Attentate in Brüssel: Keine europäische Antwort

Islamistische Terroristen agieren international. Doch der Sicherheitsapparat, der ihnen hinterher ist, tut sich schwer damit, nationale Grenzen zu überwinden.

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(Foto: Miguel Discart / Flickr)

In Brüssel stehen die Menschen unter Schock. Am Dienstag passierte das, vor dem nationale sowie internationale Behörden und Experten wiederholt gewarnt hatten. Nur wenige Tage, nachdem einer der Hauptverdächtigen der November-Attentate von Paris festgenommen wurde, und zweieinhalb Monate, nachdem in Brüssel der „niveau d’alerte“ von drei auf zwei zurückgeschraubt worden war, schlugen in Belgien anssässige Selbstmordattentäter zu.

Auf die Frage, ob diese grausamen Anschläge verhindert hätten werden können, gibt es keine Antwort. Dass die Täter in einem solchen Moment frei agieren konnten, hinterlässt ein Gefühl der Verzweiflung. Denn obwohl das Umfeld von Saleh Abdeslam im Fokus der Ermittler stand, ahnten diese offensichtlich nichts von den Plänen der Gruppe.

Nun ist es wieder so weit: Nach den Anschlägen in Paris gegen Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt im Januar vergangenen Jahres und nach den Attentaten im November, ebenfalls in der französischen Hauptstadt, wird zum dritten Mal innerhalb von 14 Monaten europaweit der Ruf nach einer engeren grenzübergreifenden Zusammenarbeit der Behörden laut.

Die Forderungen, die auf den jeweils unmittelbar nach den Attentaten einberufenen EU-Innenministertreffen festgehalten wurden, ähneln sich. Etwa die, dass die Mitgliedstaaten enger mit den beiden europäischen Behörden Europol und Eurojust zusammenarbeiten sollen. Oder aber, dass EU-Länder „sicher stellen, dass nationale Behörden systematisch die Daten verdächtiger Auslandskämpfer“ in das Schengen-Informationssystem eingeben und einen gemeinsamen Umgang mit der Datenbank garantieren, so wie es die Innenminister im November festgehalten haben.

Die nationalen Grenzen der Geheimdienste

Doch verbessert hat sich die europäische Zusammenarbeit innerhalb des vergangenen Jahres trotz der Ereignisse in Paris bislang kaum. Daran änderte auch das im Januar gegründete Europäische Counter Terrorismus Zentrum (ECTZ) bislang noch nichts. Das ECTZ müsse „erst noch aufgebaut werden“, sagt der grüne Europa-Abgeordnete Claude Turmes. „Wenn wir tatsächlich einen grenzfreien Schengenraum erhalten wollen, muss der Datenaustausch der Behörden verbessert werden“, so Turmes.

Neue Gesetze braucht es dazu nicht, man solle erst einmal die bestehenden nutzen, erklärte die CSV-Europa-Abgeordnete Viviane Reding gegenüber dem Radio 100,7. Das betonte auch EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. Er forderte am Mittwoch in Brüssel die Mitgliedstaaten dazu auf, „mehr Vertrauen untereinander zu haben“.

„Wir verfügen über die notwendigen Gesetze für eine engere Zusammenarbeit“, sagte er. „Sie müssen auch genutzt werden“, fügte Avramopoulos hinzu und führte das Beispiel der jüngsten Attentate an. Die mutmaßlichen Täter „haben drei Balkanstaaten und vier EU-Länder bereist“, sie waren den lokalen Geheimdiensten bekannt. „Dennoch wurden die Daten nicht ausgetauscht.“

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(Foto: Valentina Calà / Flickr)

Die mangelnde Bereitschaft, vorhandene Datenbanken mit den entsprechenden Informationen zu füttern, beklagte ebenfalls der deutsche Innenminister Thomas De Maizière: Nicht einmal die Hälfte der EU-Mitgliedstaaten beteiligten sich am automatisierten Ausgleich von Fingerabdrücken oder DNA-Daten in der dafür vorgesehenen Eurodac-Datei.

Im November hatte Dimitris Avramopoulos der Ministerrunde einen Vorschlag mit auf den Weg gegeben, von dem er selber sagte, es handele sich wohl eher um eine „verfrühte, konzeptionelle Idee“: die Einführung eines Europäischen Geheimdienstes.

Dazu bedürfe es jedoch einer Vertragsänderung, kommentierte damals der EU-Koordinator zur Terrorismus-Bekämpfung den Vorstoß des EU-Kommissars. In der Tat stehen die Geheimdienste unter nationaler Leitung. Kaum ein EU-Land wäre bereit, dies zu ändern.

Ein verstärkter Austausch von Informationen scheint, trotz Terrorgefahr, der Natur der nationalen Spitzeldienste zu widersprechen. Präventiv sei er, aufgrund des Ausmaßes der gesammelten Daten, in der Praxis nur schwer durchzuführen, erklärte Thomas Renard vom Egmont-Institut in Brüssel, einem Think Tank, der dem belgischen Außenministerium angegliedert ist, gegenüber dem Radionetzwerk Euranet Plus. Zudem verfüge jede Behörde meist nur über wenige Puzzlestücke und beim Austausch der Gesamtheit ihrer Informationen drohten wichtige Details verloren zu gehen.

Doch bislang fehlen auch simple Grundangaben in den Datenbanken. Von den rund 5.000 Auslandskämpfern aus Europa, die sich derzeit in Syrien, dem Irak und anderswo aufhalten, ist Europol lediglich der Name von knapp der Hälfte bekannt.


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