Tunesien: Alles fürs Volk

Mit erzkonservativen Ansichten hat der neue tunesische Präsident Kaïs Saïed seinen Wahlkampf bestritten. Erfolg hatte er nicht zuletzt bei Jugendlichen, für die der Demokratisierungsprozess einhergeht mit Perspektivlosigkeit. Saïed verspricht eine institutionelle „Revolution“.

Eid auf die Fahne: 
Der neue tunesische 
Präsident Kaïs Saïed. (Foto: EPA-EFE/Mohamed Messara)

Für die einen ist er der Hoffnungsträger par excellence, andere betrachten ihn mit wachsendem Misstrauen: Der parteilose Jurist Kaïs Saïed, der Mitte voriger Woche als neuer Präsident Tunesiens vereidigt worden ist. Mit knapp 73 Prozent der Stimmen hatte der 61-jährige Verfassungsrechtler seinen Rivalen, den Medienunternehmer Nabil Karoui in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen am 13. Oktober deklassiert. mehr lesen / lire plus

Irak
: Entronnen, aber traumatisiert

Der „Islamische Staat“ hat im Nordirak an Gelände verloren. Doch die Wunden bleiben, die das Regime des „Kalifats“ verursacht hat. Ein Besuch im Flüchtlingslager „Sharia“, in dem auch viele YezidInnen leben, die den jihadistischen Häschern entkommen sind.

Vom „Islamischen Staat“ entführt worden, doch dann gelang ihr die Flucht: Die 18-jährige Adiba (zweite von links) zu Besuch im Flüchtlingslager „Sharia“, hier mit ihrer Schwägerin und deren Kindern. Adibas Geschwister sowie ihr Vater sind noch in den Händen der Jihadisten. Sie selbst lebt mittlerweile in Deutschland. (Foto: Bernd Beier)

Ein Flüchtlingslager nahe Dohuk, einer Großstadt im kurdischen Nord-
irak. Es ist ein Lager, wie man es sich vielleicht typischerweise vorstellen mag, und es ist riesengroß. mehr lesen / lire plus

Tunesien
: Unerträglicher Druck

Seit dem Sturz des autoritären Präsidenten Ben Ali ist die tunesische Wirtschaft massiven Problemen ausgesetzt: Staatsverschuldung, hohe Arbeitslosigkeit und schwaches Wirtschaftswachstum werden nicht gebessert durch internationale Kredite, die gleich wieder in die Schuldentilgung fließen. Die sozialen Konflikte verschärfen sich.

Kundgebung Mitte Oktober gegen das geplante Haushaltsgesetz vor dem Stadttheater in Tunis: Die tunesische Flagge ist mit dem Konterfei von Chokri Belaid verziert, das Plakat dahinter zeigt Mohammed Brahmi; die beiden „Front populaire“-Militanten und Kritiker der Islamisten wurden 2013 von Jihadisten erschossen. (Foto: Bernd Beier)

Kundgebung Mitte Oktober gegen das geplante Haushaltsgesetz vor dem Stadttheater in Tunis: Die tunesische Flagge ist mit dem Konterfei von Chokri Belaid verziert, das Plakat dahinter zeigt Mohammed Brahmi; die beiden „Front populaire“-Militanten und Kritiker der Islamisten wurden 2013 von Jihadisten erschossen. (Foto: Bernd Beier)

Investoren dringend gesucht! Um der schwächelnden Wirtschaft des Landes auf die Sprünge zu helfen, will die tunesische Regierung am 29. mehr lesen / lire plus

Brüssel
: Made in Molenbeek


Ende des 19. Jahrhunderts war der Brüsseler Stadtteil Molenbeek wegen seiner vielen Fabriken als „das kleine belgische Manchester“ bekannt. Mittlerweile gilt er als Hochburg der belgischen Jihadisten.

