Autokauf oder -nichtkauf: Entdieselt und verwirrt

An der Schädlichkeit der Diesel-Abgase gibt es nichts zu deuteln. Doch was sind die Alternativen? Gehört die Zukunft wirklich dem Elektroauto?

Autofestival? Feinstaub-Alarm! Wenige Tage vor Beginn eines der wichtigsten Verkaufs-Events der Binnenwirtschaft scheint der Wettergott den LuxemburgerInnen ihre Fahrspaß-Träume vergällen zu wollen. Die Wetterlage machte, dass zum ersten Mal hierzulande der Grenzwert für Feinstaub überschritten wurde – Verursacher sind Industrie, Heizungen … und Dieselautos. Diese Antriebsart ist bekanntlich im Zuge des VW-Abgasskandals stark kritisiert worden. Die Verbrauchs- und Abgaswerte der meisten Diesel-PKW – aber auch vieler Benziner – erwiesen sich als gefälscht, insbesondere beim Ausstoß von Stickoxiden (NOx). Wie schmutzig Dieselantriebe sind, darüber informiert die woxx schon seit Jahren – sowohl was die Stickoxide als auch was den Feinstaub angeht.

Ganz schön schmutzig!
Dieselautos belasten die Umwelt, insbesondere mit NOx und Feinstaub. (
Wikimedia / John / CC BY-SA 2.5)

Welche Konsequenzen sind hieraus zu ziehen? Auf die Frage, ob man sich jetzt Sorgen machen müsse, antwortet im Wort-Interview Robert Goerens, zuständig für Umweltfragen im Gesundheitsministerium, mit „Nein“ und verweist auf die „restriktiven Umweltauflagen“. Ob die tatsächlich restriktiv genug sind, sei dahingestellt. Immerhin verursachen die gesamten Schadstoffe in der Luft schätzungsweise 60 vorzeitige Todesfälle im Jahr.

Grüne Steuergeschenke

Leider scheint sich auch die von Umweltstaatssekretär Camille Gira angekündigte Sensibilisierungskampagne zur Entdieselung auf die „Clever fueren, Steieren spueren“-Plakate zu beschränken. Die klären zwar viel über die kleinen grünen Steuergeschenke an Mittelverdiener auf, aber wenig über die gesundheitsschädlichen Abgase der Dieselmotoren. Als konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität will die Regierung das Carsharing und das Carpooling fördern – statt konsequent die Akzisen auf den Diesel zu erhöhen, wie es Michel Cames im woxx-Interview fordert. Fahrverbote zieht wohl nur der Umweltstaatssekretär in Betracht, wohingegen die beiden grünen MinisterInnen auf „sanfte“ Umgestaltung setzen. Dabei könnte gerade die Perspektive solcher Einschränkungen die AutokäuferInnen zum Nachdenken bringen.

Doch obwohl die Regierung nur zögerlich handelt, gibt es Spielräume, die die BürgerInnen nutzen können. Zum Beispiel, Wege mit dem Fahrrad zurückzulegen, wo immer das möglich ist – wo es also einigermaßen sichere und praktische Radwege gibt. Für den Kauf eines Zweirads – maximal ein Pedelec-25 – spendiert die Regierung jetzt sogar einen Steuerabschlag von 300 Euro. Und für Elektroautos gibt’s sogar 5.000 Euro.

Allerdings gilt das nur für „reine“ E-Cars und nicht für Plug-in-Hybride, die auf kurzen Strecken auch zu 100 Prozent elektrisch fahren können – eine recht zweifelhafte Einschränkung. Zwar besteht in der Tat das Risiko, dass man aus Bequemlichkeit den Hybriden an der Zapfsäule statt an der Steckdose auftankt. Doch die Batterien vieler Elektroautos sind für die häufig gefahrenen kurzen Strecken überdimensioniert, was die Ökobilanz verschlechtert. Am sinnvollsten erscheinen die Hybridmodelle für Kurzstrecken-Arbeitspendler, die manchmal längere Strecken fahren – obwohl man ja dann auf den Steuerbonus verzichten muss. Ein Bonus, der, ein weiterer Kritikpunkt, nur den Besserverdienenden zugute kommt. Warum diese Form der Förderung, anstatt der zuvor praktizierten Prämien, gewählt wurde, bleibt unverständlich.

Listen und Nicht-Listen

Eine gewisse Entscheidungshilfe bietet, wie jedes Jahr, die neu aufgelegte Oekotopten-Liste. Die Anmerkungen in der woxx von vergangener Woche behalten ihre Gültigkeit [aber siehe Anmerkung unten]: Die Liste enthält – endlich – kaum mehr Dieselfahrzeuge, leider aber auch kaum mehr Benziner, die als akzeptable Alternative zu den teuren Hybriden und den für viele unpraktischen Elektroautos eingestuft werden könnten. Wer bei dem auf die CO2-Senkung eingeschworenen Oekotopten-Projekt nicht fündig wird, sollte daher einen Blick in die Liste des schweizerischen VCS werfen: Die wurde im vergangenen März „entdieselt“ und liefert eine detaillierte – wenn auch auf unzuverlässigen Messwerten beruhende – Einstufung für viele Modelle.

