Bildung: Durchgeboxt


Kurz vor der Sommerpause hat das Parlament das Gesetz zur Schaffung des „Institut de formation de l’éducation nationale“ verabschiedet  – trotz offensichtlicher Mängel.

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„Wir brauchen in der Schule keine Akademiker, sondern Spezialisten für Lernen und Lehren“, so Claude Meisch bei der Parlamentsdebatte. (© Bild von Laurentius de Voltolina, um 1350 / WIKIMEDIA)

Als letzter Punkt der letzten „Chamber“-Sitzung vor den Sommerferien – am Mittwoch – stand das Gesetzesprojekt zur Schaffung des „Institut de formation de l’éducation nationale“ (IFEN) auf der Tagesordnung. Die Schaffung eines solchen Instituts war von Claude Meisch zum Schulbeginn im September 2014 als vorrangig erklärt worden. Es blieben dem Minister nur wenige Monate, das Gesetz auf den Instanzenweg zu schicken und durch das Parlament zu bringen – denn schon im September 2016 soll das Institut seine Arbeit aufnehmen. Durch die Aufkündigung der Konvention mit der Universität Luxemburg, die bisher für die Ausbildung der Lehrkräfte zuständig war, blieb dem Minister dann auch letztendlich keine Wahl: Wäre das Gesetz nicht noch vor der Sommerpause durch die „Chamber“ gegangen, hätte man im September ein „großes Problem“ am Hals gehabt.

Die Zeitknappheit und die Hektik, mit der das Gesetz nun durch die Instanzen gebracht wurde, gaben in der Debatte am Mittwoch dann auch allen RednerInnen der Opposition Anlass zu scharfer Kritik.

Am 30. Januar wurde das Gesetzesprojekt 6773 von Bildungsminister Claude Meisch eingereicht. Laut „exposé des motifs“ war sein Ziel unter anderem die Umsetzung der – Ende März beschlossenen – Reform des öffentlichen Dienstes (woxx 1312) im Bildungsbereich. Daneben ging es um die Schaffung des besagten IFEN. Dessen Aufgabe: Ausarbeitung, Umsetzung und Evaluation des „Stage“ sowie die Weiterbildung der Lehrkräfte aus Grund- und Sekundarschulbereich. Verantwortlich für das Institut: das Bildungsministerium.

Mit der Schaffung des IFEN einhergehend soll die Dauer des „Stage“ im „Secondaire“ und im „Secondaire technique“ von bisher zwei auf drei Jahre heraufgesetzt werden. Sowohl Minister Claude Meisch als auch „Rapporteur“ Lex Delles (DP) betonten in der Parlamentssitzung, dass die Inhalte des „Stage“ künftig weitaus praxisorientierter und weniger akademisch ausgelegt sein werden. „Wir brauchen in der Schule keine Akademiker, sondern Spezialisten für Lernen und Lehren“, erklärte Meisch. Auch in der Grundschule soll im Sinne der Reform des öffentlichen Dienstes ein dreijähriger „Stage“ eingeführt werden. Wie für alle anderen Staatsbeamten soll die Besoldung in den ersten beiden Jahre 80 Prozent des regulären Lehrergehalts, im dritten Jahr 90 Prozent betragen. Einem jeden „Stagiaire“ soll ein pädagogischer Berater – ein Lehrerkollege – zur Seite gestellt werden.

Aus 49 wurden 119

Die Organisation und die konkrete Umsetzung des „Stage“ sollten nach dem Gesetzesprojekt durch ein „Règlement grand-ducal“ geregelt werden. Doch genau daran stieß sich der Staatsrat. In seinem am 22. Juni ergangenen Avis verwies das Gremium auf Artikel 23 der Verfassung, der besagt: „La loi détermine (…) tout ce qui est relatif à l’enseignement“.

Das Gesetzesprojekt musste also überarbeitet werden, und zwar schnellstens: Bis zur Debatte im Parlament blieben zu dem Zeitpunkt nämlich noch knappe drei Wochen. Aus 49 Artikeln wurden bei dieser Überarbeitung 119 – ein Umstand, den vor allem CSV-Rednerin Martine Hansen scharf kritisierte.

Bereits Anfang der Woche war es zu einem Schlagabtausch über Pressemitteilungen zwischen Minister Meisch und der Lehrergewerkschaft Apess gekommen. Die Gewerkschaft hatte bereits im März in einem ersten „Avis“ zum Gesetzestext die „faktische Zusammenlegung“ aller „Ausbildungscurricula“ – für Sozialpädagogen, Grundschul- und Sekundarschullehrer – bemängelt und vor der Gefahr eines „enseignant unique“ gewarnt. Auch die Abschaffung des „Travail de candidature“, einer akademischen Arbeit, die angehende Sekundarschullehrer zum Abschluss ihres „Stage“ bisher verfassen mussten, wurde kritisiert.

Im letzten „Avis“ der Apess nun wurde auf mehrere Unzulänglichkeiten des Gesetzesprojekts hingewiesen: So werde zum Beispiel Referendaren, die das laufende Ausbildungsjahr nicht bestanden haben, verwehrt, dieses unter gleichen Bedingungen zu wiederholen. Die davon Betroffenen sollten nicht zögern zu klagen, hieß es von der Apess. Bemängelt wurde weiterhin, dass mit der Loslösung des Instituts vom akademischen Betrieb nicht mehr klar sei, über welche Fähigkeiten, Grundkenntnisse und Leistungsnachweise die künftigen Ausbilder verfügen müssen. Außerdem solle die Bezahlung für gehaltene Sitzungen am IFEN 30 Prozent unter dem bisherigen „Besoldungssockel“ liegen, so die Apess. Die Besoldung pro Sitzung bleibe zwar die gleiche, doch würden für eine Sitzung künftig 60 Minuten statt wie bisher 45 angesetzt. Eine Maßnahme, die eine „zynische und lehrerfeindliche Handschrift“ trage.