Bernd Beier und Thorsten Fuchshuber
Holy Fuck statt Sharia: Im VK steht Rock auf dem Programm. (Foto: Bernd Beier)

Holy Fuck statt Sharia: Im VK steht Rock auf dem Programm. (Foto: Bernd Beier)

Glaubt man der Berichterstattung seit den Anschlägen in Paris und Brüssel, ist es ein Ausflug ins Herz der Finsternis. Es geht nach Molenbeek, in den Stadtteil Brüssels mit der angeblich größten Jihadistendichte Europas. In Wirklichkeit ist es nur das im Osten des Bezirks gelegene Viertel Alt-Molenbeek, in dem das entsprechende Milieu vorherrscht. Hier lebt ein Fünftel der insgesamt 100.000 Einwohner von Molenbeek. mehr lesen / lire plus

TUNESIEN: Zahltag für die Verzögerung

Die Partei Ennahda hat bei den tunesischen Parlamentswahlen den Lohn für ihre Strategie der schleichenden Islamisierung der Verfassung kassiert. Doch mit einem Wahlsieg der Gemäßigten und Säkularen fürchten manche auch die Gefahr eines Comeback der ehemaligen Cliquen um Diktator
Ben Ali.

Erfolgreich: Trotz einiger Unregelmäßigkeiten scheinen die Parlamentswahlen in Tunesien halbwegs fair abgelaufen zu sein. Das ist vor allem dem Einsatz Tausender freiwilliger Wahlbeobachter zu verdanken.

Es ist Sonntagnachmittag, der Tag der Parlamentswahl in Tunesien. Vor einem Wahllokal in Bab Souika, einem Vorort von Tunis, posieren einige Soldaten und eine Soldatin für ein Foto. Zehn Meter weiter steht eine Gruppe Polizisten und Polizistinnen in weißen Westen. mehr lesen / lire plus

TUNESIEN: Licht am Ende des Tunnels

Islamistische Anschläge, ein festgefahrener politischer Übergangsprozess und miese wirtschaftliche Aussichten: Die Zukunft Tunesiens scheint alles andere als rosig.

„In Tunesien haben sie Sokrates erschossen“: Das Konterfei des von Jihadisten ermordeten Nationalgardisten Socrate wurde am Dienstag vergangener Woche auf einer Demonstration der Polizeigewerkschaft präsentiert.

Mittwoch voriger Woche, 12 Uhr, in einem Buchladen in der Avenue Bourguiba in Tunis. „Ein Kamikaze hat sich vor einem Hotel in Sousse in die Luft gesprengt!“ ruft eine schick gekleidete Frau um die Fünfzig aufgeregt. „Und ein anderer hat das Mausoleum von Bourguiba in Monastir attackiert. Das sind keine Tunesier. Das sind Araber aus den Golfstaaten, aus Saudi-Arabien und Katar. mehr lesen / lire plus

TUNESIEN: Die dritte Phase der Revolte

Im Ringen um die Verfassung werden die gesellschaftlichen Widersprüche Tunesiens transparent. Die regierende islamistische Ennahda wird indes nicht nur von säkularen Kräften, sondern auch von den Salafisten scharf attackiert.

Bedarf nach Orientierung: Der Prozess der Demokratisierung in Tunesien geht mit schweren Problemen einher.

Vermutlich hat Gilles Kepel die aktuelle Entwicklung treffend dargestellt: Die Länder, die von dem sogenannten arabischen Frühling erschüttert wurden, und insbesondere Tunesien und Ägypten, wo die Autokraten schnell gestürzt wurden, befänden sich nun in der dritten Phase der Revolte, so der französische Wissenschaftler in einem Interview mit der algerischen Tageszeitung „Liberté“.

Die erste Phase, geprägt von Jugendlichen mit universellen Forderungen nach Demokratie, Freiheit, sozialer Gerechtigkeit, beendete die Herrschaft der Autokraten. mehr lesen / lire plus

TUNESIEN: Suche nach den Hintermännern

Knapp einen Monat nach der Ermordung des tunesischen Oppositionspolitikers Chokri Belaid verdichten sich die Hinweise, dass die Täter aus den weiteren Kreisen der regierenden Ennahda stammen. Doch die Aufklärung des Falles wird eher zaghaft betrieben – dabei geht es nicht allein um einen politischen Mord, sondern um die künftige Verfasstheit der Gesellschaft.

