ITALIEN: Der Pressefreiheit den Saft abgedreht

Wie in Luxemburg können auch in Italien viele Zeitungen nur dank staatlicher Pressehilfe überleben. Die wurde nun jedoch ausgesetzt. Nicht nur für die linke Tageszeitung „il manifesto“ bedeutet dies wohl das Aus.

Trotz berühmter Leser ist ihr weiteres Erscheinen fraglich: Der Schauspieler Dustin Hoffmann, vertieft in die Lektüre der italienischen Tageszeitung „il manifesto“.

Eigentlich wollte das Kollektiv der linken Tageszeitung „il manifesto“ auf der Pressekonferenz Anfang Februar Stärke demonstrieren und den Kampfgeist der Leserschaft beschwören. Doch die Veranstaltung erweckte eher den Eindruck einer vorweggenommenen Gedenkfeier.

Eingerahmt von Papptafeln, auf denen die Geschichte der 1971 gegründeten kommunistischen Tageszeitung museal präsentiert wurde, erklärte das Direktorium der Zeitungsgenossenschaft, dass infolge der anhaltenden finanziellen Misere ein Verfahren zur Zwangsliquidation eingeleitet worden sei. Ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums muss nun prüfen, ob die Zeitung erfolgversprechend restrukturiert werden kann. Andernfalls droht die Versteigerung des Markennamens, unter dem neben der Tageszeitung auch Bücher und Musik produziert werden.

Existenziell wurde die Krise durch den Ausfall der staatlichen Pressesubventionen. Noch unter der Regierungsverantwortung von Silvio Berlusconi waren die Mittel des Pressefonds zur Unterstützung von Parteizeitungen und unabhängigen, gemeinnützigen Presseorganen rückwirkend gekürzt worden. „il manifesto“ hätte demnach statt der einkalkulierten drei Millionen Euro nur noch eine Million bekommen. Mit dem ersten Sparprogramm unter dem neuen Ministerpräsidenten Mario Monti wurde die Refinanzierung des Fonds vorerst ganz ausgesetzt. Damit können weder die früheren Kredite zurückgezahlt, noch neue Darlehen aufgenommen werden.

Von dem Subventionsausfall betroffen sind etwa hundert weitere Publikationen, darunter viele Lokalzeitungen, die bereits ihr Erscheinen einstellen mussten. Die Pressehilfe war eingerichtet worden, um die in Artikel 21 der Verfassung garantierte Presse- und Informationsfreiheit sicherzustellen und eine pluralistische Berichterstattung zu gewährleisten. Tatsächlich aber hat der Fonds in den vergangenen Jahren die korrupten Machenschaften der italienischen Politik finanziert: Jede Splittergruppe konnte ein Parteiorgan gründen und bekam entsprechend der gemeldeten Auflagenzahl staatliche Zuschüsse.

In den vergangenen Jahren hat der Pressefonds auch die korrupten Machenschaften der italienischen Politik finanziert.

Der Verband der Medienkooperativen fordert deshalb nicht einfach den Erhalt des Pressefonds, sondern auch die Einführung neuer Auszahlungskriterien. Demnach sollen zukünftig die Vertriebs- und Verkaufszahlen, ebenso wie die Zahl der beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berücksichtigt werden. Die Regierung kündigte an, „zügig“ über eine Reform beraten zu wollen. Doch noch ist offen, ob ein neuer Pressefonds eingerichtet und auf die von den betroffenen Medienvertretern geforderte Summe von 150 Millionen Euro aufgestockt werden wird. Für viele Zeitungen könnte die Rettung zu spät kommen. „Liberazione“, die Parteizeitung der Rifondazione Comunista, hat ihr Erscheinen bereits vorläufig eingestellt.

Aus Protest gegen diesen Schritt hält eine Gruppe von Journalistinnen und Journalisten seit Jahresbeginn die Redaktionsräume besetzt. Dabei ist die Krise der „Liberazione“ auch hausgemacht: Nachdem das Bündnis der radikalen Linken 2008 den Einzug in das Parlament verpasst hatte, spaltete sich die Rifondazione und die neue Parteiführung drängte den damaligen Chefredakteur aus dem Amt. Seither schwelt der Streit um die Einhaltung der vorgegebenen Parteilinie weiter, obgleich die Partei und ihre Tageszeitung längst in der politischen Bedeutungslosigkeit versunken sind.

Siehe auch das woxx-Interview mit „il manifesto“-Redakteurin Ida Dominijanni.


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