Budget 2017:
 Zukunftspak andersherum


Noch sind nicht alle Punkte des Sparpaketes von Oktober 2014 abgehakt, doch schon wird wieder verteilt.

Zumindest hinsichtlich der Budgetzahlen kommt bei den meistem Mehrheitspolitikern gute Stimmung auf. (Foto: woxx)

Zumindest hinsichtlich der Budgetzahlen kommt bei den meistem Mehrheitspolitikern gute Stimmung auf. (Foto: woxx)

Die alljährliche Vorlage des „wichtigsten Gesetzes des Jahres“ gerät immer mehr zur Farce. Zwar dürfen sich die PressevertreterInnen auf den Bänken der (CSV-)Abgeordneten statt auf den weniger bequemen Sitzplätzen „um Juck“ des Plenarsaales breit machen, doch so richtig zufriedenstellend werden die Arbeitsbedingungen für die Journalistinnen, die ja zeitnah über die Eckwerte des Jahreshaushalts berichten sollen, dadurch nicht.

Traditionell sind bei der Vorstellung auch Vertreter der „forces vives de la nation“ und natürlich auch Abgeordnete zugegen. Deren Anwesenheit nimmt von Jahr zu Jahr zu, so dass in diesem Jahr sogar mehrere Stuhlreihen improvisiert werden mussten, damit alle sitzend den Ausführungen des Finanzministers folgen konnten.

Dieses gestiegene Interesse der gewählten VolksvertreterInnen hat allerdings weniger mit der (in absoluten Zahlen) kontinuierlich anwachsenden Staatsverschuldung, als mit dem medialen Hype zu tun, der die Präsentation schon seit längerem umgibt: Livestream hier, Interview dort, Schnell-Kommentare zu den Eckwerten eines Pakets, das sich tatsächlich ja aus vielen Einzelhaushalten zusammensetzt. Insbesondere bei den erwarteten Einnahmen wird dabei mit Hypothesen operiert, die – wenn überhaupt – erst später in den zahlreichen Einzelberatungen der Budgetkommission eingehender unter die Lupe genommen werden.

Eine sachliche Diskussion mit dem Minister über das gerade vorgelegte Zahlenwerk und die wichtigsten dieser Annahmen ist in dem brechend vollen Plenarsaal faktisch kaum möglich. Dies umso mehr, wenn der Parlamentsvorsitzende sie einfach nicht zustande kommen lässt und das Publikum verabschiedet „es sei denn, es gäbe eine weltbewegende Frage“ im Zusammenhang mit dem Budget. Die gab es sicher, aber sie zu stellen hat sich dann doch keiner getraut.

Wichtiger war es, einen der Kugelschreiber zu ergattern, in dessen Krone ein USB-Stick mit der Haushaltsvorlage 2017 integriert ist. Danach galt es, sich rechts und links die FraktionschefInnen ans Mikro oder ans Diktaphon zu holen, und wenn nicht die, dann zumindest die offiziellen oder selbsternannten finanzpolitischen SprecherInnen der verschiedenen politischen Gruppierungen. Und je nachdem, ob mensch zu einer Koalitionsfraktion oder zur Opposition gehört, ist die Flasche eben halbvoll oder halbleer.

Gute anderthalb Stunden

Einer fundierten Analyse der Budgetausarbeitung wäre eine gesonderte Pressekonferenz sicherlich förderlich – doch es fragt sich, ob dergleichen überhaupt erwünscht ist. Das ist umso bedauerlicher, als der Vortrag des Finanzministers – statt der angekündigten „40 Minuten“ beanspruchte er volle siebzig – fast schon junckersches Format hatte. Überhaupt mutiert der Seiteneinsteiger Gramegna immer mehr zum Vollblutpolitiker. Das ist nicht zuletzt seiner Rhetorik anzumerken. Bei seinen ersten Auftritten zum (Not-)Haushalt 2014 und beim Zukunftspak hatte es allgemeines Kopfschütteln gegeben, und unverkennbar hatte so mancher auf den Regierungsbänken den heftigen Drang verspürt, zum Rednerpult zu eilen und mit der Erläuterung des Ganzen noch einmal von vorne anzufangen.

