Die Politik und das Klima: Nicht rasten!

Steigende Temperaturen, schwindende Handlungsbereitschaft. Ohne politische Entscheidungen kein Klimaschutz, ohne zivilgesellschaftlichen Druck kein Erwachen.

(Bild: www.nasa.gov)

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Die gute Nachricht zuerst. Es dürfte die größte weltweite Aktion zivilen Ungehorsams im Dienste des Klimaschutzes gewesen sein: Von Anacortes im US-Bundesstaat Washington über die deutsche Lausitz bis nach Dunedin in Neuseeland haben Aktivistinnen und Aktivisten in den vergangenen Wochen Zuglinien, Bankfilialen und Kohleminen blockiert (woxx 1369). Unter dem Motto „Break Free“ ging es darum, ein Zeichen zu setzen gegen die Nutzung fossiler Energieträger.

Dafür gibt es gute Gründe. Das Abkommen von Paris wird zwar von denen, die es vor fünf Monaten ausgehandelt haben, noch immer gerne als „historisches Ereignis“ gepriesen. Doch aus der Vision von Paris eine Realität zu machen, wie es die UNO-Klimachefin Christiana Figueres am ersten Tag der Klimakonferenz in Bonn forderte, dazu sind die Regierungen der Welt nicht unbedingt bereit. Insbesondere die im Abkommen enthaltene Verpflichtung, eine Erderwärmung von nicht mehr als 1,5 Grad anzustreben, würde bedeuten, dass die in Paris vorgelegten Klimaschutzziele der meisten Länder revidiert werden müssen.

Und jetzt die richtig schlechte Nachricht: 2016 wird mit großer Wahrscheinlichkeit das wärmste Jahr der letzten 100 Jahre, für die man die mittlere Erdtemperatur berechnen kann. Auch wenn das meteorologische Phänomen El Niño hieran einen Anteil hat – ohne das durch menschliche Aktivitäten erzeugte CO2 wäre 2016 nicht zum Rekordjahr geworden, versichern die Experten. Die Konzentration des Treibhausgases misst man in „ppm“, also in Millionstel Anteilen an der Erdatmosphäre. Diese dürfte im Juni die 400-ppm-Grenze durchbrechen – in der für ihre besonders saubere Luft bekannte Messstation von Cape Grim in Tasmanien.

Doch Bonn ist sehr weit weg von Tasmanien, und nicht einmal die Rufe aus der Lausitz reichen bis dorthin. Werden sich die Politiker – nach den zugegebenermaßen nicht einfachen Verhandlungen in Paris – auf ihren Lorbeeren ausruhen? Manche von ihnen greifen erleichtert die Idee auf, die wichtigste Rolle beim Klimaschutz komme der Zivilgesellschaft zu. Und meinen damit, dass der CO2-Ausstoß drastisch sinken würde, wenn nur die Menschen bereit wären, ihre Lebensgewohnheiten zu ändern.

Ist das die Graswurzelrevolution, die Theoretiker der zivilgesellschaftlichen Mobilisierung, wie Naomi Klein und Bill McKibben, meinen? Wenn jeder Einzelne sich als Konsument für maximalen Klimaschutz entscheiden würde, müssten sich Unternehmen und Politik nolens volens darauf einstellen, so die Theorie. Doch das funktioniert nicht – viele Umstellungen sind unzumutbar, Menschen tendieren dazu, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, und Politik und Wirtschaft müssen bereits heute Entscheidungen treffen, die Jahrzehnte lang wirken.

Reicht es, wenn jeder Einzelne seine Lebensgewohnheiten ändert? Ist das die Rolle der Zivilgesellschaft beim Klimaschutz?

Es geht gerade nicht darum, die Politiker aus der Verantwortung zu entlassen. Ihre Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen für einen klimaverträglichen Lebensstil zu schaffen. Sie müssten zum Beispiel die Infrastrukturen für die öffentlichen und die „sanften“ Verkehrsmittel so ausbauen, dass, wer auf sie umsteigt, sich nicht mehr wie ein opfermütiger Pionier vorkommt. Oder eine CO2-Steuer einführen, die die Nutzung von Kohlekraftwerken und spritbetriebenen Fahrzeugen verteuert und so alternative Energieträger und Verkehrsmittel fördert. Und nicht zuletzt auf lokaler wie auf globaler Ebene einen Green New Deal in Angriff nehmen, so dass Klimaschutz nicht mehr mit Verarmung und Arbeitslosigkeit in Verbindung gebracht werden kann. Die Rolle, die der Zivilgesellschaft zukommt, ist also weniger die, jedem Einzelnen einen nachhaltigeren Lebensstil zu diktieren, als vielmehr, gemeinsam den allzu trägen Regierenden in den Hintern zu treten.


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