Schlagabtausch

In einem „Sieben Richtigstellungen zur Pressemitteilung der Apess“ übertitelten Kommuniqué konterte das Bildungsministerium kurze Zeit später ungewohnt scharf: Bei der Schaffung des IFEN handele es sich um „einen Teil der Umsetzung der Reform des öffentlichen Dienstes“. Die Apess habe sich aber, genau wie der SEW, in der Vergangenheit strikt geweigert, sich an der Ausarbeitung und Anwendung der Reform im Bildungswesen zu beteiligen. Diese nun zu kritisieren, sei „äußerst bedenklich“, so das Ministerium.

Der Vorwurf bezüglich der Schaffung eines „enseignant unique“ sei völlig aus der Luft gegriffen, es gebe dafür „kein einziges Indiz“ im Gesetzesprojekt. Auch bezüglich der 
Wiederholung des aktuellen Ausbildungsjahrs befinde sich die Gewerkschaft im Unrecht: „Die Nachzügler werden unter den gleichen Bedingungen und auf Grund derselben Gesetzesgrundlage betreut wie in der Vergangenheit.”

Unter dem Punkt „Besoldung der Ausbilder“ betont das Ministerium, das Institut werde im Rahmen des „Stage“ exakt die gleiche Besoldung wie bei allen anderen Aus- und Weiterbildungen zahlen. Die Tarife seien bekannt und einsehbar. Den Vorwurf der Verlängerung der Ausbildungseinheiten entkräftet das Ministerium allerdings nicht.

Das Syndikat Erziehung und Wissenschaft (SEW) des OGBL sprang der Apess bei und sprach sich gegen die Reform des „Stage“ aus – allerdings erst nach der Abstimmung im Parlament. Bemängelt wird in einer Pressemitteilung, dass die Loslösung des „Stage pédagogique“ vom akademischen Betrieb eine „Verschlechterung der Lehrerausbildung“ darstelle. Wieder einmal stünden die Sparpläne des Ministers, und nicht Verbesserungen bei der Ausbildung, im Zentrum.

Dass der Gesetzestext noch Mängel enthält, gestand Minister Meisch am Mittwoch vor der „Chamber“ auch ein. Es wäre jedoch falsch, die Schaffung und Inbetriebnahme des Instituts wegen dieser Mängel um ein volles Jahr zu verschieben, so der Tenor seiner Stellungnahme.

Auf den Vorwurf der CSV-Abgeordneten Martine Hansen, das Gesetz lasse erkennen, dass es übers Knie gebrochen wurde, und für „seriöse parlamentarische Arbeit“ sei die verfügbare Zeit viel zu kurz, konterte Claude Meisch, er könne sich noch sehr gut an das Gesetz zu den Studienbeihilfen erinnern, das von der damaligen Hochschulministerin Hansen verabschiedet wurde: Vier Tage hätten zwischen „dépôt“ und Verabschiedung gelegen. Im Nachhinein habe das damalige Gesetz der jetzigen Regierung aber einige Probleme geschaffen – unter anderem einen Streik von 17.000 SchülerInnen und Studierenden. Eine Aussage, die vom CSV-Abgeordneten Serge Wilmes mit dem Zwischenruf „Dann hätt der eben an der Oppositioun bleiwe sollen!“ quittiert wurde.

Zu wenig Zeit

Martine Hansen erklärte, jedes Mal wenn sie sich den Text ansah, seien ihr wieder Fehler aufgefallen. „Wenn die CSV nicht gewesen wäre, befänden sich jetzt noch Fehler im Text“ sagte sie. „Ich kann nicht garantieren, dass wir alle Fehler entdeckt haben.“

Es blieb nicht bei der Kritik an dem überstürzten Vorgehen des Bildungsministeriums: So kritisierte David Wagner (Déi Lénk) beispielsweise den Umstand, dass das Ministerium verantwortlich für das IFEN sei. Damit entstehe die Gefahr, dass dessen Wirken an Legislaturperioden gebunden sei. Bemängelt wurde von Wagner auch – wie von anderen Rednern der Opposition –, dass angehende Sekundarschullehrer sich von Anfang an zwischen „Enseignement secondaire“ und „Enseignement secondaire technique“ entscheiden müssen – und dann auch dauerhaft auf die gewählte Laufbahn festgelegt sind. Für den linken Abgeordneten liegt das eigentliche Problem dabei aber bei der „verrückten Aufteilung“ zwölfjähriger Schüler auf verschiedene Schullaufbahnen. „Jeder weiß das, aber keiner hat den politischen Mut, daran etwas zu ändern“ stellte er fest.

Nachdem mehrere „Amendements“ der CSV-Abgeordneten Martine Hansen mit teils knapper Mehrheit abgelehnt wurden – kurzzeitig hieß es, der DP-Abgeordnete Berger habe sich bei der Abstimmung vertan -, wurde das Gesetzesprojekt mit 32 Ja-Stimmen, 26 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen (Déi Lénk) angenommen.


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