Denkmalschutz: Bewusstseinswandel?

Der Schutz des kulturellen Bauerbes, lange Zeit vernachlässigt, rückte in einer Parlamentsdebatte in den Mittelpunkt. Immerhin besteht nun auch auf politischer Ebene Einigkeit darin: Es bedarf dringend eines richtigen Denkmalschutzgesetzes und einer nationalen Schutzliste.

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Mahnwache der Denkmalschutz- organisationen „Luxembourg Patrimoine asbl“ und „Sauvegarde du Patrimoine“ am 1. Juli vor der Chamber.

Der Denkmalschutz rückt zwar peu à peu auf die politische Agenda, wird aber noch immer stiefmütterlich behandelt. Auch wenn die Tatsache, dass die Chamber-Debatte nun endlich stattgefunden hat, einen gewissen Fortschritt verspricht. André Bauler, der eine „Interpellation“ zu dem Thema veranlasst hatte, sprach am vergangenen Mittwoch zum letzten Tagesordnungspunkt vor einem sichtlich ermatteten Parlament. Dass der DP-Abgeordnete über die Köpfe der eigenen Partei hinweg eine Debatte zum Denkmalschutz anstieß, schlachtete die Opposition natürlich aus. Doch sie selbst hat in puncto Stärkung des Denkmalschutzes bislang kaum etwas vorzuweisen.

Im Vorfeld der Debatte hatteBauler – mit dem Verweis, er schreibe in seinem eigenen Namen – in einem Leserbrief im Luxemburger Wort vom 20. Juni vorsichtig Kritik an dem bisherigen Umgang mit dem baukulturellen Erbe geäußert. Bauler bedauerte, dass „der Denkmalschutz in Luxemburg nur wenig politische Durchschlagkraft“ habe. „Statt historisch wertvolle Bausubstanz zu erhalten und für Wohnzwecke zu nutzen, muss diese vielfach für Funktionelles und vor allem wirtschaftlich Einträgliches weichen“, so Bauler, der es bei dieser nebulösen Feststellung beließ und nicht wagte „Ross und Reiter“ in seiner Partei zu nennen, käme das doch (s)einem politischen Selbstmord gleich.

In dasselbe Horn stieß Anfang der Woche dann Franz Fayot, der schon am Montag vor die Presse getreten war, mit der Forderung, den „Service des sites et monuments nationaux“ wegen mangelhafter Funktion aufzulösen. Die Gelegenheit, einen Seitenhieb auf Fayots Vorgehensweise anzubringen, ließ sich die Opposition darauf natürlich nicht nehmen.

Beispiele schützenswerter Baudenkmäler, die mir-nichts-dir-nichts abgerissen wurden, gibt es gerade in jüngster Zeit ausreichend: vom Hadir-Tower in Differdingen über den alten Ettelbrücker Bahnhof bis hin zu zwei Belle-Epoque-Häusern in Bahnhofsnähe. Letztlich gehen diese Abrisse ganz wesentlich auf das Konto der DP. Wohl deshalb konnte man während der Chamber-Debatte beobachten, wie Regierungsvertreter die zuständige Ministerin für Denkmalschutz mit Samthandschuhen anfassten.

Beispiele schützenswerter Baudenkmäler, die mir-nichts-dir-nichts abgerissen wurden, gibt es gerade in jüngster Zeit ausreichend.

Geradezu bizarr wirkten in dem Kontext die Redebeiträge der alten und neuen Kulturministerin. Dass Modert Lob auf sich selbst häufte, Seitenhiebe auf ihre Nachfolgerin austeilte und abschließend noch auf ihr blutendes Herz angesichts der Zerstörung von Kulturgütern in Syrien verwies, war dann doch etwas zu dick aufgetragen angesichts der Tatsache, dass auch sie etliche Zerstörungen während ihrer Amtszeit zu verantwortet hat – wie etwa die der Topffabrik in Echternach. Dass Nagel ihrerseits bekundete, „Wir kommen in riesigen Schritten in einer neuen Art und Weise voran“, wirkte fast dreist. Und auch Lydie Polfer, die mit den Worten begann: „die Atmosphäre hier gibt mir ein ungutes Gefühl“ und sich damit rechtfertigte, dass immerhin 33% der Gebäude in der Hauptstadt geschützt seien, wirkte eher defensiv. Wenn die Lage wirklich so ist, wieso gibt es dann in der Hauptstadt noch immer kein Inventar, das man einsehen kann?