Hassfigur der tunesischen Regierung: Der Anwalt und Oppositionspolitiker Chokri Belaid. Am 6. Februar dieses Jahres wurde er unter bislang ungeklärten Umständen ermordet.

Wer hat Chokri Belaid getötet? Das war die Frage, die am vergangenen Samstag auf einer lautstarken Demonstration in Tunis gestellt wurde. Etwa 3.000 Menschen hatten sich versammelt, um die Aufklärung des Mordes an dem Oppositionspolitiker zu fordern. mehr lesen / lire plus

TUNESIEN: Auf in die nächste Runde

Eine Machtprobe zwischen der tunesischen Übergangsregierung und ihrer Opposition konnte Mitte Dezember gerade noch verhindert werden. Doch der Konflikt schwelt weiter, denn die Gründe für die gesellschaftliche Unzufriedenheit haben sich auch nach Ben Alis Herrschaft nur wenig geändert. Zum Jahrestag von dessen Sturz könnte die Situation erneut eskalieren.

Schlechte Stimmung: Sidi Bouzid am zweiten Jahrestag der Selbstverbrennung des Straßenhändlers Mohammed Bouazizi. Nach dem 17. Dezember 2010 hatte die Revolution in Tunesien eine Dynamik entfaltet, die schließlich zum Sturz des diktatorisch regierenden Präsidenten Ben Ali geführt hatte.

Pfiffe, Buhrufe, Steinwürfe: Es war ein verpatztes Fest für die regierende Troika. In Sidi Bouzid, der Stadt mit 40.000 Einwohnern im vernachlässigten Zentrum Tunesiens, fand am Montag die Eröffnung des „Internationalen Festivals der Revolution des 17. mehr lesen / lire plus

TUNESIEN: Zeit für Überraschungen

Wenn Salafisten im Kampf für „das Heilige“ gegen säkulare Aspekte der tunesischen Gesellschaftsordnung zu Felde ziehen, dürfen sie seitens des Staatsapparates auf Milde hoffen. Nicht so ihre Gegner. Unterdessen nehmen die Spannungen innerhalb der sich etablierenden politischen Klasse zu.

Von Bernd Beier und Thomas von der Osten-Sacken

Stimmungsvoller Tugendterror: Salafisten protestieren gegen den in Frankreich lebenden Liberalen Jalel Brik, der sich in ihren Augen der „Blasphemie“ schuldig gemacht hat. Unser Foto zeigt eine Demonstration am 8. Juni in der Innenstadt von Tunis.

Eine Handvoll vergitterter Polizeifahrzeuge steht auf der Straße vor der Wiese, auf der ein kleines Soundsystem aufgebaut ist. Die Ordnungshüter schlürfen gelangweilt Kaffee aus kleinen Plastiktassen. mehr lesen / lire plus

EUROPÄISCHE UNION: „Die Demokratie tagte auf der Straße“

Über die Krise in der Euro-Zone, das Verhältnis zwischen den Nationalstaaten und den Euro-Institutionen und die Bedeutung der sozialen Kämpfe sprach die woxx mit Werner Bonefeld. Er ist Professor für Politologie in Großbritannien an der Universität York und steht der „Schule“ des Open Marxism nahe.

Nicht gut auf die EU zu sprechen: Manifestanten holen bei Protesten gegen die Sparpolitik im Oktober 2011 in Athen die Europa-Fahne ein.

woxx: Vier Jahre Krisenpolitik in der Eurozone, und die Krise blüht und gedeiht. Was passiert da?

