„The Salesman“, neuester Film des Regisseurs Asghar Farhadi – benutzt eine Theatermetapher, um die Lebenswelt der iranischen Bevölkerung zu spiegeln. Ein durchaus gelungener Film, der die Allgemeinheit menschlicher Abgründigkeit aufzeigt.
Emad und Rana sind wahrlich keine Durchschnitts-Iraner. Beide schauspielern mit Leidenschaft, und Emad ist hauptberuflich Hochschullehrer im Fach Literatur. Beide stehen der westlichen Kultur sehr aufgeschlossen gegenüber, so dass sie auch das Risiko auf sich nehmen, amerikanische Theaterstücke – in diesem Fall den Klassiker „Death of a Salesman“ von Arthur Miller – mit ihren Freunden auf die Bühne zu bringen.
Doch das Leben in der iranischen Hauptstadt ist alles andere als einfach. Als die Wohnung des Paars über Nacht infolge von Bauarbeiten nebenan von einer Minute auf die andere baufällig und lebensgefährlich wird, müssen sie sich eine andere Bleibe suchen. An die Justiz oder die Polizei verschwenden sie keinen einzigen Gedanken, sondern fügen sich in ihr Schicksal. Ihr Schauspielkollege Babak stellt ihnen eine Wohnung zur Verfügung, die sie für eine Übergangszeit benutzen können. Doch verschweigt er ihnen, dass die Vormieterin der Prostitution nachging. So kommt es, als Rana eines Abends allein zu Hause und unter der Dusche ist, zu einer tragischen Verwechslung. Obwohl Emad sich als modernen Mann empfindet und den archaischen Ehrenkodex der Islamisten eigentlich ablehnt, kann er sich nach diesem Vorfall nicht gegen seine Gefühle und seine ohnmächtige Wut wehren – und sinnt deshalb auf Rache für sich und seine geschändete Frau. Seine Suche führt ihn in die Untiefen der gegenwärtigen iranischen Gesellschaft.
Asghar Farhadi hat mit seinen Filmen „A Separation“ und „The Past“ bereits internationale Anerkennung gefunden; mit „The Salesman“ gelingt es ihm erneut, einen Einblick in die – für westliche Augen – sehr verschlossene iranische Gesellschaft zu geben und auf diese Weise Brücken zu schlagen. Das Bemerkenswerte an diesem Film, wie auch an seinen Vorgängern, ist dass er sowohl für ein westliches Publikum als auch eines aus dem nahöstlichen Kulturraum als sehenswert bezeichnet werden kann.
Durch das gekonnte Verknüpfen des Millerschen Dramas mit der Tragödie im Leben des jungen Paares gelingt es Asghar Farhadi, auf zwei Ebenen zu agieren. Diese ist einerseits die Rahmengeschichte, andererseits das wohlbekannte Theaterstück, das sich um den Untergang des in Iran geringgeschätzten amerikanischen Traums dreht. Nicht ohne Grund hat die Schauspielertruppe genau dieses Stück ausgewählt, geht es ihr doch auch darum, die allgegenwärtige Zensurbehörde zu umgehen. So gesehen verdoppelt sich die Subversion der amerikanischen Gesellschaft im Kontext von Asghar Farhadis Film.
Doch „The Salesman“ bietet auch einen Einblick in die Zerrissenheit der iranischen Gesellschaft, einer Welt, in der der Staatsmacht nichts zugetraut und von der nichts erwartet wird. So weigert sich Rana beharrlich, die erlittene Gewalt bei der Polizei zu melden – aus der durchaus begründeten Angst, von den Beamten erniedrigt zu werden. Ob sie dabei den maroden Staatsapparat oder eher ihre eigenen Moralvorstellungen im Sinn hat, lässt Asghar Farhadi bewusst offen. Genau so geht es ihrem Ehemann, der sich zwar als progressiven Menschen sieht, dessen Selbstdarstellung aber schnell an ihre Grenzen kommt, als das Problem der Ehre in seinem Leben akut wird.
All dies macht „The Salesman“ zu einem sehr sehenswerten Film, der das Verständnis des Zuschauers für die Zwänge, die andere Kulturen hervorbringen, sicherlich fördern wird.
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Bewertung der woxx : XXX
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