?

Man muss dazu sagen, dass wir „nur“ hundert Jahre Stadternennung feiern. Im Gegensatz zu anderen Städten, die schon 5.000 Jahre auf dem Buckel haben, ist das wirklich nicht viel. Das heißt, dass wir die Leute nicht nur mit Geschichte und Vergangenheitserklärung bombardieren wollten. Wir haben zwar eine große Ausstellung und auch ein Buch zur Jahrhundertfeier, aber wir werden nicht nur diesen Aspekt beleuchten.

Man hätte jedoch auch eine große portugiesische Sängerin einladen können oder jemand anders, der mehr die Bevölkerungsstruktur reflektiert.

Meine Antwort ist ganz klar: Ich bin nur Koordinator. Und der Gemeinderat ist im großen Sinne auch Teil der Koordination. Wir organisieren, finanzieren und koordinieren. Aber es ist nicht unsere Mission, den Gemeinschaften und Klubs vor zuschreiben, was sie zu tun haben. Ich werde niemandem vorgekaute Ideen präsentieren, ihm den Ort, die Deko vor die Nase stellen, dann noch einen Grill besorgen und sagen: Es ist angerichtet, ihr müsst nur noch die Würstchen umdrehen. Wir haben letztes Jahr – und seitdem noch drei mal – alle 300 Escher Klubs und Gesellschaften angeschrieben und sie gebeten, ihre Ideen und Projekte für Esch 2006 einzureichen. Wenn ich dann feststelle, dass sich von den 300 Organisationen, nur ungefähr acht gemeldet haben, dann will ich nicht, dass mir vorgeworfen wird, ich würde kein angemessenes Programm bieten. Es ist ja nicht der Schöffenrat, der hundert Jahre alt wird, sondern die Stadt. Die Escher müssen sich darüber Gedanken machen, wie sie sich präsentieren wollen.

Woran liegt es denn Ihrer Meinung nach, dass die Feierlichkeiten in Esch 2006 bis jetzt lediglich ein so schwaches Echo erhalten haben?

Das weiß ich auch nicht, würde es aber gerne herausfinden. Wir haben jeden angeschrieben, viel mehr können und wollen wir auch nicht tun. Als Auswärtiger Nicht-Escher, habe ich das Gefühl, dass hier jeder, auch die ausländischen Gemeinschaften unter sich kleine Feste organisieren will und sich niemand wirklich für den anderen interessiert. Da gibt es keine Synergien. Ich glaube, wenn man das ändern will, kann das nicht in ein paar Monaten geschehen. Das wäre eine Arbeit, die auf Nachhaltigkeit basieren sollte, und die auf mehrere Jahre angesetzt sein müsste. Nebenbei bemerkt, ist es nicht die Aufgabe der Jahrhundertfeier, all dies durchzuboxen.

Wären die Feierlichkeiten denn keine gute Gelegenheit, diese Probleme anzugehen?

Sicher, wir haben auch Projekte am Laufen, die über unsere eigentliche Aufgabenstellung hinausgehen. Wir rufen betroffene Organisationen, wie zum Beispiel portugiesische Kulturvereine, jetzt dazu auf, wenigstens einen kleinen Beitrag zu leisten. Aber ich werde nicht müde zu betonen, dass es an den Organisationen selbst ist, Projekte einzureichen und wir kümmern uns dann, so gut es geht, darum diese zu realisieren. Ich weiß auch nicht, welche Anreize fehlen, schließlich erhält jedes Projekt, das spezifisch auf Esch 2006 gemünzt ist, eine doppelte Subvention.

Es gibt ja auch noch andere kulturelle Akteure in Esch, wie die Kulturfabrik, die Rockhal oder das Theater. Inwiefern gibt es da eine Zusammenarbeit?

Wir haben verschiedene Projekte mit der Kulturfabrik, wie das Flamenco-Festival, das im Mai stattfinden wird, und das wir finanziell unterstützen. Dabei handelt es sich immer um extraordinäre Projekte, denn die Kufa wird ja auch im Normalfall von der Stadt mitfinanziert. Hier ging es um eine spezifische Kollaboration. Das Theater ist auch mit in verschiedene Projekte eingebunden, wie etwa die Séance académique oder das Abschlussfest, und andere Spektakel, die auch Escher BürgerInnen betreffen und mit auf die Bühne nehmen werden. Mit der Rockhal haben wir noch kein Projekt. Aber das liegt daran, dass wir versuchen, so viel wie möglich in Esch selbst zu bleiben. Andererseits ist dies schwierig, da hier, im Gegensatz zur Stadt Luxemburg, noch Leute im Zentrum wohnen. Da geht es auch nicht an, dass wir auf dem Brillplatz ein Riesenzelt aufstellen und dort jedes Wochenende Rambazamba veranstalten. Deshalb konzentrieren wir uns schon bewusst auf die verschiedenen Infrastrukturen, in denen sowieso solche Feste organisiert werden und auf die „Nonnewisen“, die das Herzstück unserer Feierlichkeiten sein werden.

(Foto: woxx)


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