Der deutsche alternative Verkehrsclub VCD, auf dessen Liste die woxx seit vielen Jahren zurückgreift, hatte sich diesen Sommer entschlossen, keine Auto-Umweltliste zu veröffentlichen (woxx 1386). Stattdessen gibt es allgemeine Ratschläge zum Autokauf – oder zum Verzicht darauf. Abwarten ist ebenfalls eine Option – in der Hoffnung, dass bessere Messverfahren und neue Kontrollmechanismen endlich realistische Abgaswerte liefern. Der VCD verweist auch auf die Messungen der Deutschen Umwelthilfe, die unter anderem eine Hitparade der 20 schmutzigsten Diesel erstellt hat.

Wir stimmen mit Oekotopten überein, dass Dieselmodelle nur noch in Ausnahmefällen zu empfehlen sind. Bei Benzinern ist neben der Effizienz zu beachten, dass Direkteinspritzer ohne Partikelfilter wegen der Luftverschmutzung ein No-Go sind. Andere Modelle stellen je nach CO2-Ausstoß in unseren Augen eine Option dar, allerdings sollte man sich an erster Stelle die von Oekotopten ausgewählten Hybride und Elektroautos ansehen. Was letztere angeht, so scheinen sich Angebot und Marktreife verbessert zu haben. Auch kann man für die E-Cars, anders als für die an sich sinnvollen Erdgasautos, auf ein brauchbares und in naher Zukunft zu realisierendes Tankstellennetz hoffen.

Update bei Oekotopten!
Nach einem E-Mail-Wechsel mit der woxx hat Oekotopten bei mehreren von uns beanstandeten Punkten eine Anpassung vorgenommen. Wir freuen uns über den konstruktiven Dialog.

-> Dazu unsere Kurzmeldung vom 31. Januar

-> Alle Beiträge zum Autofestival 2017

 

E-Cars: Begeisterung oder Skepsis?

Raymond Klein

Elektroauto ist nicht gleich Elektroauto. Ein Tesla und ein Smart beim Tanken. (Foto: Wikimedia / Ludhiana E Moreira Sales and Marion Duran / CC BY-SA 4.0)

Gehört dem Elektroauto die Zukunft? Manche glauben daran, kaufen eins – und legen jeden Abend ein Stromkabel über den Bürgersteig, weil sie keine Garage haben. Auch die für Luxemburg angekündigten 800 Strom-Zapfsäulen werden erst nach und nach errichtet. Und ihre Anzahl könnte sich als zu niedrig erweisen, wenn 2020 tatsächlich – wie angestrebt – 40.000 E-Cars auf unseren Straßen fahren. Doch derzeit sieht es in Luxemburg – wie in Deutschland – eher danach aus, dass die Förderung nicht ausreicht und die gesetzten Ziele verfehlt werden. 
Andererseits scheinen auch E-Car-SkeptikerInnen wie das VCD-Team ihre Ansicht zu ändern: So griff der Verkehrsclub eine Studie des International Council on Clean Transportation auf, die zeigt, „dass es für Hersteller günstiger ist, frühzeitig auf Elektrofahrzeuge umzustellen, statt ausschließlich die Effizienz herkömmlicher Verbrennungsmotoren zu steigern“. An den E-Cars, so der VCD, führe allein schon aus Klimaschutzgründen kein Weg vorbei. Er schlägt unter anderem vor, die Mineralölsteuer zu erhöhen und den Dieselbonus abzuschaffen. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass nur Strom aus erneuerbaren Quellen getankt wird.
Für die letztere Position werden auch die grünen Politiker François Bausch und Claude Turmes bei der Podiumsdiskussion „Sauber aufgeladen in die Zukunft“ am kommenden Montag um 18:30 im Forum Da Vinci eintreten. Man darf gespannt sein, ob die Erhöhung der Mineralölsteuer als Anreiz für den Umstieg auf E-Cars zur Sprache kommt – in Luxemburg gibt es da großen Nachholbedarf. Bei aller Begeisterung scheinen die Grünen allerdings ihre Forderung nach einer „anderen Mobilität“ – mit weniger Individualverkehr – vergessen zu haben. Nicht so der VCD. Für ihn soll der Antriebswechsel „Hand in Hand mit dem Engagement für die Verkehrswende gehen, die letztlich für substantiell weniger Autos sorgt“.


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