Werner Bonefeld: Die konkrete Krisenlösungspolitik entwickelt sich genau so, wie die Europäische Währungsunion (EWU) es vorsah: Die Geldpolitik ist hart, sie refinanziert nicht die armen Staaten. mehr lesen / lire plus

TUNESIEN: Schwieriger Neubeginn

Die islamistische Ennahda-Bewegung ist als stärkste Kraft aus den ersten freien Wahlen in Tunesien hervorgegangen. Noch ist es zu früh, deren politischen Kurs genauer bestimmen zu können. Die hohe Wahlbeteiligung kann indes als gutes Zeichen gewertet werden. Auch die säkularen Strömungen des Landes bleiben aktiv.

Das war erst der Anfang: Bereits in einem Jahr wird, wenn alles wie vorgesehen läuft, auf der Grundlage der neuen Verfassung und neuer Wahlgesetze erneut gewählt.

Es rumort vor dem Kongresspalast in der Avenue Mohamed V. Das Gebäude ist mit einem großen Transparent mit Aufschriften wie „Menschenrechte“ und „Demokratie“ behängt, drinnen hat die tunesische Wahlkommission anlässlich der ersten freien Wahlen im Land ein Medienzentrum für die aus aller Welt angereisten Journalisten eingerichtet. mehr lesen / lire plus

LIBYEN: They have a dream

Freiheit und Frieden wünschen sich die Menschen in der von Gaddafis Herrschaft befreiten Stadt Bengasi. Wie ihre Gesellschaft nach dem möglichen Ende des Regimes aussehen soll, wissen die meisten noch nicht. Doch trotz aller Widersprüche haben die Revolutionäre zunächst ein gemeinsames Ziel: den Diktator endgültig zu stürzen.

Das politische Zentrum von Bengasi: abend-liche Versammlung auf dem Tahrir-Platz.

„Welcome!“ Der junge Mann mit umgehängter Kalaschnikow macht das Victory-Zeichen, wie eigentlich jeder, der in der von Muammar al-Gaddafis Herrschaft befreiten Cyrenaika im Osten Libyens einen Ausländer sieht. Er bewacht mit einer Handvoll weiterer Bewaffneter einen improvisierten Checkpoint in der Nähe des Hafens von Bengasi, der mit 650.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt des Landes. mehr lesen / lire plus

TUNESIEN: Auf dem Weg in die Freiheit

Nach dem Ende des Regimes von Ben Ali beginnt in Tunesien die Diskussion über die Form der künftigen Gesellschaft. Eine Reportage mit Eindrücken von den Debatten in den Straßen von Tunis.

„Wenn Tunesien erwacht, dann bebt die arabische Welt“: Eine Demonstration in der vergangenen Woche in Tunis.

Nach einer Revolution gibt es keinen Grund für falsche Bescheidenheit. „Der 14. Januar stellt den 14. Juli in den Schatten“, schreibt Ghazi Ben Jaballah in der linken tunesischen Zeitung Attariq Aljadid. Denn nur Paris habe den 14. Juli, die Erstürmung der Bastille erlebt, aber die ganze tunesische Republik den Sturz Ben Alis am 14. mehr lesen / lire plus

FABRIKBESETZUNG: 100 Tage Bicycle Race

Seit über 100 Tagen hält eine streikende Belegschaft im ostdeutschen Nordhausen ihren Betrieb besetzt. In dieser Woche hat sie mit der Produktion von Strike-Bikes begonnen – in Eigenregie.

Gähnende Leere war gestern: Seit dieser Woche wird an den Produktionsstraßen des Thüringer Zweiradwerks das Strike-Bike montiert.

Rekordverdächtig ist es allemal, was in der Fahrradfabrik der Bike-Systems GmbH im thüringischen Nordhausen geschieht. „Seit dem 10. Juli machen wir hier ununterbrochen eine Betriebsversammlung“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Heidi Kirchner im Streikzelt auf dem Gelände der Fahrradfabrik. „Vielleicht ist es ja die längste, die es in Deutschland je gab. Recherchiert das doch mal!“

Seit mehr als 100 Tagen läuft sie hier also ohne Pause: eine Betriebsversammlung – so wird die Besetzung, die ansonsten verboten wäre, bezeichnet. mehr lesen / lire plus