POL CRUCHTEN: Boys on the Run

Zum Auftakt des „6th Cinénygma Luxembourg International Film Festival“ hat Pol Cruchten seinen neuen Film präsentiert.

Gespannt lehnt sich das Publikum in die bequemen Sessel des Utopolis zurück. Popcorn gibt es heute gratis, Ron Perlman, einer der Darsteller, gesellt sich zum Publikum, und auch Frau Minister der Kultur ist zur Feier des Tages mit dabei. Immerhin ist eine Weltpremiere angesagt: Pol Cruchten ist wieder da und hat dem Publikum etwas mitgebracht. Seit „Black Jhu“ (1996) war es still um den Luxemburger geworden und die „Hochzäitsnuecht“ ist eh schon lange her. Und wie bei „Black Jhu“ steht Frank Feitler an seiner Seite als zuständiger Drehbuchautor. Na, ob denn Film und Theater so gut miteinander können? Das neue Werk der beiden ist eine Koproduktion von Luxemburg und Frankreich mit den USA und spielt auch jenseits des groáen Teiches. Doch was von drüben kommt, muss noch lange nicht gut sein, über den amerikanischen Filmgeschmack lässt sich jedenfalls streiten.

Vorab zum Plot: Der Film beginnt mit der Flucht des Jugendlichen Charlie McCarson: Er erzählt im Voice Off, wie und warum er gerade seine gewalttätige Pflegefamilie verlässt. Szenen später wird er von der Polizei gefasst und wegen wiederholter Vergehen wie Brandstiftung ins Jugendgefängnis eingewiesen. Dort herrschen raue Sitten, das Motto ist klar: „Deine Vergangenheit war Scheiße, deine Gegenwart ebenfalls, und wie die Zukunft aussieht, hängt von dir ab“, so die zuständige Leiterin. Charlie, dessen Aussehen und Zartheit an den jungen Robert Redford erinnern, stellt sich gegen Bezahlung unter die Fittiche Joes, der schon erfahrener in punkto Erziehungsheim ist. Bei einer günstigen Gelegenheit rücken die neuen Freunde aus. Sie treffen auf einen obdachlosen Indianer. Er berichtet von unberührter Natur, es stinkt nach groáer Freiheit und Lagerfeuerromantik. Nichts wie hin, ein feuerroter gestohlener Straáenflitzer bringt die „boys“ bis an den Eingang zum Naturparadies, und die Filmmusik untermalt klischeehaft die Jungenträume. Können solche Träume wahr werden? Gibt es ein Leben in Frieden? Mit einem (gestohlenen!) Kanu fahren sie auf dem Fluss dem unbekannten Ziel entgegen. Doch noch ist kein Happy End in Sicht. Aus heiterem Himmel gerät eine dritte Person ins Spiel: Raindrop ist ebenfalls auf der Flucht. Sie flieht vor der Gewalt des Stiefvaters, der ein paramilitärisches Terroristencamp mitten in den Bergen führt. Die ohnehin schon ungenieábare Kitschpampe wird nun noch mit Vater-Tochter-Konflikten vermischt. Charlie und Joe lernen, dass sie selbst in der schönen Natur keine Ruhe finden und ihre Träume verabschieden müssen. Im Wald ist das Leben knallhart, auf Gewalt folgt Gewalt, und Raindrop schwingt das Gewehr mindestens so gut wie Lara Croft. Zwischen den Gewehrschüssen ein kurzer Blick auf die Tierwelt: Raupen, Ameisen, ein süáes Häschen lassen sich nicht von den niederen Machenschaften der Menschen stören. Wenigstens die Kameraarbeit ist gelungen. Im technischen Bereich haben die fetten Fonds immerhin dafür gesorgt, dass Cruchten eine professionnelle Crew zusammenstellen konnte. Leider erzählen Cruchten und Feitler nichts Neues, wärmen Szenen aus ähnlichen Filmen auf. Die jugendlichen SchauspielerInnen geben ihr Bestes, doch ihre Darstellung kann nicht über das dürftige Szenario hinwegtäuschen.

So bleibt denn ein sehr amerikanisierter Film, der unterschiedliche Gewaltherde überfliegt und Themen wie Freundschaft, Loyalität, Einsamkeit zwar anreißt, sie aber leider nicht vertieft. Als beste Lösung gilt der Griff zum Gewehr, und wenn es dem Wohl des Staates dient, gilt das auch noch als Heldentat. Sollte es ironisch gemeint sein? Es bleibt zu hoffen, dass irgendwo eine tiefere Message steckt, auch wenn es Cruchten nicht gelingt, sie filmisch herüberzubringen. Es genügt nicht, mit teuren Specialeffects eine Pseudospannung herbeizuzaubern. Und am Ende? Der Applaus klingt gedämpft, das Geld ist futsch. Wirklich gute Projekte bleiben wohl weiterhin ein Traum.


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