DOKUMENTARFILM: Wasserwirtschaft

Die luxemburgische Samsa-Film beteiligt sich an einem österreichischen Dokumentarfilm.

Von Fischern zu Kamelzüchtern: Die Menschen am Aralsee leben jetzt in der Wüste.
(Fotos: www.ueberwasser.at)

Einsam geht ein älterer Herr mit traditionneller kasachischer Kopfbedeckung an verrosteten Schiffen vorbei. Seine Kleidung ist gepflegt, an seinem Gehstock befindet sich ein silberner Knauf. Auf der Brücke seines alten Schiffes stehend, imitiert er den Klang der Gischt, die an die Schifflsflanken spritzt, und die Schreie der Möwen. Er erzählt vom Pelikan, der den Fischern früher den Fang strittig gemacht hat. Dann schaut er wieder vom Schiff herunter: Dort tummeln sich ein paar Kamele im Wüstensand. Eine schier endlose Mondlandschaft tut sich auf, in deren Dünen alte, verrostete Kähne stehen, als hätte eine unsichtbare Hand sie dort verstreut. Und das ist nicht einmal so weit hergeholt. Wenn der Aralsee heute hundert Kilometer von seinen einstigen Ufern entfernt liegt und ein ganzer Landstrich verwüstet ist, ist dies vor allem der megalomanen sowjetischen Planwirtschaft zu verdanken. Diese hatte die Idee, Flüsse abzuleiten, um woanders die Wüste zu bewässern. Kanäle wurden gegraben und Dämme gesprengt, nur um den Fünfjahresplan zu erfüllen. Mit dem Resultat, dass die Stadt Aralsk nun wahrscheinlich die einzige Wüstenstadt weltweit mit Fischfabrik ist.

Diese Geschichte vom ausgetrockneten Aral-See ist eines der Themen in Udo Maurers Film „Über Wasser – Menschen mit gelben Kanistern“. Der gelernte Kameramann, der inzwischen auch das Regiefach beherrscht, bietet in seinem anderthalb Stunden langen und drei Kapitel umfassenden Film die Möglichkeit, die Wasserproblematik in ihrem eigentlichen Kontext zu sehen: nämlich global. Außer in Kasachstan hat er in Bangladesh und in Kenia gedreht – zwei weitere Orte, an denen Menschen in ständigem Konflikt mit dem nassen Element leben oder zu überleben versuchen. Während in Kibera – größter Slum Afrikas und Vorort von Nairobi – der Schwarzmarkt mit Wasser blüht und die Menschen stundenlang laufen müssen, um ihre Kanister gegen teures Geld aufzufüllen, würden die Menschen in Bangladesh gerne etwas von ihrem kühlen Nass abgeben. Denn hier wird der Monsun immer stärker, das Land erodiert zusehends und macht so jedes Jahr tausende Leute heimatlos.

Und Luxemburg? Eines der glücklichen Länder, in denen jedeR seinen Wasserhahn aufdrehen und bedenkenlos so viel trinken kann wie er will? Durch Samsa-Film ist Luxemburg Ko-Produzent von „Über Wasser – Menschen mit gelben Kanistern“. Der Film ist die erste Frucht des luxemburgisch-österreichischen Kooperationsvertags im audiovisuellen Sektor, der erst letztes Jahr unterschrieben wurde. „Wir haben zwar nur 30 Prozent der Kosten getragen“, so Anne Schroeder, Produzentin bei Samsa-Film, „aber in punkto Arbeit haben wir gleich viel geleistet“. So erfolgte die Post-Produktion – das Schneiden und Vertonen des Materials – in Luxemburg. Und auch die Musik kommt aus unseren Landen. Um sie zu komponieren hat sich Serge Tonnar eigens mit den traditionnellen Klängen der im Film vorkommenden Länder und Regionen befasst. Mit einem Resultat, das sich sehen oder besser, hören läßt. Die Tonuntermalung ist unaufdringlich, diskret auf den Punkt gebracht und beweist, dass weniger auch mehr sein kann.

Drei Probleme – Keine Lösung

Der Film an sich bedeutet aber für Samsa viel mehr als nur eine weitere Kooperation. Für Anne Schroeder gibt er auch eine neue Richtung an: „Schon seit längerer Zeit versuchen wir solche Filme zu machen und uns in eine politischere Richtung zu bewegen, indem wir Dokumentarbeiten fördern“. Dass das Genre in den letzten Jahren wieder salon- oder kinofähig geworden ist – unter anderem durch die Arbeiten eines Michael Moore – ist dabei äußerst hilfreich. „Es gibt ein vermehrtes Interesse an diesen Stoffen und man sollte nicht vergessen, dass solche Filme mehr sind als nur Unterhaltung – sie verlangen den ZuschauerInnen auch eine Auseinandersetzung mit dem Thema ab“. Da kommt eine Zusammenarbeit mit den kreativen Köpfen aus der Alpenrepublik gelegen, denn Österreich ist – was die Verbreitung von Dokumentarfilmen in Kinosälen angeht – europäische Avantgarde. Filme wie „Darwin’s Nightmare“ von Hubert Sauper oder „Working Man’s Death“ von Michael Glawogger, der auch an der Konzeption von „Über Wasser“ beteiligt ist, haben in den vergangenen Jahren zumindest europaweit für einiges Aufsehen gesorgt.

Die, wenn man sie so nennen will, „österreichische Schule“ des Dokumentarfilms unterscheidet sich von amerikanischen Produktionen durch ihre Objektivität. So hat Maurer bewusst auf eine Erzählstimme aus dem Off verzichtet, um nicht den Eindruck zu erwecken, hier wolle ein Moralapostel seinen Weltschmerz auf die Leinwand bringen. Es ist am Zuschauer sich ein Bild aus den Bildern zu machen. Dass dies auch schiefgehen kann, hat man in den Polemiken um „Darwin’s Nightmare“ gesehen: Der Regisseur wurde mehrfach beschuldigt Passagen in Szene gesetzt zu haben um provozierender zu wirken und Fakten verdreht zu haben. Gegen solche Anschuldigungen gibt es sicher keine perfekte Verteidigung – auch weil die Arbeit auf dem Terrain sich oft sehr schwierig gestaltet. „Wir operieren meistens am Rande der Legalität, müssen Behörden schmieren, um an Drehgenehmigungen zu kommen und wissen oft nicht was und ob diese Papiere überhaupt etwas wert sind“, erklärt Schroeder. Hinzu kommt, dass niemand weiß, wie die Menschen im Film darauf reagieren werden, wenn sie sich selbst auf der Leinwand sehen.

Solche Probleme lassen sich nicht vermeiden und man sollte immer im Hinterkopf behalten, wie Dokumentarfilme entstehen: Mit einer Kamera und Leuten davor und dahinter. Es bleibt, bei aller Bemühung um Objektivität, immer eine Inszenierung. Aber wenn diese Inszenierung, die ZuschauerInnen zum Umdenken bewegen kann, ist sie dies auch wert.

„Über Wasser – Menschen mit gelben Kanistern“
Vorpremiere mit Debatte im Beisein des Regisseurs Udo Maurer am 19. Juni um 19 Uhr im Utopia.

Mehr Informationen: www.ueberwasser.at


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