Awunnerwahlrecht: Dürfen oder müssen

Ist das fakultative Stimmrecht für Jugendliche und Ausländer ein Privileg?

1321editoDie Ausweitung des Wahlrechts auf 16- und 17-Jährige sowie auf ausländische EinwohnerInnen, die in den beiden ersten Referendums-Fragen entschieden wird, soll sich in zwei Punkten von dem in Luxemburg geltenden Wahlrecht unterscheiden. Zum einen soll der zusätzlich zugelassene Personenkreis lediglich das aktive Wahlrecht erhalten – das heißt, die Betroffenen dürfen wählen, aber sich selber nicht zur Wahl stellen. Zum anderen ist ihre Beteiligung am Wahlgeschäft freiwillig – zumindest das erste Mal, da sie sich aus eigener Initiative in die Wahllisten eintragen müssen.

Eine ähnliche Regelung besteht bei den Kommunal- und Europawahlen: Wer als hier ansässiger Nicht-Luxemburger die Residenzklausel erfüllt, wird nicht automatisch zur Urne gerufen, sondern muss sich erst in die Wahllisten eintragen lassen. Erst danach tritt die allgemein geltende Wahlpflicht in Kraft.

Insbesondere die CSV stößt sich an diesen Besonderheiten der von den Mehrheitsparteien in Vorschlag gebrachten Regelungen. Freilich fordert sie keine entsprechende Ausweitung von Wahlpflicht und passivem Wahlrecht auf die neuen Wählergruppen, sondern nutzt diese Unterschiede, um das „Awunnerwahlrecht“ insgesamt abzulehnen. Dabei wird auch mit der Andeutung kokettiert, diese neue Wählerschichten würden in Sachen Wahlpflicht durch ein Privileg begünstigt, das dem „Stack-Lëtzebuerger“ verweigert bleibt.

Beim passiven Wahlrecht galt lange Zeit eine höhere Altersgrenze als beim aktiven. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich das Prinzip durchgesetzt, dass die Großjährigkeit automatisch zu gleichen Rechten führen muss – also auch zum Recht, sich ab 18 für eine Wahl aufstellen zu lassen. Es waren gerade konservative Parteien, die hier lange zögerten, weil sie der Meinung waren, dass die Ausführung eines Wahlamtes eine gewisse Reife voraussetzt.

Den InitiatorInnen des Awunnerwahlrechts fehlte wohl der Mut, an frühere Forderungen einer Gleichsetzung des aktiven und passiven Wahlrechts anzuknüpfen. Insbesondere bei – erwachsenen – ausländischen MitbürgerInnen dürfte die Unterscheidung dem Rechtsprinzip der Gleichheit vor dem Gesetz zuwiderlaufen.

Etwas einleuchtender ist die Differenzierung beim Jugendwahlrecht: Die Frage, ob Minderjährige Abgeordneten-Amtsgeschäfte wahrnehmen können, ist sicherlich nicht unberechtigt.

Hinsichtlich der Wahlpflicht ist allerdings die zurückbehaltene Referendums-Frage eher nachvollziehbar: Zum einen sollen ja vor allem neue WählerInnen erreicht werden, die ein aktives Interesse bekunden, am Wahlgeschehen teilnehmen zu wollen. Zum anderen gibt es bereits eine „privilegierte“ Gruppe: Die MitbürgerInnen über 75 Jahre sind grundsätzlich von der Wahlpflicht befreit. In gewisser Hinsicht sind sie tatsächlich privilegiert: Keine Gruppe wird bei Wahlen dermaßen umworben. In vielen Kommunen organisieren die Parteien „ohne jegliches Eigeninteresse“ sogar Fahrdienste, um diese Leute doch noch an die Wahlurnen zu bringen.

Jede Demokratie wird dadurch legitimiert, dass möglichst viele Menschen sich aktiv an ihr beteiligen.

Es wäre doch schön, wenn sich die Politik in ähnlicher Weise auch um das Jungvolk kümmern müsste. Vielleicht weniger mit Fahrdiensten, als zum Beispiel mit besonders gut gesicherten Radwegen zu den kommunalen Zentren – die dann auch nach dem Wahlgeschäft weiterbestehen könnten.

Jede Demokratie wird dadurch legitimiert, dass möglichst viele Menschen sich aktiv an ihr beteiligen. Das Awunnerwahlrecht wurde ja gerade erdacht, weil ohne Anpassung der Regeln in Luxemburg irgendwann weniger als die Hälfte der hier lebenden Menschen mitbestimmen können. Sind 90 Prozent Beteiligung bei den wahlverpflichteten LuxemburgerInnen eine höhere Legitimation als 65 Prozent bei freiwilliger Teilnahme aller hier Lebenden?

Die Ausweitung der Wählerschaft auf freiwilliger Basis ist ein erster Schritt, der unabhängig von der Debatte über die Wahlpflicht vollzogen werden kann. Bei Jugendlichen ist dieses Privileg ohnehin auf maximal einen Wahlgang begrenzt, da sie ja nach spätestens zwei Jahren unter das allgemeine Wahlrecht fallen. Bei AusländerInnen führt das beantragte Wahlrecht, nach Eintragung in die Liste, ebenfalls zu einer Pflicht – sofern diese in Zukunft überhaupt aufrecht erhalten wird.


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