Installation: Kommt mir spanisch vor …


Seit über einem Monat ist ein öffentlicher Platz in Luxemburg besetzt. Von Künstlern, Ausländern noch dazu! Dass es bis jetzt keinen öffentlichen Aufschrei gab, liegt wohl daran, dass die „Temporary Autonomous Zone“ vom Casino mitorganisiert ist und ziemlich handzahm rüberkommt.

photo-1An der Kreuzung Boulevard de la Pétrusse und dem Viaduc sieht es aus, als sei ein Raumschiff gelandet. Aus roten Plastikbausteinen bestehend und zusammengehalten von einem Baugerüst, ist die „Temporary Autonomous Zone“ – kurz TAZ – nicht nur in der hauptstädtischen Topographie ein Fremdkörper, sondern auch in der luxemburgischen Kulturszene – in der es nach der Besetzung der Kulturfabrik in Esch kein autonomes Kulturprojekt mehr gegeben hat, das sich nachhaltig durchgesetzt hätte. Zwar gibt es immer wieder Initiativen wie die Galerie Bradtke oder das „Quartier 3“ – aber diese definieren sich hauptsächlich nach dem „Pop-Up“-Prinzip, funktionieren also nur über einen gewissen Zeitraum.

Um ein Umdenken diesbezüglich anzuregen, hat das Casino Luxemburg seine diesjährige Künstlerresidenz nach draußen verlegt und das spanische Künstlerkollektiv „Todo por la Praxis“ damit beauftragt, eine TAZ in Luxemburg zu errichten. Inspiriert durch den amerikanischen Schriftsteller und Aktivisten Hakim Bey – oder Peter Lamborn Wilson -, der einen okkulten Anarchismus zwischen Fourier und Sufismus entwickelt hat und im anarchistischen Untergrund Kultstatus besitzt, verstehen die Projektmacher die TAZ als einen Berührungspunkt zwischen Kultur und Gesellschaft. Die luxemburgische TAZ ist eine kleinere Variante ähnlicher Projekte. In baulicher Hinsicht weist sie drei Ebenen auf: Das Erdgeschoss fungiert als Begegnungsraum, in dem Gespräche, aber auch Workshops organisiert werden können. Im ersten Stock befindet sich das Archiv mit zwei Holzkisten, die Dokumente zu vergleichbaren Projekten – vor allem in Spanien – enthalten. Und auf der dritten Ebene kann der Besucher in einem kleinen Gemeinschaftsgarten lustwandeln, die Aussicht genießen und sich auf einem Liegestuhl fläzen.

Was das alles mit gelebter Anarchie zu tun haben soll, bleibt trotz vieler Anregungen einigermaßen rätselhaft. Und zumindest an Werktagen tummeln sich nicht gerade die Massen in der prekären Struktur. Vielleicht liegt es an den Spezifitäten der luxemburgischen Mentalität, die, was Kulturelles angeht, generell ziemlich scheu ist und auch sonst partizipativen Projekten eher skeptisch gegenübersteht. Andererseits kommt die TAZ auch ziemlich harmlos daher und regt nicht unbedingt zum Mitmachen an. Gemeinschaftsgärten gibt es in der Hauptstadt schon zur Genüge, und wieso sollten Luxemburger im Schatten auf harten Holzbänken diskutieren, wenn ein paar hundert Meter weiter schöne, sonnige Terrassen warten locken?

Vielleicht gibt ein Blick in die Archive der TAZ Aufschluss. Wer dort ein wenig herumstöbert, wird feststellen, dass bei den dort dokumentierten Projekten ziemlich oft der soziale Hintergrund eine große Rolle spielt. Mal sind es ehemalige Sportanlagen, die zu Wohnbereichen werden, mal wird der Zusammenhalt in einem Stadtviertel durch ein solches Projekt gestärkt, indem man einen Raum für gelebte Solidarität schafft.

Dass das in Luxemburg weniger gut funktioniert, kann auch daran liegen, dass es hier keinen Bedarf an derartigen Räumen gibt – weil es uns nämlich immer noch zu gut geht. Das vor allem sollte zum Nachdenken anregen … zumal es, wenn die aktuelle Kulturpolitik so weitergeführt wird wie bisher, es durchaus wieder Gründe geben könnte etwas zu besetzen.

Bis zum 6. September.

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