Dabei war die (selbstauferlegte) Aufgabenstellung 2013 recht klar: Es galt, die sich seit 2009 beschleunigende Schuldenspirale unter Kontrolle zu bekommen. Zudem drohte mit dem progressiven Wegfall der TVA-Einkünfte des „commerce électronique“ ab 2015 ein milliardenschwerer Einbruch bei den Steuereinkünften. Um das Kind nicht beim Namen zu nennen, redete Gramegna irgendetwas von einer kopernikanischen Revolution, die es erlauben würde, die Budgetpolitik komplett umzukrempeln. Was dann aber tatsächlich betrieben wurde, war klassische Austeritätspolitik: Das Budget wurde auf Sparpotenziale hin durchforstet und eine Sondersteuer eingeführt mit dem Ziel, die Ausgaben wieder mehr in Einklang mit den Einnahmen zu bringen. „Austerität“ ist in Luxemburg natürlich eine auf hohem Niveau – was nicht beutet, dass sie nicht für viele der von ihr Betroffenen zu empfindlichen Einschränkungen führt.

Ironischerweise erreichte der Finanzminister in den Folgejahren sein Ziel „punktgenau“, obwohl die wirtschaftliche Entwicklung, und damit vor allem die Einnahmeseite, in der Folge positiver verlief als geplant. Am berüchtigten Zukunftspak durften sogar einige Abstriche gemacht werden, da das Loch weniger klaffend ausfiel, als zunächst befürchtet.

Kein Wunder, dass Regierungsvize Etienne Schneider im Nachhinein bedauerte, der Zukunftspak sei ein Fehler gewesen. Damit meinte er allerdings nicht die Absicht, Ausgaben zu straffen, sondern das Prinzip, hierzu sämtliche Bevölkerungsteile heranzuziehen – und sich damit alle zum Feind zu machen.

Seinen vierten Haushalt präsentierte Gramegna unter gänzlich anderen Vorzeichen: Obwohl die Wachstumszahlen für Luxemburg „doppelt so hoch liegen wie für die Gesamt-EU“ und der Einbruch der Einnahmen im „commerce électronique“ sich weniger stark auswirken als gedacht, wird die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben 2017 doch wieder auseinandergehen.

1393stoosImmerhin: Das hohe Wirtschaftswachstum erlaubt es, die relative Verschuldung bis 2020 – vorausgesetzt, die Berechnungen stimmen – bei 23,7 % einzufrieren. Absolut steigt die Verschuldung aber weiter an – von 10,9 Mia 2013 auf knapp 16 Milliarden 2020. Zustande kommt dieses Paradox zum einen durch die weiterhin hohen Investitionsausgaben, die 2017 bei 2,4 Milliarden Euro liegen werden, zum anderen durch die geplante Steuerreform, die, ein bisschen wie ein Anti-Zukunftspak, zu einer Verringerung des Steueraufkommens führen wird. Die Investitionen sollen das Land und seine Wirtschaft zukunftssicherer machen und so später für weiteres Wachstum und höhere Steuereinnahmen sorgen.

Durch die Steuerreform soll schon jetzt mehr Kaufkraft beziehungsweise Investitionspotenzial bei allen Betroffenen belassen werden. Auch hier klingen die relativen Zahlen besser als die absoluten: Wenn, wie Gramegna vorrechnet, ein Bezieher von Niedriglohn in Zukunft nurmehr halb so viel Steuern zahlen muss wie vorher, so ist – in absoluten Zahlen gerechnet – der ersparte Betrag immer noch sehr viel geringer als der, den so mancher Großverdiener im nächsten Jahr zusätzlich in sein Aktienpaket investieren kann. Und der Caritas-Sozialmanach wird uns im nächsten Jahr sicherlich auf den Cent genau vorrechnen, wieviel der Zukunftspak und sein Gegenstück Steuerreform die Geringverdiener unter dem Strich tatsächlich gekostet haben werden.