Weitgehende Einigkeit gab es bezüglich der Feststellung Baulers und Fayots, dass gerade im Vergleich zu Nachbarländern beim Denkmalschutz Aufhol- und Handlungsbedarf bestehe. „Es geht um ungefähr 5.000 schützenswerte Gebäude*, davon seien erst 1.050“ geschützt, schreibt Bauler im Wort – doch selbst wenn all diese Gebäude offiziell geschützt würden, liege die Quote noch immer deutlich unter der in den Nachbarländern. So stehen in Luxemburg mit ca. 1.500 Objekten nur 0,7 % des Gesamtbestandes(!) offiziell unter Denkmalschutz.

Diese Ziffer beweise, so Fayot, dass Luxemburg in puncto Denkmalschutz hinterherhinkt. Was aber sind die Gründe dafür? Fayot führt den Missstand unter anderem darauf zurück, dass es keine richtige Definition von „patrimoine“ gibt, und das Gros der Parlamentarier war sich einig, dass es ganz allgemein am politischen Bewusstsein und einer Denkmalschutzkultur mangelt. Der LSAP-Abgeordnete kritisierte ferner, dass es auf diesem Gebiet an politischem Willen fehle. So werde seit 15 Jahren behauptet, das Gesetz reformieren zu wollen, doch der Entwurf sei in der Schublade liegen geblieben.

Auf der Pressekonferenz forderte Fayot daher einen „Nationalen Aktionsplan“, Maßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie die Erarbeitung einer Bestandsaufnahme wie sie die Granada-Konvention vorsieht und nach 16 relevanten Kriterien, wie sie die Topografie der Baukultur des Kantons Echternach – bisher leider noch immer als einzige im ganzen Land (!) – bereits realisiert habe. Diese wissenschaftlichen Kriterien wurden ebenfalls einhellig von den Fraktionen begrüßt. Damit können sie nun in ein „Règlement grand ducal“ einfließen. Fayots Vorschlag, den „Service des sites et monuments nationaux“ umzustrukturieren, weil diese Institution keine klare Mission mehr habe, stieß erwartungsgemäß bei der CSV auf Empörung. Dabei liegt der Vorschlag ganz im Trend der Regierungsabsichten (wenn auch ohne Audit) und ist, falls der Denkmalschutz eine eigene Verwaltung bekäme, so unsinnig nicht.

Seit 15 Jahren werde behauptet, das Gesetz reformieren zu wollen, doch der Entwurf sei in der Schublade liegen geblieben.

So bleibt zu hoffen, dass mit der Debatte ein Umdenken einsetzt, haben doch alle Fraktionen, außer Dei Lénk, die zu dem Thema leider keine Stellung bezog, sich offen zum Denkmalschutz bekannt. Die Forderung nach einem nationalen Inventar, nach einer Aufwertung des Themas in den Schulen und ggfs. nach der Verankerung des Denkmalschutzes in der Verfassung teilten die meisten Abgeordneten.

Doch das Kernproblem wurde in der Debatte nicht benannt. Fayot stellte lediglich eine „Spannung zwischen Privatinteressen und öffentlichen Interessen“ fest. Konkreter wollte er leider während der Chamber-Debatte nicht werden und beließ es bei der Andeutung, dass es auf verschiedene seiner kritischen parlamentarischen Anfragen zu Gebäudeabrissen eine Flut von Beschwerden erzürnter Bauherren gegeben habe. Und selbst wenn sich alle Fraktionen einig waren in der Notwendigkeit einer Gesetzesreform, und wenn, im besten Fall, nun auch in Luxemburg ein nationales Inventar aufgestellt wird, so bleibt doch die Frage, wie man mit diesem Widerspruch in Zukunft umgehen wird. Der Umgang mit dem Bauerbe mag identitätsstiftend sein, doch im Zweifelsfall hatte bisher der Interessenverbund mit Baupromotoren stets Vorrang vor dem Schutz des kulturellen Erbes.

* Eine Ziffer, die auf den „Assises du Patrimoine 2014“ genannt wurde, auf Schätzungen des „Service des sites et monuments nationaux“ beruht und der auch Fayot in seiner Pressekonferenz seinen Ausführungen zugrunde legte.

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