Afghanistan: Kein sicheres Herkunftsland

Kann man Menschen ruhigen Gewissens nach Afghanistan abschieben? Nein, sagen mehrere Organisationen, die sich zur Plattform „Afghanistan Is Not Safe“ zusammengetan haben.

(Foto: woxx)

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Viele JournalistInnen hatten es nicht zur Pressekonferenz von „Afghanistan Is Not Safe“ geschafft, trotzdem war der von Amnesty International zur Verfügung gestellte Saal vollbesetzt. Vor allem Mitglieder diverser NGOs sowie afghanische Asylbewerber hatten sich eingefunden, um den Erklärungen der sechs RednerInnen zu lauschen.

„Afghanistan Is Not Safe“ ist ein Zusammenschluss von insgesamt zehn Organisationen, darunter der Lëtzebuerger Flüchtlingsrot (LFR), der Cercle de coopération des ONG de développement und verschiedene Gruppen, die in der Flüchtlingshilfe aktiv sind. Angesichts des Anfang Oktober geschlossenen Kooperationsabkommens zwischen der EU und Afghanistan und des Vorhabens der luxemburgischen „Direction de l’immigration“, sechs afghanische Asylbewerber in ihr Herkunftsland abzuschieben (woxx 1394), geht es der Plattform vor allem darum, auf die Situation im krisengeschüttelten Land am Hindukusch aufmerksam zu machen.

„Seit die Nato das Land verlassen hat wird die Situation jeden Tag schlimmer“, erklärte bei der Pressekonferenz denn auch ein junger „Demandeur de protection internationale“ aus Afghanistan. Vor allem für Angehörige von Minderheiten sei sein Herkunftsland schon lange kein sicheres mehr.

Dass das Land alles andere als sicher ist, stellen auch internationale Organisationen fest. So etwa die UN-Unterstützungsmission für Afghanistan (UNAMA), die konstatiert, dass die Zahl ziviler Opfer 2015 ein Rekordniveau erreicht hat. 3.545 zivile Todesopfer habe es allein im letzten Jahr gegeben, so viele wie seit 2009 nicht mehr. Besonders Schutzbedürftige seien immer wieder Ziel von Attacken, die Zahl der Opfer unter Frauen und Kindern steige kontinuierlich.

Holiday in Afghanistan

Mit einem provozierenden „Ich lade die Verantwortlichen dazu ein, Urlaub in Afghanistan zu machen, wenn es denn so ein sicheres Land ist“, brachte Serge Kollwelter, Vertreter des „Cercle“, die Unaufrichtigkeit des Abkommens auf den Punkt. Er zeigte vor allem auf, wie der EU-Rat bei seinem Beschluss das Straßburger Parlament übergangen hat: Anstatt ein „Rücknahmeabkommen“ zu unterzeichnen, das die Zustimmung des Parlaments benötigt hätte, traf man einfach zwei verschiedene Abkommen: Zuerst verpflichtete sich die afghanische Regierung, etwa 80.000 abgelehnte Asylbewerber aus Europa wieder aufzunehmen. Im Gegenzug wurden ein paar Tage später Hilfen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro beschlossen. „Es ging dabei nicht um Entwicklungshilfe für Afghanistan“, stellte Kollwelter klar.

Eine derartige „Externalisierung“ des „Schutzes“ der europäischen Außengrenzen sei wohl die Politik, die die EU auch in Zukunft verstärkt verfolgen wolle, erklärte Sérgio Ferreira vom LFR. So liefen gerade Verhandlungen mit fünf afrikanischen Ländern, mit denen ähnliche Abkommen geschlossen werden sollen.

Die „Afghanistan Is Not Safe“-Plattform verbindet ihre Kritik an der europäischen Politik mit der Aufforderung an den luxemburgischen Immigrationsminister Asselborn, keine Flüchtlinge nach Afghanistan abzuschieben. Es entständen gerade quer durch Europa Initiativen mit ähnlichen Zielsetzungen, hob Agnès Rausch für „Reech eng Hand“ hervor. Ziel sei eine europaweite Kampagne gegen solche Abschiebungen.

Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns eine Stellungnahme Jean Asselborns, der auf die Forderungen der Plattform reagierte. Selbstverständlich gelte auch nach dem Abkommen mit Afghanistan die Einzelfallprüfung von Asylanträgen, betont der Minister. Nur wer nach Prüfung und Ausschöpfung des Rechtswegs kein Recht auf Asyl habe, könne abgeschoben werden.


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