Das Unterfangen erinnert nicht wenig an die am Anfang des Jahrtausends von der CSV und der DP durchgeführte Steuerreform, die ja insbesondere von den Grünen mit dem Argument kritisiert worden war, dass die Steuergeschenke besser für den sozialen und energetischen Umbau der Gesellschaft genutzt werden sollten. Auch wenn die wirtschaftlichen Eckdaten 2016 sicherlich etwas anders geartet sind als die von 2000, bleibt die Frage, weshalb man sich nicht mehr Zeit gelassen und nicht eine strukturell tiefer greifende Reform in Angriff genommen hat.

Der Vorwurf, den CSV-Fraktionschef Claude Wiseler per Internet-Video verbreitete, nämlich dass hier im Vorfeld von drei Wahljahren ziellos Wahlkampfgeschenke verteilt werden, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber natürlich wurde diese Tradition auch schon von CSV-Finanzministern treu gepflegt.

Ethische Nischen

Wenn also von einer kopernikanischen Revolution in Sachen nationaler Haushaltsgestaltung bislang wenig zu verspüren ist, so könnte der Blick auf die weltweite Wirtschaftsentwicklung vielleicht das Neuartige an Gramegnas Ansatz zu erkennen geben. Neben den allgemeinen Parametern einer weltweit nicht sehr stark drehenden Wirtschaft fokussiert sich der Finanzminister dabei auf zwei Entwicklungen, die für Luxemburg wichtig seien und Chancen und Risiken zugleich mit sich brächten: Nämlich auf die Änderung der weltweit geltenden Regelungen zur Besteuerung – bekannt unter dem Kürzel BEPS (Base erosion and profit shifting) – und auf den Brexit.

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(Foto: Chamber)

Was den letzten Punkt anbelangt, so hält es Gramegna für ausgemacht, dass der Beschluss am Ende für die Briten schmerzhafter sein wird als für die verbleibenden EU-Mitgliedsstaaten. Luxemburg könnte am Ende sogar profitieren – nicht durch aggressive Abwerbung internationaler Banker oder gar ganzer Finanzunternehmen, wie es die neo-liberalen Scharfmacher der CSV jetzt fordern, sondern als Bindeglied und Mittler zwischen dem Londoner Finanzplatz und der EU. Er, Gramegna, habe entsprechende Gespräche bereits geführt, bevor der Brexit überhaupt spruchreif war.

Hinsichtlich der BEPS-Maßnahmen, die ja für die Finanzinstitutionen hohe Kosten und fallende Gewinne – und entsprechend geringere Steuerausschüttungen – bedeuten, gibt sich der Minister ebenfalls vorsichtig optimistisch: Die internationale Finanzwelt sei gar nicht mehr so sehr an einem besonders günstigen Steuerumfeld interessiert, ihr komme es vor allem darauf an, dass der Standort Seriosität und die Einhaltung der neuen internationalen Standards garantiert. Hier erinnern Gamegnas Ausführungen ironischerweise an den Falk Bericht von 2009. Damals hatten Luxemburger Entwicklungs-ONGs die Tatsache angeprangert, dass die prächtige Entwicklung des Finanzplatzes auch auf Kosten armer Drittsaaten ging. Sie forderten ethische Leitlinien, gepaart mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses und der Offenlegung der Herkunft der in Luxemburg geparkten Vermögen. Hätte Luxemburg schon damals auf die als Nestbeschmutzer abgekanzelten ONGs gehört, wären einige dieser Entwicklungen wohl früher in Gang gekommen.

À propos ONG: Eine der letzten Maßnahmen des Zukunftspak, von dem keiner mehr so richtig reden will, wurde letzten Freitag im Regierungsrat auf den Instanzenweg gebracht. Es geht um die Reduzierung der Bezuschussung von Entwicklungsprojekten in Ländern der Dritten Welt, die nicht zu den sogenannten Least developped Countries gehören. Organisationen die zum Beispiel vorrangig in Ländern Lateinamerikas oder etwa in Indien operieren, werden weniger Geld erhalten. Dass auch in diesen Ländern große Teile der Bevölkerungen weit unterhalb der Armutsgrenze leben, bleibt dabei ohne Berücksichtigung.


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